Wer soll das zahlen?

Grundsteuer-Wahnsinn: Steigerung um das bis zu 72-Fache, Klagewelle rollt!

Bund der Steuerzahler und der Verband Haus & Grund unterstützen viele Berliner, die bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen, bei ihren Klagen.

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Stefan Koch (51) mit dem Grundsteuerbescheid vor seinem Haus in Mahlsdorf. 115 Quadratmeter groß, ein gepflegter Garten auf einem 493 Quadratmeter großen Grundstück. Bisher musste er im Jahr 260 Euro zahlen, jetzt muss er 816 Euro pro Jahr ans Finanzamt überweisen.
Stefan Koch (51) mit dem Grundsteuerbescheid vor seinem Haus in Mahlsdorf. 115 Quadratmeter groß, ein gepflegter Garten auf einem 493 Quadratmeter großen Grundstück. Bisher musste er im Jahr 260 Euro zahlen, jetzt muss er 816 Euro pro Jahr ans Finanzamt überweisen.Stefan Henseke

Noch sechs Wochen, dann wird die erste Rate der neuen Grundsteuer fällig. Aber immer noch nicht haben in Berlin alle Besitzer von Einfamilienhäusern, Wochenendgrundstücken und Eigentumswohnungen ihren neuen Grundsteuerbescheid erhalten. Und viele von denen, die ihn schon haben, sind sauer. Auf den Senat, auf die Bundesregierung. Weil sie entgegen aller Beteuerungen aus der Politik ein Vielfaches von früher zahlen müssen. Viele klagen. Auch der Bund der Steuerzahler und der Verband Haus & Grund unterstützen mehrere Eigentümer, die sich gegen die Bewertung ihrer Grundstücke im Rahmen der Grundsteuerreform wehren.

Der KURIER hat schon mehrmals über Berliner Immobilienbesitzer berichtet, deren Grundsteuerforderung nach der Neuberechnung explodiert ist. Besonders hart betroffen: die Besitzer von kleinen Wochenendgrundstücken. Auch Sajo G. aus Köpenick gehört dazu: „Wir haben ein Wochenendgrundstück auf einer Insel an der Müggelspree in Berlin“. Bisher hätten sie ca. 100 Euro pro Jahr gezahlt, jetzt sind es 1004 Euro. „Auch wir sind nicht ans öffentliche Wasser- und Abwassernetz angeschlossen. Wie auch, es sind schließlich Inseln. Hätten sich drei Inseln vor Jahren nicht zusammengeschlossen, hätten wir nicht mal Strom.“

Grundsteuer-Wahnsinn: „Da verliert man jedes Vertrauen in die Politik“

Und Hans W. aus Köpenick schreibt dem KURIER von einem Kleinod im Grünen, dass die Familie 1966 als Erholungsgrundstück für ihre behinderte Tochter gekauft hätte. Bisherige Grundsteuer: 78 Euro. „Jetzt sollen wir eine Grundsteuer von 1008 € bezahlen, also mehr als das Zehnfache!“, sagt der Köpenicker. Es ist sauer auf den Berliner Finanzsenator. „Wie soll man das bewerten, wenn Politiker sagen, dass die Grundsteuer nicht mehr als das 3-bis 4-fache steigen wird? Da verliert man jedes Vertrauen in die Politik.“

Eigentümer von kleinen Wochenendgrundstücken werden durch eine Lücke im Gesetz übermäßig stark zur Kasse gebeten. Und bisher wird weder in Berlin noch im Bund etwas getan, um diesen Fehler, der vor allen Dingen viele Rentner in finanzielle Nöte bringt, zu korrigieren.

Aber nicht nur die trifft es. Auch gewerbliche Mieter werden durch die Neuberechnung in Existenznot gebracht. Krasses Beispiel: Das Strandbad am Weißen See. Bisher musste Betreiber Stefan Reinhardt 770,31 Euro pro Jahr zahlen – zukünftig sind es satte 36.946,93 Euro. 7764 Quadratmeter in guter Lage, ein Bodenrichtwert von 3000 Euro pro Quadratmeter. „Die Baracken darauf wurden sogar als Büro- und Verwaltungsgebäude eingestuft“, sagte er fassungslos zur B.Z. „Ich muss die Grundsteuer auf die Ticketpreise oben draufpacken. Das sind bei jedem Ticket mindestens 1,20 Euro mehr.“ Die Tageskarte kostet ab dieser Saison 9,20 Euro statt 8 Euro.

Nicht der einzige Fall: Ein Künstlerverein, der eine Immobilie in guter Lage in Berlin hat, soll künftig 27.000 Euro Grundsteuer zahlen. „Das kann der Verein mit dem, was er tut, nie erwirtschaften, und es kommt praktisch einer Enteignung gleich“, sagte Sibylle Barent, vom Verband Haus & Grund dem Handelsblatt. Haus & Grund und der Bund der Steuerzahler unterstützen derzeit mehrere Eigentümer, die sich gegen die Neu-Bewertung ihrer Grundstücke wehren und vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen. Die ersten dieser Klagen wurden bei den Finanzgerichten eingereicht.

Auch gewerbliche Nutzer trifft die Grundsteuer-Keule: Der Pächter vom Strandbad am Weißen See muss statt 770,31 Euro künftig 36.946,93 Euro zahlen. Folge: Die Eintrittspreise steigen.
Auch gewerbliche Nutzer trifft die Grundsteuer-Keule: Der Pächter vom Strandbad am Weißen See muss statt 770,31 Euro künftig 36.946,93 Euro zahlen. Folge: Die Eintrittspreise steigen.Bernd Friedel/imago

Alexander Kraus, der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, fordert den Berliner Senat auf, kurzfristig Lösungen für die  missratene Grundsteuerreform auf den Weg zu bringen: „Es wäre fatal abzuwarten, bis das Bundesverfassungsgericht irgendwann entscheidet. Denn die Mehrbelastungen bei der Grundsteuer werden im Jahr 2026 pünktlich zu den Abgeordnetenhauswahlen über die Betriebskostenabrechnungen auch bei den Mietern ankommen! Die Berliner Landespolitik muss jetzt schnell von der Länderöffnungsklausel Gebrauch machen!“

Grundsteuer: Krasse Preisbeispiele aus ganz Berlin

Kraus zufolge sind in den letzten Wochen beim Bund der Steuerzahler zahlreiche Beschwerden zur Grundsteuer eingegangen, die teilweise extreme Mehrbelastungen ab 2025 aufzeigten. „Ich habe so meine Zweifel, dass in Berlin mit der Grundsteuerreform die vom Bundesverfassungsgericht geforderte relations- und realitätsgerechte Neubewertung des Grundbesitzes wirklich gewährleistet ist“, sagt er. Einige krasse Beispiele hat der Steuerzahlerbund aufgelistet, die Zahlungen steigen hier um das bis zu 72-Fache!

Unbebautes Grundstück in Köpenick, 861 m², Grundsteuer alt: 37 Euro, neu: 2731 Euro (+7.281 %)

Unbebautes Grundstück in Zehlendorf, 935 m², Grundsteuer alt: 523 Euro, neu: 5.339 Euro (+921 %)

Gemischt genutztes Grundstück in Zehlendorf, mehrere Teilflächen, teilweise Denkmalschutz, insg. 3526 m², alt: 2.116 Euro, neu 9058 Euro (+328 %)

Eigentumswohnung in Charlottenburg, 84 m² Wohn- und Nutzfläche, Grundsteuer alt: 159 Euro, neu: 481 Euro (+203 %)

Aber nicht überall wird es teurer. Es gibt auch Eigentümer, die Glück haben.

Eigentumswohnung in Niederschönhausen, Baujahr vor 1949, 88 m² Wohn- und Nutzfläche. Grundsteuer alt: 236 Euro, neu: 193 Euro (-18 %)

Mietwohngrundstück in Zehlendorf, Baujahr 1977, 7 Wohneinheiten und 2 Tiefgaragenstellplätze, 476 m², Wohnfläche. Grundsteuer alt: 2751 Euro, neu: 1.167 Euro (-58 %)

Im Oktober, vor Versand der ersten Grundsteuerbescheide, kündigte der Berliner Finanzsenator Stefan Evers (CDU) an: „Der Staat soll sich an der Reform nicht bereichern. Daran halten wir uns. Berlin hat als erstes Bundesland Klarheit und Planungssicherheit für alle geschaffen.“ Im Durchschnitt soll die Steuerlast aber nicht zunehmen, versicherte Evers mehrfach. Viele Berliner zweifeln inzwischen an diesem Versprechen.

Liebe Berliner, wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie schon den neuen Grundsteuerbescheid bekommen? Schreiben Sie uns, wie sich bei Ihnen die Zahlungen ändern werden. Egal, ob für Wochenendgrundstück, Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung. Wir werden weiter berichten. Schicken Sie uns Ihre Informationen an leser-bk@berlinerverlag.com – wir freuen uns über Ihre Zuschriften!