TV-Geschichte des Ostens

DDR-Klassiker: Was aus den TV-Stars der Kult-Sendung „ELF99“ wurde

Am 1. September 1989 ging ELF99 erstmals auf Sendung. Moderatoren wie Jan Carpentier, Ingo Dubinski und Victoria Herrmann wurden zu Stars der Wendezeit.

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Sie waren von Anfang an mit dabei: Frauenschwarm Ingo Dubinski wird für dieses Foto von seinen Moderationskolleginnen Angela Mohr (li.) und Victoria Herrmann angehimmelt.
Sie waren von Anfang an mit dabei: Frauenschwarm Ingo Dubinski wird für dieses Foto von seinen Moderationskolleginnen Angela Mohr (li.) und Victoria Herrmann angehimmelt.Gueffroy/imago

Die Sendung vom 23. November 1989 wollte im DDR-Fernsehen wohl jeder sehen. Dem Reporter Jan Carpentier von der DDR-Jugendsendung ELF99 war es gelungen, kurz nach der Wende erstmals in der Waldsiedlung in Wandlitz, wo Honecker & Co. abgeschottet vom Rest der Bevölkerung lebten, zu filmen. Sie sahen Miele-Küchengeräte in den Wohnhäusern, prall gefüllte Obstauslagen voller Südfrüchte im Konsum für die Politbüro-Mitglieder. ELF99 machte in den Wendetagen Schlagzeilen, traute sich was – und die jungen Moderatoren wurden zu Fernsehstars. Wir wollten wissen, was aus ihnen geworden ist.

Das DDR-Fernsehen hat Ende der 80er viele Probleme. Eines davon war, dass die jungen Leute keine Angebote im Programm fanden, die sie wirklich interessierten. Alles wirkte etwas trutschig, selbst eine Musiksendung wie „Rund“ kam viel zu staatsnah und FDJ-lastig daher. Frech und aufmüpfig war nicht gefragt. Das sollte ELF99 ändern – benannt nach der alten Postleitzahl für Adlershof (1199), wo sich auch die DDR-Fernsehstudios befanden. 

Die Aufmachung unterschied sich vom Rest des DDR-Fernsehens

Am 1. September 1989 um 15.45 Uhr wurde auf DDR 2 die erste Sendung von „ELF99: Der Jugendnachmittag“ ausgestrahlt. Mit dem Blick in den Westen wollte man die Jugendlichen im Osten wieder vor die DDR-Bildschirme holen. Zwar gab es auch einen frischen Mix aus Nachrichten und Sportberichten zu sehen, eingeschaltet wurde anfangs aber vor allem wegen der Filme (aus dem Westen), die gezeigt wurden. In der ersten Sendung lief die Fernsehfassung von „Dirty Dancing“ in deutscher Erstausstrahlung, in den Wochen danach „Fame – Der Weg zum Ruhm“, „Der Schatz im All“ oder die niederländische Musiksendung „Countdown“.

Mit dem Logo der Sendung: Victoria Herrmann und Steffen Twardowski im Fernsehstudio
Mit dem Logo der Sendung: Victoria Herrmann und Steffen Twardowski im FernsehstudioGueffroy/imago

Die Aufmachung unterschied sich vom Rest des DDR-Fernsehens. Ein computeranimierter Vorspann in grellen Neonfarben, unterlegt mit so einer Art elektronischer HipHop-Beats, ein zwinkernder Karl Marx tauchte neben Michael Jackson auf. Und die Moderatoren versuchten, flippiger zu sein. Jan Carpentier, Ingo Dubinski, Victoria Herrmann und Angela Fritzsch waren Sendung 1 an dabei, später folgten auch Ines Krüger, Thomas Riedel, Steffen Twardowski, Anja Kling und Marcel Obua.

Mit der Wende wurde die Sendung dann mutiger, politischer. Nicht nur Wandlitz stattete das ELF99-Team einen Besuch ab, sondern auch dem Stasi-Wachregiment Feliks Dierzynski, live in der Sendung gingen die Interviewer einen Studiogast hart an, forderten das Politbüro-Mitglied Harry Tisch auf zurückzutreten.

Im Dezember 1989 wurde das Team von ELF99 mit dem Medienpreis Bambi geehrt und lief bis zum Ende des DDR-Fernsehens (31. Dezember), das nun DFF hieß, weiter. Als aber weder ORB noch MDR Interesse an einer Weiterführung zeigten, schlug RTL zu. Warum fragte man sich später. Denn das ehemalige DDR-Jugendprogramm wurde im Privatfernsehen nur ganz stiefmütterlich behandelt. Gekürzte Sendezeit, schwieriger Sendeplatz, bald wurde ELF99 von RTL zu VOX abgeschoben. Im März 1994 war dann endgültig Schluss. Auch für die Moderatoren Victoria Herrmann, Ines Krüger, Steffen Twardowski und Thomas Riedel, die zum Privatfernsehen gefolgt waren. Aber für manch einen der ELF99-Moderatoren wurde die Sendung zum Sprungbrett.

ELF99: Was aus den Stars der Kult-Sendung wurde

Jan Carpentier: Seine Karriere beginnt als Korrespondent für die DDR-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera, nach ELF99 arbeitet er für die Frühausgabe der Tagesschau. Carpentier wird vom ORB übernommen, wechselt später zu VOX. Heute arbeitet er als freier Journalist, für RBB und ARD. 

Victoria Herrmann: Wird 1987 als Model bei einer Modenschau im Palast der Republik entdeckt, moderiert vor ELF99 die Jugendsendung Klik im DDR-Fernsehen. Nach dem Aus von ELF99 ist sie viel beschäftigt. Sie moderiert bei 94,3 rs2, eine Reiseshow beim MDR, die Unterhaltungsendung „Fasching im Norden“ beim NDR, fünf Jahre lang zusammen mit Roberto Blanco das „Festival des deutschen Schlagers“ bei Radio Bremen und bis zur Einstellung im Jahre 2018 die Wissenschaftssendung LexiTV auf MDR. Seitdem ist es um die Moderatorin, die an der Ostsee lebt, etwa ruhiger geworden.

Angela Fritzsch: Nach ihrem Abschied von ELF99 wird Angela Fritzsch, die mit Arnold Fritzsch, dem Sänger der DDR-Band Kreis verheiratet war, zu einem der Gesichter von ORB, SFB und RBB. Sie arbeitet für die Abendschau, das Magazin Wochenmarkt, moderierte das „AbendJournal“ und „zibb“. 

Ingo Dubinski startet in der ARD durch

Ingo Dubinski: 1990, nach seinem Abschied von ELF99 ist er der große Durchstarter in der ARD. Er moderiert alles weg, was ihm angeboten wurde. Von „Ein Platz an der Sonne“ bis „Die goldene Eins“, von der Quizshow für Schüler („Supergrips“) bis zu „Mit Dubinski reisen“. Die Karriere-Vollbremsung kommt 2001. Als heraus kommt, dass es über Dubinski eine dicke Stasi-Akte gibt. Er wurde während seiner Armeezeit als IM Diplomat von der Stasi verpflichtet und sollte Kameraden ausspionieren. Er gab der Stasi aber keine brauchbaren Informationen, mit der Armeezeit endete seine IM-Tätigkeit, der Führungsoffizier stellte fest, Dubinski habe seine „Glaubwürdigkeit letztlich nicht unter Beweis gestellt“.

Auch deshalb entscheidet der Untersuchungsausschuss des MDR, dass Dubinski weiterbeschäftigt werden kann. Nach drei Monaten Sende-Pause kommt es zum Comeback des gebürtigen Berliners.  „WunschBox“ und „Ein Platz an der Sonne“ moderiert er bis 2003, das Reisemagazin „Mit Dubinski reisen“ bis 2004. Erst dann zieht er sich vom Fernsehen zurück. Aber nicht vom Moderationsgeschäft. Er arbeitet für Lufthansa und „Miss Germany“-Wahlen, engagiert sich für das Deutsche Kinderhilfswerk. „Das Fernsehen fehlt mir gar nicht“, sagt der 60-Jährige vor ein paar Jahren in einem Interview mit der Superillu. „Wenn Markus Lanz aber irgendwann keine Lust mehr auf seine Talkshow hätte und das ZDF käme auf den Gedanken, mich anzurufen, dann würde ich sicher nicht auflegen.“

Grelle Farben waren angesagt: Auch Ines Krüger und Thomas Riedel waren Moderatoren von ELF99.
Grelle Farben waren angesagt: Auch Ines Krüger und Thomas Riedel waren Moderatoren von ELF99.Gueffroy/imago

Anja Kling: Moderiert bei ELF99 ab 1989 zwei Jahre lang das Mädchenmagazin „Paula“. Schon kurz zuvor feiert sie als Schauspielerin ihren Durchbruch – mit der Hauptrolle im DEFA-Film „Grüne Hochzeit“ von Hermann Zschoche. Ein Studium an der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin bricht sie wegen eines Rollenangebots für die ZDF-Serie „Hagedorns Tochter“, die sie auch im Westen zum Star machte, ab. Seitdem zählt sie neben ihrer Schwester Gerit Kling zu den erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen.

Sie spielt erfolgreich für Kino („(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“, „Hanni & Nanni“) und Fernsehen („Honigfrauen“, „Das Quartett“). In einem Interview mit dem Stern erklärt 54-Jährige vor kurzem, dass die Aufträge weniger geworden sind, seit sie die 50 überschritten habe. „Meine Branche befindet sich in einer merkwürdigen Umbruchphase. Es wird weniger gedreht, es gibt weniger Projekte und oft niedrigere Gagen. Und das macht sich leider besonders in meiner Altersgruppe bemerkbar. Es ist sicher so, dass ich auf hohem Niveau jammere: Ich drehe noch regelmäßig, aber verglichen mit früher, gibt es heute definitiv weniger neue Projekte.“

Thomas Riedel: Nach dem Ende von ELF99 geht der Berliner erstmal zum Lokalsender 1A-Fernsehen und moderiert dort die Nachrichtensendungen. Später arbeitet er als freier Autor für das ARD-Boulevardmagazin „Brisant“, für den MDR und N24. Für Sat.1 dreht er Reportagen für das Format „24 Stunden“ und Dokumentationen über die DDR. Die Doku „Freiheit! Das Ende der DDR“ wird mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. 2009 gründet er mit seinem Geschäftspartner Falko Kurth die Produktionsfirma KR.Film, die für das ZDF, den RBB oder den Bundestag arbeitet. So ist am Ufer der Spree hinter dem Reichstagsgebäude, bis zum 3. Oktober die Multi-Media-Installation „Menschen und Parlament“ zu sehen. Der Film wird auf mehreren Spielflächen an die Häuserwand des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses projiziert. Parallel zu einer Licht- und Laserinstallation mit Surround-Sound.

Victoria Herrmann (Mitte) und Steffen Twardowski (re.) mit einigen Mitgliedern des Elf99-Teams
Victoria Herrmann (Mitte) und Steffen Twardowski (re.) mit einigen Mitgliedern des Elf99-TeamsGueffroy/imago

Steffen Twardowski: Weil eine IM-Akte über ihn gefunden wurde, darf Twardowski ab 1995 nicht mehr die ORB-Sendung „Vor Ort“ moderieren, wie damals die Nachrichtenagentur ADN berichtet. Er wird Managementtrainer und berät Unternehmen in Kommunikationsfragen. Auf dem Blog Sachenlesen.de schreibt er heute über Sachbücher aus den Bereichen Politik und Gesellschaft, arbeitet seit 2006 für die Die Linken, erst die Bundestagsfraktion, dann die Fraktion im Brandenburger Landtag.

Für Tiere in Not verabschiedet sich Ines Krüger vom Fernsehen

Ines Krüger: Sie war die jüngste Ansagerin des DDR-Fernsehens. Nach Elf99 präsentiert sie das ARD-Boulevard-Magazin „Brisant“, moderiert die Polit-Talkshow „Fakt ist“. Ines Krüger hat aber auch ein großes Herz für Tiere. Ob Hunde, Katzen oder Schweine: Wo immer sie von Menschen gequält werden, geht sie auf die Barrikaden. Dafür zieht sich die Hundeliebhaberin auch vom Bildschirm zurück, wird 2011 Vorsitzende des Berliner Tierschutzvereins, dem ältesten in Deutschland. Nachdem sie an Brustkrebs erkrankt, legt sie ihr Amt im Juli 2020 nieder. Ines Krüger moderiert heute auch wieder, wie die Modenschau zum Brustkrebs-Patientinnentag im Dezember 2023 im Sana-Klinikum Lichtenberg.

Marcel Obua: Er arbeitet nach ELF99 für puls TV, verabschiedet  sich dann vom Fernsehen und erkundet erstmal die Welt, lebte in England und den USA. ■