Lichtenberg, Westend, Kreuzberg

Mega-Flüchtlingsunterkünfte: In Berlin zieht ein Wut-Sturm auf

Der Frust ist so groß wie die Ablehnung: Kaum einer möchte die großen Flüchtlingsunterkünfte in seiner Nachbarschaft haben. Berlin hat ein echtes Problem.

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Zehn Stockwerke, 32.000 Quadratmeter Bürofläche: Das ehemalige Haus der Deutschen Rentenversicherung.
Zehn Stockwerke, 32.000 Quadratmeter Bürofläche: Das ehemalige Haus der Deutschen Rentenversicherung.Stefan Henseke

Der Kampf um dringend gebrauchte neue Flüchtlingsunterkünfte in Berlin erreicht einen traurigen Tiefpunkt. Immer mehr Berliner empören sich lauthals über die Einrichtung von Unterkünften in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Viele fühlen sich von der Politik ausgegrenzt, wünschen sich mehr Beteiligung. Nach breiter Kritik an geplanten Mega-Flüchtlingsheimen in Berlin-Lichtenberg und in Westend kocht jetzt der Streit um eine geplante Riesen-Unterkunft in der Hasenheide hoch.

In den ehemaligen Gebäudekomplex der Rentenversicherung an der Hasenheide 23-27 in Berlin-Kreuzberg – einem sozialen Brennpunkt-Kiez – sollen im kommenden Jahr etwa 1500 Flüchtlinge einziehen. Erste Bauarbeiten haben schon begonnen.

Es geht um ein Gebäude mit zehn Etagen, sechs Aufzügen, einer Bürofläche von 32.000 Quadratmetern und um ein Grundstück, das 14.500 Quadratmeter misst. Also um ein Haus, in dem man sich leicht verlaufen könnte. Da kann manchem Nachbarn schon mal mulmig werden bei dem Gedanken daran, dass hier auf einen Schlag anderthalbtausend Leute reinsollen.

Die negativen Reaktionen vor Ort sind nicht die einzigen, die den Berliner KURIER erreichen. Auch im Internet machen sich verärgerte User Luft. Viele reagieren reflexhaft ablehnend gegen diese Form der Massenunterbringung in zentralen Berliner Kiezen. Aber es gibt auch sachliche Beiträge unter den Postings auf der Facebook-Seite des KURIER. Vor allem spricht aus den Zuschriften oft Angst und Unverständnis.

Mehr Wohnungen statt Mega-Flüchtlingsunterkünfte

Dirk Mosny etwa fragt: „Wo bleiben bezahlbare Wohnungen?“, und Sven Paetzelt gibt zu bedenken: Die Senatsverwaltung merke einfach nicht, dass „die ganze Flüchtlings Politik aus den Rudern läuft, Platzmangel, und ganz besonders, die Kosten!“ KURIER-Leser Frank Schmidt befürchtet: „Deutschlands Profilierung als globales Sozialamt hat nun wirklich langsam ihren Höhepunkt erreicht!“ Und Maurice Seifert meint: „Die Rechnung geht langfristig nicht mehr auf, das kann der deutsche Steuerzahler nicht mehr finanzieren, zeitgleich geht die Wirtschaft den Bach runter, weniger Steuereinnahmen, das nimmt kein gutes Ende.“

Etliche Beiträge befassen sich auch mit der Frage, ob der Senat womöglich Flüchtlinge gegen die eigene Bevölkerung ausspiele, vor allem, wenn es um Wohnungen gehe, was natürlich Unfug ist. Aber es beschreibt die Stimmungslage in der Stadt und im Land.

So sorgt sich Jessica Richter: „Meine Familie und ich suchen auch dringend eine Wohnung und wollen zurück nach Berlin. Baut man uns auch Wohnungen? Wir flüchten quasi aus Bayern, da wir mit der Mentalität der Leute hier nicht warm werden und wir auch sonst nichts Schönes hier für uns finden können. Somit sind wir doch auch Flüchtlinge ...“

Das riesige Bürogebäude in der Soorstraße im Berliner Ortsteil Westend solle ein Flüchtlingsheim werden.
Das riesige Bürogebäude in der Soorstraße im Berliner Ortsteil Westend solle ein Flüchtlingsheim werden.Norbert Koch-Klaucke

Befürchtungen gibt es im Netz ebenfalls hinsichtlich der Frage, was den möglichen Familiennachzug der Refugees anlangt. Diether Bernhard etwa spekuliert: „Ja, wir werden diese Plätze händeringend brauchen. Das Umsiedlungsprogramm der UNO läuft wieder auf Hochtouren, 120.000-150.000 Familiennachzügler werden durch Baerbocks Außenministerium jährlich eingeflogen. Der Strom von Illegalen wird ab Frühling wieder steigen. Das ist eine unendliche Geschichte.“

Verteilung der mehr als 36.000 Flüchtlinge in den Berliner Bezirken (Stand November 2024).
Verteilung der mehr als 36.000 Flüchtlinge in den Berliner Bezirken (Stand November 2024).Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten

In der Zwischenzeit ist der Wachschutz vor Ort darum bemüht, die Baustelle zu sichern, zu groß ist die Angst vor mutwilliger Zerstörung. Vor allem nachts ist in der Hasenheide 23-27 alles taghell erleuchtet. „Das finde ich richtig“, sagte ein Bauarbeiter dem KURIER. „Das schreckt die Vandalen ab.“ Wenn das Licht ausginge, wäre hier alles innerhalb einer Woche demoliert.

Teuer wird es so oder so für Berlin. Der Mietvertrag mit der landeseigenen Berliner Immobilien Management GmbH soll über zehn Jahre laufen – vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2035. Es geht um Dutzende Millionen Euro. Für eine ähnlich große Unterkunft in der Soorstraße in Westend sollte Berlin für den gleichen Zeitraum 157 Millionen Euro zahlen. ■