Rund 5000 Flüchtlinge warten hier auf ihren Abflug in andere Unterkünfte: Das Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel ist Deutschlands größte Flüchtlingsunterkunft – und gerät in den letzten Wochen immer wieder in die Negativ-Schlagzeilen. Wegen einer zunehmenden Anzahl von Straftaten, wegen Entlassungen von Mitarbeitern. Jetzt wirft der Betriebsrat des DRK-Kreisverbands Zentrum dem Betreiber – das ist pikanterweise das DRK-Sozialwerk – „Missmanagement“, Vergeudung von Steuermillionen und „großes menschliches Leid bei Schutzsuchenden“ vor.
Der DRK-Kreisverband Zentrum machte schon Ende November Schlagzeilen. Er kündigte damals überraschenderweise an, sich aus Tegel zurückzuziehen – das bedeutete, dass 396 meist befristet eingestellte Mitarbeiter im Ankunftszentrum zum 31. Dezember ihren Job verloren. Der Grund: Der Kreisverband habe sich „im Rahmen der Neuorganisation einzelner Betriebsabläufe“ zum Rückzug entschlossen.
Werden Kritiker „mundtot“ gemacht?
Große Wellen schlägt jetzt ein offener Brief des Betriebsrats des DRK-Kreisverbands Zentrum, über den der Tagesspiegel berichtete. Gerichtet ist der Brief an den Präsidenten des DRK Berlin, Mario Czaja, Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und CDU-Fraktionschef Dirk Stettner. In dem Brief werden dem DRK-Sozialwerk Missmanagement und die Vergeudung von Steuermillionen vorgeworfen.
In dem Schreiben heißt es, dass Helfer, die intern auf die Missstände aufmerksam machen, „mundtot gemacht werden“. „Die Art der Vergabe neuer Mitarbeiterverträge lässt den Verdacht zu, nur wer an diesem unmenschlichen System Tegel keine laute Kritik artikuliert, ist willkommen“, heißt es.
Der DRK-Landesverband wehrt sich gegen die Vorwürfe. Man sei „überrascht und durchaus enttäuscht“, sagte ein Pressesprecher dem Tagesspiegel. Die Zuständigkeiten für einzelne Aufgabengebiete in Tegel würden durcheinandergebracht, das Schreiben würde die Arbeit der gesamten Belegschaft „pauschal diskreditieren und verunglimpfen“. Grabenkämpfe innerhalb des Deutschen Roten Kreuzes.
Für den Betriebsrat DRK-Zentrum läuft in Tegel vieles falsch. Er fragt in dem offenen Brief, warum in Tegel Hallen zum Einsatz kämen, „die nicht für diesen langfristigen Gebrauch für die Unterbringung von Menschen“ geeignet seien, warum es für die Schutzsuchenden „keinerlei Privatsphäre“ gebe.

Auch Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe sieht Probleme in Tegel: „Die Unterkunft in Tegel ist nicht nur sehr teuer, sie ist auch nicht geeignet, Menschen zu integrieren. Das habe ich schon oft gesagt.“ Beobachter sprechen von unzumutbaren Zuständen im Ankunftszentrum. Das belegen auch Zahlen der Polizei, die immer öfter nach Tegel alarmiert wird.
Flüchtlingsunterkunft Tegel: Immer mehr Polizeieinsätze
Seit 2022 steigt dort die Zahl der Polizeieinsätze stetig an. Von 257 (2022) über 355 (2023) bis auf 423 (Ende November 2024). Meist wegen Hausfriedensbruchs (120 Vorfälle), Körperverletzung (93 Vorfälle), Urkundenfälschung (25 Vorfälle) und Diebstahls (20 Vorfälle).
Die Enge in der Unterkunft, die mangelnde Privatsphäre für 5000 Menschen begünstigen Straftaten. Auch Gewaltdelikte sind sprunghaft angestiegen. 144 Gewaltdelikte hat die Berliner Polizei bis Ende 2024 erfasst – 2023 waren es noch 81, 2022 nur 16. Elf Sexualdelikte wurden 2024 registriert. Im vergangenen Jahr waren es acht, im Jahr davor zwei.
