+++ Aktualisierung +++
Trostlos sah die Ecke aus. Der Nebel hing am Sonntag zwischen den Türmen, auf dem Gehweg vor den drei Türmen war kein Mensch unterwegs. Hier, in der Landsberger Allee 203 in Berlin-Lichtenberg, hat am heutigen Montag ein Mega-Flüchtlingsheim eröffnet. Mit Platz für vorerst 780 Menschen, später werden es noch viel mehr. Die ersten Flüchtlinge sind heute eingezogen.
Die ersten Geflüchteten aus der Großunterkunft in Tegel sind im ehemaligen Hotel in Lichtenberg eingetroffen. Gegen Mittag checkten die ersten 20 von ihnen ein, etwa die gleiche Zahl wird bis zum Abend erwartet. In den kommenden rund drei Wochen sollen täglich jeweils 30 bis 50 Menschen dazukommen, ebenfalls überwiegend aus Tegel, wie ein Sprecher des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sagt.
In der ersten Phase bis Anfang Dezember sollen bis zu 780 Geflüchtete in der neuen Unterkunft untergebracht werden. Dabei handelt es sich sowohl um Asylbewerber aus verschiedenen Ländern, als auch um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Das Hotel in den drei Türmen, die weithin sichtbar sind, ist inzwischen leergezogen. Es gibt in dem Gebäudekomplex noch ein Ärztehaus, einen Smoking-Verleih, eine Reinigung.
Auf der anderen Seite des Betonklotzes stand am Sonntag Security-Personal rauchend vor der Tür, die Rezeption, an der heute die ersten Flüchtlinge eincheckten, war auch schon gestern besetzt.
Kosten für das Flüchtlingsheim: 140 Mio. Euro
Parallel zum Einzug der ersten Flüchtlinge beginnt das Landesamt damit, den aus drei Hochhäusern bestehenden Gebäudekomplex nach den Standards einer regulären Gemeinschaftsunterkunft umzubauen, etwa durch den Einbau von Küchen. Ab Juli 2025 sollen dann hier sogar 1200 Flüchtlinge unterkommen, ab diesem Zeitpunkt mietet das Land das ehemalige Hotel für zehn Jahre an. Kosten: 140 Mio. Euro!

Die neue, vergleichsweise große Gemeinschaftsunterkunft stößt in Lichtenberg schon seit Monaten auf Kritik. Die AfD organisierte Demos dagegen, Vertreter des Senats und des Landesamtes organisierten zwei Informationsabende für Bürger, bei denen es hoch herging. Eine 83-jährige Rentnerin berichtete der Berliner Zeitung bei einem Info-Abend, dass ihr der Einzug der Flüchtlinge Sorge bereitet. „Das geht viel zu schnell, wir haben nicht genug Supermärkte und auch sonst fehlt es an allen Ecken.“ Anwohner schildern, dass es jetzt schon zu wenig Kitas, Schulen und Arztpraxen im Kiez gebe.
Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) äußerte sich wiederholt kritisch zu den Plänen und mahnte den Aufbau einer flankierenden sozialen Infrastruktur und eine bessere Verkehrsanbindung an. Auch forderte er eine bessere Verteilung geflüchteter Menschen in der Stadt, sein Bezirk leiste hier schon überproportional viel.
Nach Angaben des LAF und von Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) wird die neue Immobilie benötigt, um die großen Notunterkünfte auf den ehemaligen Flughäfen Tegel und Tempelhof zu entlasten. Dort leben laut Statistik mittlerweile mehr als 10.000 geflüchtete Menschen teils in Leichtbauhallen unter – da sind sich alle Beteiligten einig – kaum zumutbaren Bedingungen ohne Privatsphäre und ohne echte Integrationschancen. Und täglich kommen neue dazu. Da trotz Neubauprojekten nicht genügend kleinere Gemeinschaftsunterkünfte da sind, mietet das Land auch Plätze in Hostels oder Hotels an.
Anfangs wird es eng für die 780 Flüchtlinge. Drei Menschen sollen ab Montag in einem Zimmer leben, für alle gibt nur Gemeinschaftsküchen. Die Enge wird zu Konflikten führen. Deshalb werden die Bewohner der Unterkunft laut LAF durch Sozialarbeiter und Psychologen bei der Bewältigung von Alltagsproblemen betreut.

Für Kinder werden in dem Gebäude für bis zu zehn sogenannte Willkommensklassen für etwa 120 bis 140 Kinder eingerichtet, geplant sind auch Angebote für Kita-Kinder. Beides dient der Überbrückung, bis in regulären Kitas und Schulen Plätze bereitstehen. Im Außenbereich des Komplexes sollen bis zum Frühjahr Spiel- und Basketballplätze entstehen und Tischtennisplatten aufgebaut werden. Ein Fitnessbereich soll hinzukommen. Alles soll auch der Nachbarschaft zur Verfügung stehen.
In den ersten drei Quartalen: 16.200 neue Flüchtlinge
Die Nachbarn aus den anderen Wohnblocks in der Nähe haben Bedenken. „Man hört nur noch von Gewalt und Kriminalität und fürchtet, dass die Ankunft so vieler neuer Menschen zu Konflikten führen könnte“, sagt auch die Rentnerin, die in Richtung Fennpfuhlpark wohnt, zur Berliner Zeitung. Obwohl sie wisse, dass die meisten Flüchtlinge friedliche Menschen seien, habe sie dennoch Bedenken, wie sich so viele Neuankömmlinge auf ihre vertraute Umgebung auswirken könnten.
Berlinweit leben, zusätzlich zu mehr als 10.000 Zuwanderern in Notunterkünften, derzeit rund 35.400 Flüchtlinge in regulären Unterkünften des LAF. Etwa 4000 davon beherbergt der Bezirk Lichtenberg. Nach Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf ist Lichtenberg damit ein Bezirk, in dem besonders viele Flüchtlinge leben. Von den 16 neuen Containerdörfern, deren Errichtung der Senat im März für 2025/26 beschlossen hat, liegen drei mit zusammen 1280 Plätzen in Lichtenberg.
In den ersten drei Quartalen dieses Jahres kamen nach Angaben des LAF rund 16.200 Flüchtlinge in Berlin an – Asylbewerber und Ukraine-Flüchtlinge. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 24.400 und damit etwa 50 Prozent mehr. ■