Trotz Abriss-Stopp wegen nistender Spatzen: Das alte Jahnstadion soll weg. Doch nun soll noch mehr verschwinden. Denn auch der Namensgeber für den Alt- und künftigen Neubau der Arena sowie für den Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg ist unerwünscht: Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852).
Ist die Verwendung des Namens des deutschen Turmvaters noch zeitgemäß? Darüber wird in Berlin und vor allem im Bezirk Pankow diskutiert, in dem die besagten Sportstätten stehen, die vor Jahrzehnten nach Jahn benannt wurden. Der Vorwurf von Bürgerinitiativen und Politikern: Friedrich Ludwig Jahn sei nationalistisch, rassistisch und auch ausländerfeindlich gewesen. Daher müsse man überdenken, ob Sportanlagen heute noch seinen Namen tragen sollen.
Eine Aussage entfacht nun eine erneute Diskussion darüber, ob das neugebaute Jahnstadion und der dazugehörige Sportpark nicht umbenannt werden sollte. „Friedrich Ludwig Jahn steht angesichts seiner Geschichte für die Vergangenheit“, sagt jetzt Stefan Schenck, Vizepräsident des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Berlin (BSB), in einem Gespräch mit dem Neuen Deutschland.
Das ausgerechnet der deutschnationale Turnvater dort weiter als Namensgeber fungieren soll, hält Schenck für „nicht notwendig“. Dass neue Stadion und der umgestaltete Sportpark soll für „die Zukunft einer inklusiven Gesellschaft“ stehen. Aus der Sicht des BSB-Vize könnte daher eine Umbenennung ein wichtiger Schritt sein, „um eine klare Botschaft der Offenheit und Inklusivität zu kommunizieren“. Allerdings sollte eine Entscheidung „durch gesellschaftlichen und politischen Konsens“ getragen werden.
Damit kippt der Sportfunktionär erneut Öl ins Feuer der Kritiker. Der Bezirk Pankow wünscht sich schon lange eine Umbenennung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks.
Friedrich Ludwig Jahn: Sogar die DDR verehrte den deutschen Turnvater
Der Mann, der als der deutsche Turnvater gilt, lebte von 1772 bis 1852. „Jahns Streben galt der Ertüchtigung junger Menschen durch Leibesübungen im Freien, verbunden mit nationaler und patriotischer Erziehung“, heißt es in einer Biografie des Jahn-Museums in Freyburg (Sachsen-Anhalt). Er sei eine schillernde, sagenumwobene, oft widersprüchliche und daher umstrittene Persönlichkeit, in deren Schriften jeder einen zitierfähigen Satz finde, der die eigene Interpretation und weltanschauliche Position belege.
Hilfslehrer Jahn war ein Kind seiner Zeit. Er gründete die deutsche Turnbewegung, um die damalige Jugend fit für den Kampf gegen die napoleonische Besatzung zu machen. Der erste Turnplatz entstand 1811 in der Neuköllner Hasenheide. Jahns deutliche Abneigung gegen „Ausländerei“ entstand vor allem in der Zeit der französischen Besatzung. Er kämpfte in der damaligen Nationalbewegung für die Einheit der deutschen Nation. Letzteres störte noch nicht einmal die DDR, in der Jahn als Turnvater verehrt und 1952 zu seinem 100. Todestag besagtes Stadion nach ihm benannte wurde.

Daher forderte die Initiative „Sport ohne Turnväter“ in Prenzlauer Berg schon vor Jahren eine Umbenennung des Sportparks, die Friedrich Ludwig Jahn deutschnationales Gedankengut vorwarf, deshalb der Turnvater aus dem Namen des Sportparks verschwinden müsse. Die Initiative erklärter damals, Jahn habe sich etwa im Buch „Deutsches Volksthum“ chauvinistisch und antisemitisch geäußert.
„Jahn darf mit seinem Gedankengut nicht die größte Sportanlage Nordberlins repräsentieren. Er sei Gründer einer sich nach außen harmlos gebenden paramilitärischen Bewegung gewesen, an der weder Frauen noch Juden oder Sinti und Roma teilnehmen konnten.
Friedrich Ludwig Jahn: Eine Schule, die seinen Namen trug, wurde bereits umbenannt
Ähnlich argumentierte auch die einstige Turnvater-Jahn-Grundschule in Prenzlauer Berg, als sich 2015 die Schule umbenannte. „Jahn ist für uns zu altbacken“, sagt die damalige Direktorin dem KURIER. „Im demokratischen Verfahren entschieden sich Schüler, Lehrer und Eltern für die Umbenennung. Denn Jahns Biografie ist sehr national geprägt. Das passt nicht zu uns.“
Zu „national“ sei der Turnvater, findet auch das Bezirksamt Pankow. „Die Persönlichkeit Jahns werde als zwiespältig und für Grundschulkinder schwer vermittelbar wahrgenommen“, schrieb die damalige Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) in dem Beschluss, der amtlich die Schulumbenennung absegnete. Nun heißt die Bildungsstätte Bötzow-Grundschule, benannt nach einem Bierbrauer.
Kurz nach der Schulumbenennung machte das Bezirksamt Pankow den nächsten Schritt. 2018 forderte es vom Senat, die Umbenennung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks zu prüfen. „Die Benennung von Sportstätten nach dem ,Turnvater‘ und bekennenden Antisemiten Friedrich Ludwig Jahn wird inzwischen allgemein kritisch beurteilt“, hieß es.

Der damalige Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) schlug vor, dass „eine Debatte um die Namensgebung im Zuge des Umbaus des Areals zu einem Inklusionssportpark sicher sinnvoll“ ist. Die Senatssportverwaltung prüfte, sieht bis heute keinen Grund für eine Umbenennung. Allerdings wolle man im umgebauten Sportpark „an einer passenden Stelle“ auch auf die kritischen Bedenken hinweisen, die man zu Jahn hat.
Denn schon 2019 erklärten Historiker, dass es Zweifel gebe, ob alles so stimme, was man heute dem deutschen Turnvater vorwirft. Etwa Jahn sei ein „bekennender Antisemit“ gewesen. Das wäre „aus wissenschaftlicher Sicht völlig unbegründet“, sagte damals Gerd Steins, Präsident des „Forum für Sportgeschichte – Fördererverein für das Sportmuseum Berlin. So manche Zitate seien inzwischen als Fälschungen belegt.
Ein Grund, warum auch der Landessportbund Berlin (LSB) gegen eine Umbenennung des Sportparks wäre. Denn Jahns Wirken hätten „zur Entstehung des Vereinssports geführt und damit zu einer Bewegung, die heute einen entscheidenden Beitrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung leistet“, zitiert das Neue Deutschland den LSB. Allerdings setzte sich der Verband auch kritisch mit der Person Friedrich Ludwig Jahn auseinander. ■