Sie verletzten Menschen schwer, richteten Schäden an Häusern an, machten mehrere Bewohner vorerst obdachlos. Was hier wie nach Krieg klingt, geschah in Berlin in der vergangenen Silvesternacht durch verbotene Kugelbomben – von Knalldeppen gezündet. Nicht nur an Wohnhäusern in Schöneberg sorgte so ein Ding für Verwüstungen. In Brandenburg gab es sogar einen Toten. Vielen Berliner reicht es. Politiker fordern harte Konsequenzen. Bomben die Kugelbomben uns in ein künftiges Silvester-Böllerverbot?
Die Knalldeppen liefern den Politikern im bevorstehenden Wahlkampf dafür die Munition. Und ehrlich, wer sich die erschreckende Bilanz der Silvesternacht 2024/2025 in Berlin und Brandenburg ansieht, kann auch verstehen, dass nun das Maß voll ist.
Zur Erinnerung: In der Silvesternacht wurde ein Polizist im Einsatz an der Prenzlauer Allee (Pankow) durch eine Kugelbombe getroffen und schwer verletzt. Er musste in einem Krankenhaus operiert werden.
In Tegel ging eine Kugelbombe am Bottroper Weg inmitten einer Menschenmenge hoch. Acht Verletzte, zwei Menschen sogar lebensbedrohlich. Einer dieser Schwerverletzten ist ein siebenjähriger Junge, der notoperiert werden musste. In Kremmen im Berliner Umland starb ein Mann (21) durch eine Kugelbombe, die er zündete.
Ein Toter, viele Verletzte, Schäden an Häusern – alles nur wegen verbotener Kugelbomben
Ein Ort der Verwüstung hinterließ die Kugelbombe, die in Schöneberg gezündet wurde und durch die heftige Detonation die Fassaden von Häusern an der Hauptstraße, Vorbergstraße und Belziger Straße beschädigte. Fünf Verletzte. Dazu kommen viele Mieter, die vorerst keine eigene Bleibe haben. 36 Wohnungen sind für unbestimmte Zeit unbewohnbar. Deren Bewohner sind bei Verwandten und Freunden untergebracht.

Die Vorfälle mit den Kugelbomben entfachen nun erst recht wieder die Diskussion um ein flächendeckendes Böllerverbot. Denn die wenigen Verbotszonen reichen nicht – so sieht es jedenfalls der Abgeordnete und Innenexperte Martin Matz, dessen Partei, die SPD, im Senat den Posten des Innensenators stellt.
Matz setzt sich schon seit Jahren für ein einheitliches Böllerverbot in Berlin ein. Bereits vor Silvester erklärte er, warum er sich dafür einsetzt: „Neben der Gefährdung von Einsatzkräften geht eine erhebliche Gefahr für die privaten Verwender von Pyrotechnik selber aus“, sagt Matz.
SPD-Innenexperte für Böllerverbot
Der SPD-Innenexperte bezieht sich dabei auf Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, die „über 1.000 Behandlungen von Menschen mit Verletzungen durch Pyrotechnik in den vergangenen 17 Jahren allein am Unfallkrankenhaus Berlin gezählt“ hat. Dieses Silvester sollen in der Unfallklinik in Marzahn 42 Böller-Opfer behandelt worden sein, die meisten hatten schwere Verletzungen an Augen und Händen wegen Kugelbomben. Und: 37 Polizisten und ein Feuerwehrmann wurden verletzt.

Matz weiß, dass ein flächendeckendes Böllerverbot nur durch den Bund ausgesprochen werden kann. Eine Mehrheit dafür gibt es derzeit nicht. Meist scheitern Böllerverbotsanträge an Flächenländern wie Brandenburg. Selbst in den Städten der Mark gibt es keine Verbotszonen wie in Berlin.
Daher schlägt der SPD-Mann vor: „Mehr offizielle Feuerwerke und Drohnenshows für begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer sowie Pyroerlaubniszonen, um die eigene ‚private Böllerei‘ auf wenige, geeignete Orte zu konzentrieren“, sagt Matz.

Aber auch für die Erlaubniszonen bräuchte man die Änderung der Rechtsgrundlage durch den Bund. „Denn um Erlaubnisse auf wenige Orte zu konzentrieren, braucht es eine Grundlage zum Verbot in allen anderen Gebieten“, sagt Matz. Und die könnte man erreichen, wenn man quasi das bisherige Verfahren so aufweicht, dass Länder, die unter der Böllerei leiden und Verbotszonen wollen, auch diese vom Bund bekommen, auch wenn andere Regionen dagegen sind.
CDU sagt den Kugelbomben-Chaoten den Kampf an
Klingt recht kompliziert. Doch Matz steht nicht allein an der Böllerverbotsfront. Auch die Berliner Gewerkschaft der Polizei fordert ein bundesweites Böllerverbot. Dafür sammelt die GdP in Rahmen einer Petition Unterschriften, die an Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerichtet ist.
SPD-Innenexperte Matz sagt, „die Zeit für ein Umdenken ist reif“. Doch trotz der Kugelbomben-Vorkommnisse schweigt sich Innensenatorin Spranger seit der Neujahr zunächst zum Thema Böllerverbot in Berlin aus, verurteilt allerdings Böllerangriffe auf Polizei- und Feuerwehrleute.
Erst in am Donnerstagabend wird die Senatorin deutlicher. In der RBB-Abendschau schließt sie sich den Böllerverbotszonen-Forderungen von SPD-Innenexperten Matz an. „Ich erhoffe mir, dass jetzt endlich mal ein Umdenken erfolgt“, sagt Spranger.
Sie strebt eine Länderöffnungsklausel im Sprengstoffgesetz an. Ziel: Egal, ob andere Bundesländer gegen Verbote sind – Berlin soll zur Böllerverbotszone werden, nur auf wenige Sonderflächen ist das Böllern erlaubt.
Wie der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) dazu steht? „Mit Kugelbomben auf Polizisten schießen, mit Pyrotechnik oder Steinen die Einsatz- und Rettungskräfte der Feuerwehr angreifen – unfassbar“, sagt Wegner. Man werde diese Angriffe auf die Einsatzkräfte „niemals hinnehmen und auch im Nachgang den Ermittlungsdruck hochhalten“.
Dennoch will Wegner kein Böllerverbot: „Die allermeisten Berlinerinnen und Berliner haben den Jahreswechsel friedlich gefeiert. Warum sollten wir ihnen und ihren Familien eine fröhliche Silvesternacht mit traditionellem Feuerwerk versagen?“
Aber den Kampf gegen Kugelbomben will Wegner und die Union vorantreiben. Man fordert Konsequenzen. „Der Import verbotener Feuerwerkskörper wie Kugelbomben aus dem östlichen Ausland muss durch schärfere Grenzkontrollen unterbunden werden“, sagte CDU-Innenexperte Burkard Dregger.
Weil Kugelbomben in Deutschland nicht frei verkäuflich seien, würden diese aus Polen oder Tschechien eingeschmuggelt, so Dregger. Mit diesen Staaten müsse man nun über Lösungen sprechen, um die illegale Einfuhr zu unterbinden.
Liebe Leser, was sagen Sie zu einem Böllerverbot? Sollen wirklich alle Berliner es nicht mehr vernünftig krachen lassen, nur weil sich einige nicht an Gesetze halten? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie unseren Beitrag auf Facebook oder bei X. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften! ■