Flüchtlingshäuser im Hof

Flüchtlinge: Kommt jetzt der Baustart in den grünen Höfen in Pankow?

Nach langem Ringen steht offenbar nun die Baufreigabe durch die Naturschutzbehörde für den Bau zweier Flüchtlingsheime in Pankow bevor. Umweltverbände fordern weiter Nachbesserungen.

Author - Stefanie Hildebrandt
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In zwei Pankower Innenhöfen an der Ossietzkystraße sollen zwei Blocks mit Räumen für Geflüchtete entstehen. Dafür müssen 60 alte Bäume weichen.
In zwei Pankower Innenhöfen an der Ossietzkystraße sollen zwei Blocks mit Räumen für Geflüchtete entstehen. Dafür müssen 60 alte Bäume weichen.BK

Gerade sind in der Lichtenberger Landsberger Allee zwei Hoteltürme für Geflüchtete umfunktioniert worden, die ersten Bewohner von geplant 1300 ziehen trotz der Proteste von Anwohnern ein. In einem weiteren Bauvorhaben in Pankow werden dagegen seit Jahren Gelder verbrannt. An die 500 geflüchtete Menschen sollen hier in zwei neu errichtete Häuser ziehen. Dafür sollen 60 alte Bäume weichen.

Anwohner und Naturschützer wehren sich seit Jahren gegen die Nachverdichtung, die erst als normaler Wohnungsbau gedacht war, später dann per Sonderbaurecht des Senats zu Flüchtlingswohnungen umdeklariert wurden, damit die Plaungen überhaupt durchkommen konnten. Ein millionenteurer Wachschutz auf den Höfen soll den Unmut der Bürger im Zaum halten.

Nach Auseinandersetzungen vor Gericht könnte es nun in den Grünen Höfen im Pankower Schlosspark Kiez bald mit dem Bau zweier Flüchtlingsheime losgehen. Die Naturschutzbehörde des Bezirksamts Pankow beabsichtigt zumindest die artenschutzrechtliche Freigabe für das Gesobau-Projekt. Umweltverbände kritisieren das scharf.

Pankow: Nicht alle Tier- und Pflanzenarten berücksichtigt

„Für die Freigabe des Bauvorhabens der Gesobau an der Ossietzkystraße durch das Bezirksamt Pankow aufgrund der bisher umgesetzten Maßnahmen besteht derzeit keine Berechtigung“, schreiben BUND, NaturFreunde Berlin und die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft für Naturschutz in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Verbände haben beim Bezirk eine ablehnende Stellungnahme eingelegt und wollen weitere rechtliche Schritte prüfen, sollte die Freigabe kommen.

Zum einen seien nicht alle in dem Areal vorkommenden Tier- und Pflanzenarten berücksichtigt worden. In den Ausgleichsberechnungen seien außerdem unerlaubt Gartenflächen von privaten Eigentümern mitberücksichtigt, diese dürften nicht angerechnet werden, so die Verbände.  „Die bisher stattgefundenen Ausgleichspflanzungen sind noch sehr jung und bei weitem keine Ersatzhabitate für die vorkommenden Vogelpopulationen“, heißt es weiter.

Magere junge Pflanzen für 60 alte Bäume

Auch die Anwohner, die sich seit Jahren gegen die massive Nachverdichtung in den Innenhöfen wehren, und seit über einem Jahr einen teuren Bauzaun und Bewachung in ihrem Hinterhof erdulden müssen, sind von den Ausgleichsmaßnahmen für den Artenschutz nicht überzeugt: „Die Anwohner laufen kopfschüttelnd an den dürren Ästchen der neu gepflanzten Sträucher vorbei. In diese spillerigen Sträucher wird wohl kein Vogel einziehen. Niemand kann verstehen, dass diese wenigen magersüchtigen Pflanzungen die 60 alten, großen Bäume und die ebenso alten, dicht gewachsenen, mannshohen Buschhabitate ersetzten sollen, für die eine Rodung geplant ist“, sagt Britta Krehl, Sprecherin der Initiative Grüner Kiez Pankow e.V.

Grüner Kiez Pankow, bereits abgesägte Bäume für die Bebauung im Park.
Grüner Kiez Pankow, bereits abgesägte Bäume für die Bebauung im Park.BK

Baustopp wegen mangelhaftem Artenschutz am Jahnstadion

Wie im aktuellen Fall in den Pankower Höfen zeigt sich bei Neubauprojekten generell in Berlin, dass Artenschutz oft nicht von Anfang an ernst genommen wird. Auch beim Abriss des Jahnstadions haben artenschutzrechtliche Einwände für einen Abrisstopp gesorgt. Vorherige Hinweise wurden von den Bauherren abgetan. Nun schiebt der Senat den Umweltschutzverbänden den schwarzen Peter zu und wirft ihnen vor, für Verzögerungen zu sorgen.

Ein wiederkehrendes Muster bei Bauvorhaben, so das Urteil der Naturschutzverbände: Es werde regelmäßig ein viel zu oberflächliches Artenschutzgutachten vom Vorhabenträger angefertigt, das nach der Intervention von Naturschutzverbänden überarbeitet werden müsse. Die damit einhergehenden verpflichtenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Bundesnaturschutzgesetz werden dann nur unvollständig und/oder nicht rechtzeitig umgesetzt, weswegen die Naturschutzverbände erneut intervenieren müssen. „Dann heißt es aus der Politik, der Natur- und Artenschutz wäre der Grund für die Bauvorzögerungen. Die Gründe für die Verzögerungen liegen aber in der Unkenntnis der Gesetze oder im ausgeprägten Unwillen, sie auch zu befolgen.“

Geltende Gesetze von Beginn an berücksichtigen

„Dass selbst bei Vorhaben der öffentlichen Hand immer wieder die geltende Gesetzgebung nicht berücksichtigt wird, ist erschreckend und wirft Fragen auf. Die geplanten Änderungen im Rahmen des Schneller-Bauen-Gesetzes werden an der Verpflichtung, das Bundesnaturschutzgesetz und weitere zu befolgen, nichts ändern. Wenn die geltenden Gesetze – auch aus dem Natur- und Artenschutz – von Anfang an berücksichtigt werden, kommt es auch nicht zu Verzögerungen der Bauvorhaben“, sagt Dirk Schäuble, Naturschutzreferent beim BUND Berlin.

Für das Pankower Bauvorhaben in den grünen Höfen an der Ossietzkystraße fordern Anwohner und Verbände eine artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung, die jetzt übergangen werden soll. „Ausdrücklich schreibt das Gesetz vor, dass im Rahmen einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung naturverträgliche Varianten geprüft werden müssen. Werden diese nicht umgesetzt, kann eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden.“

Aus Sicht er Anwohner und der Umweltverbände gibt es nämlich sehr wohl eine umweltverträglichere Bebauungsvariante: Für den seit langem auf dem Tisch liegenden Kompromiss, müssten nur 14 statt 60 Bäume gefällt werden. In etwas kleineren Gebäuden an intelligenteren Standorten könnten in den Höfen  70 statt momentan 99 Wohnungen entstehen. Der Bezirk Pankow hat dazu bereits einen B-Plan aufgestellt. ■