Seit Monaten sorgen sie für Ärger: Die Flieger, die nach dem Start oder beim Landeanflug ständig von vorgeschriebenen Flugrouten abweichen. Das sorgt vor allem in Gebieten am Berliner Stadtrand für Fluglärm, wo bisher keiner war. Noch mehr Krach am Himmel befürchtet man in Treptow-Köpenick. Durch veränderte Flugrouten, die ein neues Navigationssystem verursachen könnte, wenn es am BER im Herbst zum Einsatz kommt.
Bisher wird die Navigation der Flieger, die am Hauptstadtflughafen starten oder landen, bodengestützt durchgeführt. Das bedeutet: Die Piloten in den Flugzeugen orientieren sich an Funkfeuern, die überflogen werden.
Die EU will nun per Verordnung dieses Verfahren abschaffen. Bis 2030 müssen in allen Mitgliedstaaten die Flughäfen die Navigation auf das satellitengestützte System Performance Based Navigation (PBN) umstellen. Bereits ab 30. Oktober 2025 soll dieses System für die startenden und landenden Flieger am BER im Einsatz sein.
Das System, das wörtlich übersetzt leistungsbasierte Navigation bedeutet, soll helfen, die Flugemissionen zu verringern und die Effizienz des Flugverkehrs zu erhöhen. Die internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO verspricht sich von dem neuen System Einsparungen beim Treibstoffverbrauch und mehr Möglichkeiten, dicht bewohnte Gebiete umfliegen zu können.
Dagegen laufen nun SPD, Grüne und die Linkspartei im Bezirk Treptow-Köpenick Sturm. Denn für sie geht die Einführung des neuen Navi-Systems viel zu schnell. Die Angeordneten dieser Parteien befürchten, dass die Anwohner in den BER-nahen Regionen wie Grünau, Bohnsdorf oder Schmöckwitz durch das satellitengestützte Navigieren der Flieger nicht weniger, sondern mehr Fluglärm abbekommen könnten.
Neues Navi, gleich mehr Lärm in Treptow-Köpenick? SPD, Grüne und Linke sind in Sorge
SPD, Grüne und Linke stellten daher einen gemeinsamen Antrag, über den am Donnerstag (6. März) im Bezirksparlament BVV abgestimmt werden soll. Darin wird Bezirksamt aufgefordert, sich bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) dafür einzusetzen, dass die Umstellung der Navigationsspezifikation auf das neue System „am Flughafen Berlin-Brandenburg BER nicht in unnötiger Eile umgesetzt, sondern die Umsetzungszeit für eine umfassende Prüfung der Auswirkungen ausgeschöpft wird“.
Dabei soll die Bezirksregierung auch von der Deutschen Flugsicherung fordern, „Daten zu den Lärmauswirkungen vorzulegen, um eine fundierte Bewertung zu ermöglichen“. Denn für den Bezirk Treptow-Köpenick liegt bisher keine ausreichende lärmtechnische Bewertung vor. „Gleichwohl soll das Verfahren laut DFS zügig umgesetzt werden“, wird in dem Antrag kritisiert.

Ein technischer Schnellschuss, der am Ende noch mehr Fluglärm für die Berliner am Stadtrand bedeuten könnte: „Der Einsatz neuer Technik und Methoden sollte eine Verbesserung bringen, keinen Stillstand oder eine Verschlechterung der Lebensqualität bedeuten“, heißt es in dem Antrag der Parteien. „Die Einführung des neuen Verfahrens lässt jedoch keine signifikante Reduzierung des Fluglärms erwarten, da die bestehenden Flugverfahren nahezu unverändert übernommen werden.“
Und sogar verändert werden könnten, wie auch Brandenburger Gemeinden im Berliner Umland befürchten – und nicht ohne Grund. Im Oktober 2024 soll auf einer Sitzung der BER-Fluglärmkommission (in der auch der Bezirk Treptow-Köpenick vertreten ist) dargelegt worden sein, dass sich mit der neuen Navi-Technik auch einzelne Abflugverfahren ändern und die Abflugstrecken teilweise neu beschrieben werden sollen. Im Klartext: Bestehende Flugrouten werden verändert.
Die Deutsche Flugsicherung bestreitet dies. In der Antwort einer Senatsanfrage der Lichtenberger Abgeordneten Danny Freymark und Martin Pätzold (beide CDU) zu dem neuen Navi-System PBN teilte die DFS mit: „An- und Abflugverfahren werden im Flughafennahbereich praktisch nicht geändert. Die bestehenden Flugverfahren sind weitestgehend lärmoptimiert und werden daher im Zuge der PBN-Umsetzung 1:1 reproduziert.“

Ob das auch wirklich so ist und auch im Sinne der Anwohner so sein wird – genau das soll nun das Bezirksamt Treptow-Köpenick bei der DFS erfragen. Nicht nur im Berliner Süden hat man daran Zweifel.
Auch in den angrenzenden Umland-Gemeinden in Brandenburg rumort es kräftig. In Zeuthen, Eichwalde, Schulzendorf, Wildau und Königs Wusterhausen wären 80.000 Einwohner möglicherweise von mehr Fluglärm betroffen, wenn das neue Navi-System am BER eingeführt wird und es zu Änderungen von Flugrouten kommen könnte, wie befürchtet wird.
Im Berliner Umland: Über 7000 Protestbriefe gegen neues BER-Navi
Über 7000 Protestbriefe der Anwohner wurden im Januar an die DFS geschickt, heißt es. Kopien der Schreiben wurden vor einer Woche auch der Flughafen-Gesellschaft übergeben.
Dass bestehende Flugrouten schon jetzt nicht immer eingehalten werden, haben auch diese Anwohner leidvoll erfahren müssen. Die Gemeindeämter dieser fünf Kommunen befürchten, dass wegen des neuen Systems etwa die sogenannte Hoffmann-Kurve nicht eingehalten wird. „Letztlich ist eine Verlärmung unserer Region zu befürchten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Gemeinden.
Die Fluglärmkommission soll im März auch wieder zu dem neuen Navi-System tagen. In der Sitzung wolle man unter anderem über ein Monitoring entscheiden. Das bedeutet, dass man nach dem Scharfschalten des Navis im Herbst 2025 ein Jahr lang kontrolliert, ob die jetzt bestehenden BER-Flugrouten auch tatsächlich weiter eingehalten werden, so wie es die Deutsche Flugsicherung behauptet.
Liebe Leser, was sagen Sie zu dem Fluglärm am BER? Welche Erfahrungen machen Sie? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie unseren Beitrag auf Facebook oder bei X. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften! ■