Samstagnachmittag in Berlin-Neukölln. Das Estrel Convention Center glüht vor Herzenswärme. Frank Zander (82) lässt am Vorabend des 4. Advents seine Weihnachtsfeier für Obdachlose steigen – zum 30. Mal. Es gab Gerüchte, dies sei Frank Zanders letzte Obdachlosenfeier im Estrel. Kann das wirklich sein?
Der Wärmestrom dieser Veranstaltung im Haus von Direktorin Ute Jacobs ist enorm. Prominente aus ganz Deutschland reißen sich darum, die Teller mit der Gänsekeule auszutragen, um Obdachlose wenigstens einen Abend lang sorglos zu machen. Und darum atmen jetzt auch viele auf, als durchsickert, dass die Zander-Familie das Superhotel schon fürs kommende Jahr wieder geblockt hat.
Bei Inka Bause kann man das Durchatmen besonders gut hören. „Es wäre so schade, wenn das das Ende gewesen wäre“, sagt sie dem Berliner KURIER. „Man muss diesen Menschen doch helfen. Es ist so wichtig. Ich mache das gern, weil diese Veranstaltung ist was ganz Tolles. Und auch das Estrel ist einfach nur geil!“
An ihrer Seite an diesem Samstag kellnert auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), mit. Er steht im weißen Hemd und mit übergestreifter Estrel-Schürze neben seiner Partnerin, der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (ebenfalls CDU). „Es werden immer mehr Obdachlose, und für Berlin ist das ein großes Problem“, sagt Wegner nachdenklich zum KURIER. Aus diesem Grund ist Zanders Weihnachtsfeier auch so wichtig für ihn.
Frank Zander mit allen Künstlern auf der Estrel-Bühne
Und Wegner macht gern mit, hilft. Er stellt sich am Tresen von Estrel-Küchenchef Peter Griebel an wie alle anderen, nimmt zwei weiße Servietten in die Hand und trägt die heißen Teller voll Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen an die runden Tische, als hätte er nie etwas anderes getan.
Schauspielerin Mariella Ahrens, die sich ja auch schon so vorbildlich um pflegebedürfte Seniorinnen und Senioren kümmert, ist ebenfalls wieder dabei, ebenso Andy Moor und Boxtrainer-Legende Ulli Wegner, auch Caroline Beil.

Schlagersängerin Annemarie Eilfeld macht ihrem Namen alle Ehre und flitzt an die Plätze ohne einen Klecks Soße zu verspritzen. Selbst die Hunde, die manch einer der Obdachlosen mitgebracht hat, schauen mit neugierigen Augen unter den Tischen hervor.

Brandenburgs Landeschef Dietmar Woidke (SPD) hat nicht allzu viel Zeit im Gepäck. Er muss noch am Abend wegen des Anschlags nach Magdeburg fahren. Trotzdem übernimmt auch er gerne den Kellner-Job im Estrel, ebenso Gregor Gysi (Linke) und Renate Künast (Grüne).

Wegen des Angriffs auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist eine Gedenkminute vorgesehen. In vielen Ecken des Estrel Convention Centers ist dies auch das Topthema des Abends.
Gedenkminute für die Opfer von Magdeburg bei der Zander-Weihnachtsfeier
Zanders Sohn Marcus meint, es seien an diesem Sonnabend bestimmt mehr als 2500 Gäste im Estrel dabei. Ein Wahnsinnserfolg, wenn man bedenkt, wie kalt es in unserer Gesellschaft doch geworden ist.

Neben dem Estrel sind auch wieder Dutzende Sponsoren am Start. Ohne deren Hilfe (von Stollen über Tierfutter bis hin zu wärmender Unterwäsche und BVG-Bussen) wäre das Zander-Fest in dieser Dimension kaum möglich.
Von der Bühne aus sollen schließlich Marianne Rosenberg und Nino de Angelo die schmatzende Gesellschaft unterhalten. Und zum Finale gibt es dann noch Zanders „Nur nach Hause“ – alle Künstler dürfen gemeinsam auf die Bühne.
Nebenbei bekommt Marianne Rosenberg von Andy Moor noch eine Rarität zugesteckt: eine 35 Jahre alte Langspielplatte. Weihnachtsgeschenke müssen nicht groß sein. Sie müssen nur glücklich machen. An diesem Samstag in Berlin-Neukölln ist das Glück ein Ballsaal voller schmausender Menschen. ■