Ausgerechnet in ihrem Jubiläumsjahr, der 75. Ausgabe, wird die Berlinale wohl so unpolitisch wie nie. Tricia Tuttle, die neue Festspiel-Direktorin, will sich mit ihrem Team mehr auf Filmkunst konzentrieren. Aber vielleicht ist die Ankündigung auch okay so. Denn schon im vorigen Jahr spielte die politische Musik bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin nicht auf der Leinwand, sondern meist auf der Bühne davor.
„Ich bin Tricia Tuttle, die neue Intendantin, und ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Mit diesem deutschen Satz stellte sich die neue Berlinale-Chefin am Dienstag auf der ersten Pressekonferenz zur 75. Berlinale (13. – 23. Februar 2025) vor. Bevor sie dann doch lieber ins Englische wechselte. Ganz so sicher ist ihr Deutsch noch nicht nach einem Jahr in Berlin. Das kann ihr niemand verdenken.
Tuttle durfte sich gerade erst über eine weitere Geldspritze in Höhe von fast zwei Millionen Euro freuen. Aus der Schatulle von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Der Zuschuss zum Etat des Filmfestivals wird damit von 10,9 auf bis zu 12,8 Millionen aufgestockt.
Sie hätten ein paar Probleme unter anderem mit Sponsoren gehabt, sagte Tuttle, „deswegen sind wir sehr dankbar. So können wir das Festival durchführen, wie wir es gern machen würden im 75. Jahr.“
Berlin hat die Berlinale geprägt
Punkt 11.02 Uhr war die Berlinale-Chefin in graublauer Tuchhose mit Bügelfalte und hellgrauer Bomberjacke ans Pult getreten. An den Füßen trug sie schwarzweiße Sneaker. Es sei ein unglaubliches erstes Jahr für sie in Berlin gewesen, sagte Tricia Tuttle. Eins allerdings sei ihr dabei klar geworden: „Berlin hat der Berlinale überhaupt erst ihre Form und ihren Charakter gegeben.“
Spannend wurde es, als Tuttle gemeinsam mit ihrem Team die Programme einzelner Sektionen vorstellte. Es geht, wie schon in den Jahren zuvor, wieder um schwierige Beziehungen, um das Unterwegssein in einer kaputten und zerrissenen Welt, um die Rollen von Männern, Frauen und Nichtbinären. Und dennoch fällt auf: In vielen Beiträgen sticht ein Thema hervor: die psychische Gesundheit der Helden. Die Beziehungen in einer komplizierter werdenden Welt machen etwas mit den Köpfen der Menschen. Und es dürfte spannend sein zu sehen, wie das Kino inhaltlich und formal darauf reagiert.

Eins machte Tuttle gleich zu Beginn klar: „Die Berlinale ist viel mehr als nur Politik.“ Natürlich sei Berlin immer schon von Politik geprägt gewesen. Aber: „Wir wollen wieder, dass die Leute über Filme und die Filmkunst selbst reden“, sagte Tuttle. Das Festival sei schließlich auch ein vibrierender Markt.
Ein internationales Filmfestival in Berlin, bei dem die Eigentums- und Besitzverhältnisse programmatisch unangetastet bleiben? Bertolt Brecht, der sich mindestens ebenso fürs Kino wie fürs Theater interessierte, würde sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof im Grab umdrehen.
Jessica Chastain und Marion Cotillard bei der 75. Berlinale
Zu den Stars, die in diesem Jahr angekündigt wurden, gehören Nina Hoss, Jessica Chastain, Marion Cotillard, Tom Tykwer (eröffnet die 75. Berlinale mit „Das Licht“), Rose Byrne oder auch Tilda Swinton, die den Goldenen Ehrenbären bekommen wird. Insgesamt sind das weniger als in den Jahren davor. Weitere Stars würden aber zeitnah bekanntgegeben werden, versprach die Festival-Chefin.

Insgesamt 19 Filme kämpfen in diesem Jahr um den Goldenen und die Silbernen Bären der Berlinale, darunter ein Debütfilm und eine dokumentarische Produktion. Die Auswahl umfasst Werke aus 26 verschiedenen Ländern, was die beeindruckende Vielfalt und internationale Ausrichtung des Festivals unterstreicht. Besonders bemerkenswert ist, dass 17 der 19 Filme als Weltpremiere gezeigt werden und somit erstmals einem breiten Publikum präsentiert werden.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Beteiligung von Frauen: Acht der Filme wurden von Frauen entweder als alleinige Regisseurinnen oder in Co-Regie realisiert. Dies zeigt den wachsenden Einfluss von Frauen in der Filmbranche und die Bemühungen der Berlinale, vielfältige Perspektiven auf die Leinwand zu bringen.
Auch die Verbindungen zu früheren Ausgaben des Festivals sind bemerkenswert: Neun der beteiligten Filmemacherinnen und Filmemacher haben bereits in der Vergangenheit Werke bei der Berlinale vorgestellt und kehren nun mit neuen Projekten zurück. Damit vereint der Wettbewerb sowohl frische Talente als auch etablierte Stimmen, die dem Festival ein breites Spektrum an künstlerischem Ausdruck verleihen.
Intendantin Tricia Tuttle: „Wir sind sehr stolz auf die Filme im diesjährigen Wettbewerb. Sie zeigen die ganze Bandbreite des Kinos und bieten faszinierende Einblicke in verschiedene Leben und Orte. Es gibt intime Dramen, die uns dazu auffordern, unsere menschlichen Schwächen und Stärken zu verstehen; es gibt sanfte Komödien, aber auch die schärfsten, schwärzesten Satiren; es gibt Filme, die Filmgrößen huldigen, und solche, die die Kunstform voll ausschöpfen.“
Gezeigt wird unter anderem auch das Biopic „Like A Complete Unknown“ von James Mangold über den jungen Bob Dylan. Hollywoodstar Timothée Chalamet spielt die Hauptrolle. Der Film läuft als deutsche Premiere in der Reihe Special Gala.
Zu den Palästina-Protesten bei der Berlinale im vergangenen Jahr und wie sie eine Neuauflage verhindern wolle, äußerte sich Tricia Tuttle nur auf Anfrage. Die Welt sei gespalten und nicht immer freundlich. Aber so herausfordernd das für sie als Festival-Direktorin auch sei, es wäre verrückt, nur über die Umstände zu reden, „wo wir doch so tolle Filme am Start haben“.
Bekannt wurde am Dienstag auch, dass die Eröffnungsgala am 13. Februar um 19 Uhr im Berlinale-Palast in sieben Kinos übertragen werden soll – bundesweit. Die Berliner Produktionsfirma X-Filme hilft der Berlinale dabei.
Autosponsor ist in diesem Jahr Cupra, ein Tochterunternehmen des zum Volkswagen-Konzern gehörenden Automobilherstellers Seat. ■