DDR-Boxlegende

Erster DDR-Olympiasieger Wolfgang Behrendt: DAS ist aus ihm geworden!

Mit 88 Jahren kämpft der DDR-Olympiasieger Wolfgang Behrendt weiter. Er holte das erste Olympiagold für die DDR. Doch bekannt wurde er als Fotograf.

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DDR-Olympionike Wolfgang Behrendt kann immer noch gut boxen.
DDR-Olympionike Wolfgang Behrendt kann immer noch gut boxen.Ulli Winkler/imago

Schon beim Händedruck spürt man die Power, die Wolfgang Behrendt einst zur Legende machte. Mit 88 Jahren drückt der ehemalige Olympionike der DDR noch immer überraschend fest zu. Man habe ihn vergessen, sagt er, doch seine goldenen Momente sind unvergessen. 1956 holte er in Melbourne als erster DDR-Sportler Gold im Boxen. Bantamgewicht, 54 Kilogramm – und er war der Beste!

„Warten Sie“, bittet der zähe Senior den Taz-Reporter, erhebt sich mühsam – eine gebrochene Hüfte aus dem Winter macht ihm zu schaffen – und holt stolz die Medaille. „Is nur so’n kleenes Ding“, berlinert er bescheiden. Die goldene Plakette, in einer weißen Schatulle, ohne Band – so wurde sie ihm damals überreicht. „Ja, so war das damals, allet bescheidener, allet weniger wichtig.“ Auch einen olympischen Ring zeigt er, ein Schmuckstück seiner triumphalen Vergangenheit. „Schön, nich!?“

DDR-Boxer Wolfgang Behrendt triumphierte über Südkoreaner

Im Finalkampf der Sommerspiele triumphierte er über den Südkoreaner Soon Chang Song mit 2:1 Richterstimmen, zuvor schlug er im Halbfinale den Iren Fred Gilroy. Mit gerade mal 20 Jahren holte er überraschend Gold, während andere auf Sprinterin Christa Stubnick oder Hürdenläuferin Gisela Köhler setzten. Doch es war der Maschinenschlosser aus dem Volkseigenen Betrieb Niles Großdrehmaschinenbau, der ganz oben auf dem Treppchen stand. Selbst Westboxer Harry Kurschat, der im Leichtgewicht Zweiter wurde, konnte ihm nicht das Wasser reichen. Die Freundschaft der beiden hielt bis zum Mauerfall.

DDR-Boxer Wolfgang Behrendt als Musiker im Jahr 2005 – neben Axel Schulz (l.) und Henry Maske (2. v. r.).
DDR-Boxer Wolfgang Behrendt als Musiker im Jahr 2005 – neben Axel Schulz (l.) und Henry Maske (2. v. r.).Mausolf/imago

In seiner kleinen Wohnung hat Behrendt neben der Goldmedaille auch seinen Lebenslauf bereitgelegt – ein Zeugnis eines bewegten Lebens, falls sein Gedächtnis ihn im Stich lässt, berichtet die Taz. Geboren und aufgewachsen in Prenzlauer Berg, zog er in den 60ern nach Berlin-Johannisthal, wo er seit über 50 Jahren lebt. Beeindruckende 201 Kämpfe bestritt er: 188 Siege, fünf Unentschieden, acht Niederlagen. K.o. ging er nie.

DDR-Boxer Wolfgang Behrendt nach der Wende Fotograf

„Der linke Jab war mein bester Schlag“, erzählt er, boxt in die Luft und lacht. Doch das Schicksal meinte es nicht immer gut mit ihm: Er überlebte seinen Sohn Mario, ebenfalls ein DDR-Boxmeister, seine Frau und auch den bekannten DDR-Reporter Heinz Florian Oertel. „Ja, alle tot“, sagt er und zeigt auf ein Foto mit seiner Trompete. Behrendt, ein Mann vieler Talente – nicht nur Boxer, sondern auch Musiker und Entertainer.

Vor dem Gebäude des „Neuen Deutschland“ wurde er abgelichtet, wo er bis 1990 als Sportfotograf arbeitete. Mit seiner Nikon reiste er zu acht Olympischen Spielen, Fußball-Weltmeisterschaften und zur Friedensfahrt der Radler. Seine Karriere begann als Kameraassistent beim Deutschen Fernsehfunk, es folgte ein Fernstudium für Fotografie an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Seine Bilder waren mehr als nur Schnappschüsse: Sie gewannen Preise und wurden zu Ikonen der DDR-Sportfotografie.

Nach seinem Olympiasieg wurde Behrendt gefeiert. Doch zum großen Star des DDR-Sports avancierte er nie – sein unkonventioneller Charakter brachte ihn in Schwierigkeiten mit den Funktionären. „Ich war halt nicht der große Urkommunist“, erklärt er. Nach der Wende schlug er sich als freier Fotograf durch – ein hartes Brot.

Heute verblasst vieles im Nebel der Erinnerung, aber die Legende Wolfgang Behrendt bleibt unvergessen. ■