Pankow

Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen - Doch, in Weißensee

Rund um den Weißen See entsteht in diesen Tagen eine naturnahe Totholzhecke, um das Ufer zu schützen. Nicht alle finden die neue Mauer super.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Rund um den Weißen See soll eine Benjeshecke das Ufer vor Übernutzung schützen.
Rund um den Weißen See soll eine Benjeshecke das Ufer vor Übernutzung schützen.Markus Wächter/Berliner Kurier

Während wir in diesen Tagen den Mauerfall feiern, wird im Pankower Ortsteil Weißensee gerade eine neue Mauer gebaut. Einmal rund um den Weißen See erstreckt sich das Bauwerk zukünftig.

Holzpflöcke werden dazu alle 50 Zentimeter in den Boden gerammt, Metallgitter sorgen für Stabilität, wenn zwischen den Pflöcken Totholz aufgeschichtet wird. Benjeshecke nennt sich die naturnahe Mauer. Und so mancher Bürger in Weißensee ist gar nicht begeistert von dem ökologischen Schutzwall.

Wildbader am Weißen See sollen ausgesperrt werden

Doch von vorn. Jeden Sommer haben bisher viele Menschen am Ufer des Weißen Sees gepicknickt und sind von den wilden Badestellen zwischen den Bäumen und Sträuchern aus ins Wasser gestiegen. Der Eintritt im Strandbad am Weißen See kostet acht Euro, nicht alle wollten oder konnten das bezahlen.

Doch die intensive Nutzung der Ufer über die Jahre hinweg hat Spuren in der Vegetation hinterlassen. Um das unerlaubte Baden zu unterbinden und um der Natur eine Chance auf Erholung zu geben, hat das Bezirksamt Pankow Gelder locker gemacht und treibt nun den Bau der Mauer voran.

Zwei Millionen Euro für eine Hecke

Die Kosten: „Die Maßnahme wird vom BBSR – dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung – aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ gefördert“, schreibt ein Sprecher des Bezirksamtes Pankow auf KURIER-Anfrage.

Ergänzende Mittel stellt der Bezirk Pankow aus der Investitionsplanung bereit. Weiterhin werden zweckgebunden Gelder aus der Zuweisung an den Bezirk aus dem gesicherten Vermögen der Parteien- und Massenorganisationen der ehemaligen DDR (PMO-Mittel) verwendet.

Die Baukosten für das Teilprojekt zur Ufersicherung und Gestaltung belaufen sich derzeit auf eine Auftragssumme von rund 1,9 Millionen Euro.

Schon seit Langem warnen Schilder vor dem Baden im See. an heißen Tagen werden sie massenhaft ignoriert.
Schon seit Langem warnen Schilder vor dem Baden im See. an heißen Tagen werden sie massenhaft ignoriert.Markus Wächter/Berliner Kurier

Ufer des Weißen Sees wird für 2 Millionen erneuert

Davon werden für die neuen Aussichtsplattformen rund 900.000 Euro ausgegeben und für die weiteren Ufergebiete circa eine Million Euro.

„Für die Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligungsverfahren einschließlich erforderlicher Raummieten waren ursprünglich ca. 85.000 Euro bis Ende des Jahres 2024 eingeplant“, so das Bezirksamt. Durch die Verlängerung der Bauzeit werde eine Erhöhung um ca. 30.000 Euro veranschlagt.

Sinnlose und bürgerfeindliche Ausgaben

„Verschwendung von Geldern!“, macht ein KURIER-Leser seinem Unmut darüber, dass Bürger kaum noch Zugang zum See haben, schriftlich Luft: „Obwohl Pankow neuerdings 28 Millionen fehlen und deshalb massive Kürzungen in sozialen Einrichtungen vorgenommen werden, wird viel Geld für diese und andere sinnlose und bürgerfeindliche Maßnahmen ausgegeben“, schreibt er. Doch wie sehen die Menschen vor Ort das? Der KURIER hat sich umgehört.

Fred Voigt findet die neue Hecke gut. „Die Natur muss sich erhohlen“, sagt er.
Fred Voigt findet die neue Hecke gut. „Die Natur muss sich erhohlen“, sagt er.Markus Wächter/Berliner Zeitung

„Es ist schon sehr schade, dass die Mauer den Zugang zum See unmöglich macht“, sagen drei Jugendliche, die wir auf ihrem Morgenspaziergang treffen. Sie sind selber schon im See schwimmen gewesen. Andererseits haben sie auch Verständnis dafür, dass die drastische Maßnahme Tiere und Pflanzen schützen soll. „Immerhin gibt es nur noch einen Schwan hier, oft sind auch Hunde am Wasser unterwegs, die die Wasservögel aufschrecken“, sagen sie. Nicht alle Besucher verhielten sich immer respektvoll.

Ganz anders sieht Fred Voigt die Sache. Mit seinem Hund Emil ist er regelmäßig am See unterwegs. Er findet, die Mauer ist eine prima Sache. „Die Natur soll sich endlich erholen“, sagt er. „Die 3000 Badenden an einem heißen Sommerwochenende tun dem See nicht gut.“

Holzpflöcke, Metallgitter und Totholz bilden bald eine unüberwindliche Barriere um de See.
Holzpflöcke, Metallgitter und Totholz bilden bald eine unüberwindliche Barriere um de See.Markus Wächter/Berliner Kurier

14 Badetote in den letzten zehn Jahren

Der Wasserpegel sinkt ständig, Schlingpflanzen wachsen am Grund des Sees, die Ufer erodieren. Seit 2014 sind im Weißen See 14 Menschen ertrunken. Auch das ist ein Argument, welches für die Errichtung des Schutzwalls ins Feld geführt wird. Doch gleich eine unüberwindliche Mauer zum Schutz der Leichtsinnigen zu bauen, empfinden einige dann doch als übertrieben.

„Zehntausenden soll grundlos eine der wenigen Möglichkeiten in der Region für sommerliches Baden und Sonnen am Ufer genommen werden“, schreibt der erboste Leser weiter. Das Ergebnis der Absperrung sei die Privatisierung des Weißen Sees zugunsten des Strandbades. „Allerdings ist dies nicht nur überfüllt, sondern es fordert für eine fünfköpfige Familie rund 100 Euro pro Tag. Kein Wunder, wenn die überall am See aufgestellten Verbotsschilder, die vor Lebensgefahr beim Baden warnen, ignoriert werden.“

Badeverbot wird ignoriert

An warmen Tagen seien rund um den See rund 100 Menschen gleichzeitig im Wasser. 1000 und mehr lagern auf den Wiesen nahe am Ufer, hat der Anwohner beobachtet.

Auch wenn die neue Natur-Mauer fertig ist, befürchtet er, dass sie bald schon wieder Lücken haben könnte. „Die bisherigen Streifengänge im Jahr 2024 hatten den Effekt, dass die Badenden in den See zurückkehrten, sobald die Ordnungshüter an der nächsten Badestelle angekommen waren. Mit anderen Worten: Auch die geplante, sicherlich extrem teure und zudem bürgerfeindliche Einmauerung des Sees wird das „Wildbaden“ nicht verhindern.“

Lenja und Leni sind nicht einverstanden mit der Um-Mauerung des Weißen Sees. Sie wünschen sich ein oder zwei freie Badestelle. Auch für Hund Rio.
Lenja und Leni sind nicht einverstanden mit der Um-Mauerung des Weißen Sees. Sie wünschen sich ein oder zwei freie Badestelle. Auch für Hund Rio.Markus Wächter/Berliner Kurier

Wie soll das Badeverbot durchgesetzt werden?

Zur Durchsetzung des Badeverbots gebe es laut Bezirksamt Pankow zusätzlich einen Katalog an Maßnahmen: „Das Ordnungsamt Pankow führt Kontrollen im Park am Weißen See durch. An heißen Tagen gibt es jedoch bis zu 4000 Besucher vor Ort, dem kann noch nicht einmal annähernd eine entsprechende Anzahl von Dienstkräften entgegengesetzt werden – auch wenn die Zusammenarbeit mit dem örtlich zuständigen Polizeiabschnitt 14 eng und ausgesprochen konstruktiv ist“, so ein Sprecher.

Kontrollen durch Ordnungsamt nur stichprobenartig

In ganz Pankow sind 40 Außendienstkräfte des Allgemeinen Ordnungsdienstes im 2-Schicht-Betrieb werktags von 6:30 bis 22:00 Uhr sowie sonn- und feiertags von 10:00 bis 18:00 Uhr tätig. „Angesichts der Größe des Bezirks von über 100 Quadratkilometern und insgesamt 286 öffentlichen Grünanlagen sowie der Vielzahl der im öffentlichen Raum ansonsten zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten, können fortwährende Kontrollen durch den Außendienst in der Grünanlage am Weißen See grundsätzlich nicht in Aussicht gestellt werden“, heißt es aus dem Bezirksamt.

Bürger wollen kostenlose Badestellen

Der Sommer wird zeigen, wie wirksam der Uferschutz durch die neue Hecke ist. Schließlich gibt es viele Besucher wie Lenja und Leni, die Fans von einem offenen Ufer am Weißen See sind. Hund Rio kühlt sich gern im Wasser ab, wenn es heiß ist. „Den Zugang zum See abzuriegeln, ist krass“, sagt Lenja. „Warum kann man nicht ein oder zwei offizielle, kostenlose Badestellen einrichten?“

Mit wem man auch spricht, die meisten Spaziergänger am See können indes beide Seiten in der Diskussion nachvollziehen. So wie Parenka: „Ich finde es vernünftig, dass diese Hecke gebaut wird“, sagt sie. Und: „Ich verstehe die Leute, die herkommen und das Grün genießen wollen. Aber ich sehe auch die Folgen der Übernutzung.“

Parenka findet den Bau der Hecke vernünftig, hat aber ebenso Verständnis für die Erholungsuchenden.
Parenka findet den Bau der Hecke vernünftig, hat aber ebenso Verständnis für die Erholungsuchenden.Markus Wächter/Berliner Kurier

Ob die 1,98 Millionen Euro für die aufwendige Mauer sinnvoll investiert sind, wird sich im Sommer zeigen.