Im Ferien-Paradies der DDR

Abhörstation Hotel: Wo die Stasi an der Ostsee lauschte

Ein Fund in einer Nobelherberge lässt Erinnerungen aus DDR-Zeiten erwachen, als Stasi-Chef Erich Mielke seine Leute zum Spionieren an den Ostseestrand schickte.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Das Rügen-Hotel in Sassnitz: Hier wurde bei Bauarbeiten ein geheimer Raum entdeckt.
Das Rügen-Hotel in Sassnitz: Hier wurde bei Bauarbeiten ein geheimer Raum entdeckt.Schöning/imago

Ein Ferienquartier an der Ostsee zu haben, war stets der Wunsch der DDR-Bürger. Doch es war für sie gar nicht so einfach, dort im Sommer eine Unterkunft zu bekommen. Wer bei der Firma „Guck und Horch“ arbeitete, hatte es da schon einfacher. Die Stasi nistete sich gleich in die Hotels an der Ostsee ein. Nicht nur, um dort Urlaub zu machen.

Die Leute von Stasi-Chef Erich Mielke im Lauscheinsatz an der Ostsee: Das Thema keimt gerade wegen einer merkwürdigen Entdeckung erneut auf der Insel Rügen auf. Denn dort wird in Sassnitz eine Luxus-Herberge aus DDR-Zeiten für zehn Millionen Euro saniert – das Rügen-Hotel. Im Gebäude fand man bei den Arbeiten einen Raum, den es laut Bauplänen gar nicht geben dürfte.

Der heutige Hotel-Inhaber Hannes von Kroge (30) erzählte der „Ostsee-Zeitung“, dass man während der Sanierungsarbeiten auf so manches aus der DDR-Vergangenheit des Hauses stieß, darunter alte Wandgemälde. „Aber wir waren besonders erstaunt, als wir bei Bauarbeiten einen Raum neben der Tiefgarage entdeckten, der auf keiner Bauzeichnung vermerkt war“, sagte Kroge der Zeitung.

Dieser geheime und versteckte Raum im Rügen-Hotel in Sassnitz: War hier eine Abhörzentrale der Stasi untergebracht? Möglich wäre es. Alleine schon wegen der Urlauber, die sich damals zu DDR-Zeiten in der Luxusherberge aufhielten.

Hotel auf Rügen: Geheimer Raum bei Sanierungsarbeiten entdeckt

Die Mitropa-Generaldirektion ließ das Hotel bauen, das 1969 nahe dem Hafen in Sassnitz eröffnet wurde. Die Herberge lieferte nicht den legendären Mitropa-Charme ab, der im DDR-Volksmund für schlechten Service und für schlechte Ausstattung der Bahnhof-Restaurants und -Hotels stand.

Das Rügen-Hotel zu DDR-Zeiten, damals gehörte es zur Mitropa.
Das Rügen-Hotel zu DDR-Zeiten, damals gehörte es zur Mitropa.Gerhard Leber/imago

Die 120 Zimmer waren schon edel.  Sie hatten Telefon, WC/Bad/Dusche – davon konnte so mancher DDR-Bürger nur träumen. Dazu gab es im Haus zwei Restaurants, Café, Tanzbar, Sauna, Solarium, Schwimmhalle, Intershop, Friseur- und Kosmetiksalon. Damit ist klar – die Herberge war nicht für jedermann gedacht.

Das bekam man sogar in einer Zeitung von damals zu lesen: „Das Hochhaushotel erster Klasse ist vor allem für Gäste gedacht, die aus skandinavischen Ländern in die DDR einreisen oder im Transitverkehr durch unsere Republik fahren. Aber auch DDR-Bürger können hier übernachten“, hieß es darin.

Und vor allem wegen der Gäste aus dem Westen, die vor allem aus Schweden kamen, die die Fährfahrt über die Ostsee nach Rügen zum zollfreien Einkauf nutzten, ist es sehr wahrscheinlich, dass im Rügen-Hotel auch die Stasi ihr Quartier bezog.

Übrigens: Eine schwedische Firma baute an dem Hotel mit. Denkbar wäre, dass der jetzt gefundene Geheimraum damals erst später nach der Abreise der schwedischen Arbeiter eingerichtet wurde, daher nicht in den Bauplänen verzeichnet war und ist.

Das DDR-Hotel „Neptun“: Stasi-Hochburg am Ostseestrand

Das Nobelhotels der DDR Stützpunkte und Lauschplätze der Stasi waren, ist belegt. Nicht nur die Interhotels im Osten Berlins oder Leipzig waren verwanzt oder mit „Informellen Mitarbeitern“ besetzt. Das traf auch auf die Herbergen an der Ostsee zu, in denen Gäste aus Ost und West weilten.

Das Hotel „Neptun“ in Warnemünde, das quasi der große Bruder vom Rügen-Hotel ist, war zu DDR-Zeiten als Stasi-Hochburg verschrien. Eine NDR-Doku von 2006 erzählt ausführlich vom „Stasi-Hotel am Ostseestrand“, das 1971 eröffnete.

Das Hotel „Neptun“ am schönen Ostseestrand: Zu DDR-Zeiten war das Haus in  Warnemünde als Stasi-Hochburg verschrien.
Das Hotel „Neptun“ am schönen Ostseestrand: Zu DDR-Zeiten war das Haus in Warnemünde als Stasi-Hochburg verschrien.BildFunk MV/imago

Nicht nur Prominenz aus der DDR war dort zu Gast. Auch viele West-Promis machten im „Neptun“ preiswerten Luxus-Urlaub im SED-Staat. Darunter waren Politiker, wie Björn Engholm (ehemaliger SPD-Chef und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein) oder CDU-Mann Uwe Barschel (wurde 1987 tot in einer Badewanne in einem Genfer Hotel gefunden), die sich im „Neptun“ möglicherweise auch mit DDR-Wirtschaftskadern getroffen hatten.

Das Hotel hatte nicht nur Stasi-Leute einquartiert oder als Personal des Hauses beschäftigt – es gehörte damals quasi auch dem MfS. Offiziell besaß die Handelsorganisation HO das „Neptun“. In Wahrheit zur KoKo, der Firma des Devisen-Beschaffers Alexander Schalck-Golodkowski. Was damals hinter den Kulissen des Hotels etwa im Zusammenhang mit dem internationalen Waffenhandel oder den Verflechtungen der KoKo-Firmen insgesamt gespielt hat, ist bislang nicht geklärt.