Volle Straßen, wütende Fahrgäste

Kapitulation vor dem Aggro-Berliner: BVG-Busfahrer Jan B. kündigt

In Berlin fehlen schon Hunderte Busfahrer. Jetzt wird es noch einen weniger geben. Der Lichtenberger Jan B. schmeißt hin. Er ist nur noch genervt.

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BVG-Busfahrer Jan. B. ist bisher vor allem im Osten Berlins unterwegs.
BVG-Busfahrer Jan. B. ist bisher vor allem im Osten Berlins unterwegs.Jürgen Ritter/imago

Der BVG fehlen Hunderte Busfahrer. Fahrpläne müssen ausgedünnt werden, die Pausen-Standzeiten für die Busfahrer schmelzen zusammen. Die Folge: Noch mehr Busfahrer kündigen. Wie Jan B.: „Ich habe keinen Spaß mehr.“ Was aber weniger an der BVG, als an Berlin liegt, wie er sagt. Die Fahrgäste seien in den vergangenen Jahren immer ruppiger und unfreundlicher geworden.

Eigentlich macht dem 39-Jährigen das Busfahren Spaß, wie er in der Berliner Zeitung erzählt. „Ein super Beruf“, schwärmt Jan B. (Name geändert). „In den ersten Jahren war es sehr schön. Sehr entspannt, richtig relaxed. Anders als bei Flixbus musste ich den Bus abends nicht sauber machen.“ Doch nach der Corona-Zeit hätte sich alles geändert, sagt der BVG-Busfahrer. „Die Menschen sind unfreundlicher geworden. Fahrgäste sind schon sauer, wenn sie einsteigen.“

Es wird geschimpft und gemeckert, Rücksichtslosigkeit ist auf dem Vormarsch

Wer in der Stadt unterwegs ist, kennt das Phänomen. Die Berliner, aber nicht nur die, sind dünnhäutiger, aggressiver geworden. Nicht nur auf den Straßen, wo man sich oft wie in einem Kampf jeder gegen jeden fühlt. Es wird geschimpft und gemeckert, Rücksichtslosigkeit ist auf dem Vormarsch. Und ein Busfahrer wie Jan B. bekommt es eben ab – täglich, stündlich, minütlich. „In den letzten drei Jahren ging viel kaputt. Nach Corona ist so viel kaputtgegangen in Berlin – und auf der Welt“, sagt er in der Berliner Zeitung. 

Volle Straßen, mehr Staus, zu wenig Busfahrer, mehr Fahrgäste, die mehr Zeit zum Ein- und Aussteigen brauchen: Die Gefahr, dass die BVG-Busse den Fahrplan nicht einhalten können, ist größer geworden. Jan B. fährt im Osten Berlins, oft auf den Linien 240, 296 oder 396. Die Wendezeiten an Endhaltestellen wurden von der BVG zum Teil deutlich verkürzt, das Fahrpersonal hat an den Endstationen weniger Zeit, zu verschnaufen, etwas zu trinken. Verspätungen können so nicht mehr ausgeglichen werden und summieren sich von Fahrt zu Fahrt, wie der Busfahrer erklärt. 

Ein Beispiel: die Endhaltestelle des 240ers in der Storkower Straße in Berlin-Lichtenberg. Früher gab es dort 16 Minuten Pause, bevor es weiter ging. Genug Zeit, um die Toilette zu benutzen, Kaffee zu trinken und mit Kollegen zu sprechen, wie er in der Berliner Zeitung erzählt. Jetzt sind es manchmal nur noch sechs Minuten. An der Endhaltestelle einer anderen Buslinie wurde die Wendezeit von 15 auf vier Minuten verkürzt.

An den Endhaltestellen, wie hier beim 347er in Alt-Stralau, gibt es immer weniger Zeit für Pausen.
An den Endhaltestellen, wie hier beim 347er in Alt-Stralau, gibt es immer weniger Zeit für Pausen.Chromorange/imago

Das sehen die Fahrgäste natürlich alles nicht – und lassen ihre Wut über Verspätungen an den Busfahrern aus, die dafür natürlich am wenigsten können. Jan B. berichtet, was er tagtäglich erleben muss: „Kürzlich hat eine Frau vor den Bus gespuckt, weil ich zu spät war. Eine andere Frau hat mit ihrem Kaugummi nach mir geworfen und mir den Stinkefinger gezeigt.“ Der Anschlussbus von der Linie 195 war vor ihren Augen losgefahren, wie Jan B. in der Berliner Zeitung berichtet. Dabei hätte auch dieser Bus Verspätung gehabt –  und der nächste sollte schon in drei Minuten anrollen. 

Ein Kollege von Jan B. bestätigt, dass Beleidigungen und tätliche Angriffe öfter vorkommen als früher: „Alle Faktoren zusammengenommen führen dazu, dass viele neue Kollegen schon nach wenigen Wochen wieder das Handtuch werfen und kündigen.“

„Die Fahrgäste sind respektlos geworden“

Ein Phänomen, das inzwischen viele ärgert, zehrt auch an Nerven des Busfahrers. Fahrgäste, die so laut im Bus telefonieren, so laut, dass jeder mithören muss. Er versuche, dann ruhig zu bleiben, erzählt Jan B. Doch klar sei: „Die Fahrgäste sind respektlos geworden.“

Immer mehr Busfahrer werfen deshalb das Handtuch. Und dann gingen auch noch viele Mitarbeiter regulär in den Ruhestand, „Säulen des Unternehmens“, wie der Busfahrer sagt. „Die Älteren haben eine andere Auffassung von Arbeit.“ Sie springen ein, wenn Not am Mann ist, sind seltener krank. Doch jetzt werden solche Kollegen langsam rar, wie Jan. B. sagt. So kommt es immer wieder vor, dass die Krankenquote je nach Betriebshof die Zehn-Prozent-Marke überschreitet und fast 20 Prozent erreicht.

Jan B. hat jetzt jedenfalls auch die Nase voll. Er verlässt die BVG, aber nicht Berlin. Er mag die Stadt trotz ihrer Ruppigkeit immer noch, vor allem seinen Kiez in Lichtenberg. Er wechselt nur die Branche. Jan B., wird zukünftig im medizinischen Bereich arbeiten, in einer Praxis Patienten empfangen, organisatorische Arbeiten erledigen. „Ich verdiene weniger Geld als bei der BVG“, sagt der Noch-Busfahrer, „aber es ist viel entspannter.“ ■