Manchmal kann Berlin ein Paradies für Straftäter sein. Prozesse verzögern sich, Verdächtige werden wegen zu langer Verfahren aus der U-Haft entlassen. Das liegt auch daran, weil der Justiz Personal fehlt. Dem Land gehen die Staatsanwälte aus. Berlin hat anscheinend seine Zugkraft verloren. Zu viel Arbeit, zu teure Mieten. Was tun, wenn die guten Leute nicht nach Berlin wollen? Runter mit Einstellungsvoraussetzungen … Das Land Berlin stellt jetzt auch Juristen ohne Bestnoten für die anspruchsvollen Jobs ein.
Anfang 2024 waren von 425 Planstellen gerade mal 378 besetzt, von denen aber nur 345 tatsächlich im Dienst waren. Noch in diesem Jahr sucht das Land mehr als 100 neue Richter und Staatsanwälte auf Probe, vor allem für den Bereich Organisierte Kriminalität. Kommen nicht die Erstbesten, nimmt man die Zweit- oder Drittbesten.
Jetzt kommen Juristen aus dem unteren Drittel
Stefan Schifferdecker, der Vorsitzende des Richterbunds Berlin, schlägt bei RBB24 Inforadio Alarm. Die jetzt erfolgte Notenabsenkung sei ja nicht die erste in Berlin. Schon vor einem Jahr warnte Schifferdecker vor Mittelmaß. Jetzt aber geht es noch weiter mit den Noten runter und er befürchtet, dass nun viel „Drittelmaß“ nach Berlin kommt – also Juristen aus dem unteren Drittel. „Wir suchen ja nicht Sachbearbeiter, die gesagt bekommen, wann sie welche Akte umzublättern haben“, erklärt Schifferdecker in Inforadio. „Wir suchen Leitungsfiguren und herausragende Persönlichkeiten, die im Prozesskampf die Oberhand behalten.“
Schon Anfang des Jahres hatte die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers eine Absenkung der Anforderungen gefordert, um die Stellen besetzen zu können. Sie plädierte für eine bessere Bezahlung und eine Lockerung oder sogar Abschaffung der Notenanforderungen. „Als Staatsanwältin brauche ich eine sehr hohe Entschlusskraft und Teamfähigkeit. Das sind nicht unbedingt Fähigkeiten, die im Examen abgeprüft werden“, sagte sie.

Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hat jetzt Taten folgen lassen. In der Stellenausschreibung für den Job als „Staatsanwältin/Staatsanwalt als Beamtin/Beamter auf Probe (m/w/d)“ wird nur noch gefordert, dass die „Bewerberinnen und Bewerber im zweiten Staatsexamen mindestens 6,5 Punkte und in beiden Staatsexamina zusammen mindestens 14 Punkte“ vorweisen. Bisher waren es 7,5 bzw. 15 Punkte. Damit sind die Anforderungen in Berlin noch weiter als bisher von einem Prädikatsexamen entfernt, das es bei den Juristen ab der Note „Vollbefriedigend“ gibt, wie Inforadio berichtet.
Die Zahl der Bewerbungen steigt
Ausgeglichen werden sollen die Mindernoten durch „besondere strafrechtliche Qualifikationen“, wie es in der Stellenausschreibung heißt. Diese Qualifikationen könnten insbesondere durch einen strafrechtlichen Ausbildungsschwerpunkt, überdurchschnittliche Stationsnoten im Referendariat oder auch Zusatzqualifikationen wie eine Promotion belegt werden.
Das Kalkül, durch die Absenkung der Voraussetzungen mehr Bewerber nach Berlin zu locken, scheint aber aufzugehen. Laut Justizverwaltung gingen von August bis Oktober mehr Bewerbungen ein als in den sieben Monaten davor. Badenberg hofft, dass bis zum Ende des Jahres mindestens 40 Staatsanwälte neu eingestellt werden können. ■