Beliebtes Mitbringsel

Berliner Mauersteine: Sind die Beton-Brocken im Souvenirladen wirklich echt?

Noch immer begeistern sich Touristen für die Mauersteine, die in Souvenir-Shops verkauft werden. Aber: Sind die Steine, die in den Läden liegen, wirklich echt?

Author - Florian Thalmann
Teilen
Wer sich nach dem Fall der Mauer selbst ein Stück Beton aus dem Bauwerk schlug, der weiß heute garantiert, dass er einen echten Mauerstein im Haus hat.
Wer sich nach dem Fall der Mauer selbst ein Stück Beton aus dem Bauwerk schlug, der weiß heute garantiert, dass er einen echten Mauerstein im Haus hat.SMID/imago

Wo waren Sie in der Nacht des Mauerfalls, als das Ende der DDR eingeläutet wurde? Es ist eine Frage, die viele Menschen auch 36 Jahre nach der legendären Nacht sicher beantworten können. Viele wissen dazu sogar noch, was sie an einem bestimmten Punkt des Abends in der Hand hatten. Mal war es ein Hammer, mal war es ein Meißel. Das Ziel: Mauersteine! Viele nahmen sich ein Klötzchen Beton, der mühevoll aus dem Bollwerk der Deutschen Teilung geschlagen wurde, mit heim. Und auch Jahre nach dem Mauerfall sind die Steinchen noch immer begehrte Souvenirs. Aber: Sind sie wirklich echt – und kommen sie wirklich von der Mauer in Berlin?

Mauersteine sind in Berlin noch immer ein beliebtes Souvenir

Wer durch die Souvenir-Geschäfte der Stadt läuft, der kommt an den bunten Mauer-Stückchen nicht vorbei. Mal sind sie in kleine Plastik-Kapseln eingeschweißt, die auf Postkarten befestigt sind – ein Stück Deutsche Teilung zum Verschicken per Briefkasten. Mal liegen sie in kleinen Glasboxen, bereit zum Ausstellen in der Vitrine im eigenen Wohnzimmer. Während kleine Steinchen schon für ein paar Euro zu haben sind, gibt es größere für teilweise mehrere Tausend Euro. Die spannende Frage: Woher kommen die ganzen Betonsteinchen, die seit der Wende verkauft werden – und sind sie echt?

Auffällig ist beispielsweise, dass sämtliche Mauersteinchen, die im Handel erhältlich sind, auch mit Farbe bemalt sind. Es sind die Graffitis, die früher die Mauer schmückten. Nur: Die Farbe befand sich bei den Mauerteilen nur auf der äußeren Schicht – wie kann es sein, dass einfach jeder verkaufte Mauerstein Graffiti-Farbe hat? Ganz einfach: „Die Farbe ist bei allen feilgebotenen Mauerstücken frisch aufgebracht“, sagte Geologe Ralf Milke. Der Berliner, der im Jahr 2022 verstarb, entwickelte im Rahmen seiner Forschungen an der Freien Universität Berlin ein Verfahren, mit dem er testete, ob angebotene Mauersteine echt sind – oder ob es sich um Fälschungen handelt.

Eine Frau meißelt ein Stück Stein als Andenken aus der Berliner Mauer. Das Foto entstand zum Mauerfall am 9. November 1989.
Eine Frau meißelt ein Stück Stein als Andenken aus der Berliner Mauer. Das Foto entstand zum Mauerfall am 9. November 1989.Photothek/imago
Schon kurz nach dem Fall der Berliner Mauer erkannten Händler den Wert der Steine, verkauften sie auf der Straße.
Schon kurz nach dem Fall der Berliner Mauer erkannten Händler den Wert der Steine, verkauften sie auf der Straße.imago stock&people

Dafür zerrieb er die Mauerstückchen zu Pulver, ließ dieses in einem sogenannten Röntgenpulverdiffraktometer von Röntgenstrahlen durchleuchten. Je nach Zusammensetzung wurden die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark abgelenkt. Echter Mauer-Beton hatte einen klaren Fingerabdruck – unverwechselbar aufgrund des Norm-Betons, der in der DDR zum Bau der Mauer genutzt wurde.

Mauer-Beton der DDR hatte einen ganz eigenen Fingerabdruck

Doch auch ohne die Maschine lässt sich der Unterschied erkennen. So erklärte Milke in einem Interview, der Beton der Berliner Mauer sei eher gelbstichig – im Vergleich zu anderem dunkelgrauen oder sogar blaustichigen Beton. Und auch die Textur sei wichtig: Billiger Beton, aus dem manche Mauerstein-Kopien angefertigt werden, zerbröselt viel schneller. „Hätte die Mauer daraus bestanden, wäre jeder Trabi locker durchgebrochen“, sagte er. Mauerstein ist also nicht gleich Mauerstein. Vor allem die kleineren Mauerstücke seien oft Fälschungen, Stücke ab Faustgröße eher echt.

Viele Segmente der Berliner Mauer wurden nach dem Ende der DDR recycelt.
Viele Segmente der Berliner Mauer wurden nach dem Ende der DDR recycelt.Kai Bienert/imago
Noch heute sind Steinchen aus der Berliner Mauer ein beliebtes Souvenir. Ob sie echt sind oder nicht, lässt sich oft nur schwer sagen.
Noch heute sind Steinchen aus der Berliner Mauer ein beliebtes Souvenir. Ob sie echt sind oder nicht, lässt sich oft nur schwer sagen.Steinach/imago

Mancherorts gibt es sie aber natürlich noch, die wirklich echten Mauerstücke – etwa beim Unternehmen Urban Products Sacha GmbH, das laut eigener Aussage 40 Prozent der Berliner Souvenirläden mit Mauersteinchen versorgt. Dahinter stecken zwei Brüder, die von einem Händler Mauersegmente übernahmen – er war so schlau, sich nach der Wende ausreichend Betonteile zu sichern. Bei dem Unternehmen bekommen die Mauerteile eine neue Farbschicht, die alte blättert oft ab. Dann werden sie zerkleinert, die Steinchen an Souvenirläden geliefert oder im Onlineshop verkauft. Laut einem Bericht geht eine Bananenkiste mit Mauersteinen täglich über den Ladentisch.

Noch heute lieben Touristen Mauerbrocken aus der DDR

Aber: Warum eigentlich? Noch heute sind Touristen begeistert von den Mauerstücken, betrachten sie auch als ein Symbol für die Freiheit. Für Menschen, die damals dabei waren, seien die Steinchen oft aber auch eine Art Siegertrophäe gewesen, sagte Cornelia Thiele von der Stiftung Berliner Mauer. Eine Trophäe dafür, dass sie es schafften, etwas zu überwinden.

Für die „Mauerspechte“, die direkt nach dem Mauerfall Stücke aus dem Bollwerk hackten, war es auch ein Akt der Selbstermächtigung, Teil des Abrisses zu werden. Wer damals dabei war und noch einen der Steine in seiner Vitrine hat, der weiß selbst also genau, dass er echt ist. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Die Mauer liegt heute zersprengt in Millionen Teilchen in Souvenirläden: Für viele Menschen, die sich zu DDR-Zeiten gefangen fühlten, ist das das Einzige, was zählt.

Haben Sie noch Berliner Mauersteine – und waren Sie in der Nacht der Nächte dabei, als die Menschen mit Hammer und Meißel das Bauwerk zerstörten? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen per Mail an wirvonhier@berlinerverlag.com.