Wahlleiter hat Bedenken

Aus Angst vor Pannen: Berlin will keine schnelle Neuwahl im Januar

Über den Termin für die vorgezogene Bundestagswahl wird gestritten. Berlins Wahlleiter Stephan Bröchler sieht Gefahren bei einem zu frühen Datum – die Hauptstadt ist ein gebranntes Kind.

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Im Februar mussten in Berlin wegen Pannen die Bundestagswahl 2021 teilweise wiederholt werden.
Im Februar mussten in Berlin wegen Pannen die Bundestagswahl 2021 teilweise wiederholt werden.Foto Funke-Services/imago

Die Pannen bei der Bundestagswahl 2021 sind für Berlin noch immer ein großes Trauma. Falsche Wahlzettel, verspätete Abstimmungen: Daher hat nun Landeswahlleiter Stephan Bröchler Angst davor, dass sich das alles in der Hauptstadt wiederholen könnte, wenn im Januar 2025 möglicherweise Neuwahlen anstehen. Er warnt vor ein übereiltes Vorgehen.

So wie es aussieht, müssen die Deutschen schon in zwei Monaten wieder an die Wahlurne treten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntagabend beim ARD-Talk mit Caren Miosga erklärt, er habe kein Problem, noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage zu stellen. Damit wäre der Weg für mögliche Bundestag-Neuwahlen im Januar 2025 frei.

Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat da große Bedenken. Er  warnt eindringlich vor einem zu frühen Termin für die Neuwahl. „Ich kann nur raten, besonnen an das Thema heranzugehen, auf Fachleute zu hören und jetzt nicht in einen Sofortismus bei der Feststellung des Wahltermins zu verfallen“, sagte Bröchler der Nachrichtenagentur dpa. „Es geht um die Sicherstellung der Qualität demokratischer Wahlen in Deutschland. Das ist ein hohes Gut, und ich möchte nicht, dass die Wahl am Ende wiederholt werden muss.“

Schließlich weiß Bröchler wovon er spricht. Die Pannen bei der Bundestagswahl 2021, die in Berlin passierten, sind noch allen gut in Erinnerung.

Damals wurden im September in der Hauptstadt nicht nur die neue Zusammensetzung des Bundestags gewählt. Die Berliner mussten auch noch über ein neues Berliner Landesparlament und über die neuen Bezirksparlamente abstimmen. Das sorgte für Chaos.

Falsche und fehlende Stimmzettel, Wartezeiten von bis zu zwei Stunden, verspätete Öffnung und Schließung von Wahllokalen, Wahl-Unterbrechungen von bis zu knapp zwei Stunden: Einige Berliner machten noch ihr Kreuzchen weit nach 18 Uhr, als im Fernsehen bereits die ersten Prognosen und Hochrechnungen liefen. Die Folge: Laut Gerichtsbeschluss musste in 455 der 2.256 Berliner Wahlbezirke die Bundestagswahl am 11. Februar 2024 teilweise wiederholt werden.

Natürlich müsse eine Neuwahl auch für Januar 2025 organisiert werden, wenn das politisch gewollt und vom Bundespräsidenten so entschieden werde, erklärt Landeswahlleiter Bröchler. „Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das die Qualität demokratischer Wahlen gefährdet.“

Wahlleiter Bröchler kam kam nach den schweren Wahlpannen in Berlin 2021 ins Amt

Bröchler kam nach den schweren Wahlpannen in Berlin 2021 ins Amt. Seine Vorgängerin Petra Michaelis musste zurücktreten. Wegen der Pannen organisierte er nicht nur die Wiederholungswahl für den Bundestag im Februar 2024. Auch für die Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2021, die komplett für ungültig erklärt wurde, war er verantwortlich, die im Februar 2023 durchgeführt wurde.

Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler ist gegen rasche Neuwahlen im Januar 2025.
Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler ist gegen rasche Neuwahlen im Januar 2025.dpa

Im Ergebnis musste die rot-rot-grüne Landesregierung gehen. Seit dem hat die Hauptstadt den CDU-SPD-Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegener (CDU).

Aus diesen Erfahrungen heraus, erklärt Berlins Landeswahlleiter Bröchler: „Wenn wir die hohen Qualitätsstandards, die wir in Bund und Ländern haben, halten wollen, dann rate ich von einem Wahltermin im Januar ab.“

Ein zu früher Neuwahl-Termin sorgt für viele Probleme

Die Wahlleitungen von Bund und Ländern wollen jetzt über die Vorbereitung der vorgezogenen Wahl des Bundestages beraten. Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte jüngst in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor „unabwägbaren Risiken“ durch kürzere Fristen gewarnt und auf logistische Herausforderungen verwiesen.

Bröchler sagt, die Organisation von Wahlen sei in der föderal aufgebauten Bundesrepublik aufwendiger als in Zentralstaaten wie Frankreich. Da müsse viel zwischen Bund und Ländern abgestimmt und besprochen werden.

Ein zu früher Wahltermin womöglich mit Wahlkampf über Weihnachten sorgt nach seiner Einschätzung für viele Probleme etwa bei der Suche nach Räumen für Wahllokale, bei der Anwerbung und Schulung von Wahlhelfern, bei Papierbeschaffung, Druck und Versand von Wahlunterlagen, auch für die Briefwahl.

Scholz hatte nach dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Daraus ergibt sich unter Wahrung verschiedener Fristen ein möglicher Wahltermin im März 2025. Die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) und andere Parteien drängen indes auf eine zügigere Vertrauensfrage, Merz sieht bereits diesen Mittwoch als geeigneten Termin.

Nach den Aussagen des Kanzlers am Sonntag in der ARD will Scholz noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stellen und könnte bei der Abstimmung wie erwartet scheitern. Dann wäre der Termin für Neuwahlen im Januar oder Anfang Februar. ■