Anwohner in Angst

Noch mehr Fluglärm: EU-Navi sorgt für veränderte Flugrouten am BER

Eine Neuerung bei der Navigation könnte zu neuen Start- und Landerouten über dicht besiedeltes Gebiet am Berliner Stadtrand führen.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Ein Flugzeug startet am Hauptstadtflughafen BER. Ein neues Navigationssystem sorgt für Unruhe.
Ein Flugzeug startet am Hauptstadtflughafen BER. Ein neues Navigationssystem sorgt für Unruhe.Krauthöfer /imago

Sie fliegen schon jetzt über unsere Stadt, wie sie wollen: Die Flieger, die am Hauptstadt-Flughafen BER starten oder landen. Trotz festgelegter Routen weichen sie immer wieder davon ab, sorgen vor allem am Berliner Stadtrand plötzlich für Fluglärm, wo eigentlich keiner sein sollte. Doch nun soll es in diesem Jahr noch schlimmer werden. Veränderte Flugrouten, noch mehr Krach am Himmel – Grund ist ein neues Navi-System, das uns die EU aufzwingt.

Das Thema Flugrouten und Lärm – darüber hat der Berliner KURIER in der Vergangenheit schon oft berichtet. Denn trotz Schließung des Airports in Tegel (Ende 2020) kreisen immer mehr Flugzeuge über Stadtteile, die sie eigentlich nicht überfliegen dürften.

Dass Piloten sich an vorgeschriebene Routen nicht halten, ist nicht immer illegal. Auf mehreren Anfragen der CDU-Abgeordneten Martin Pätzold und Danna Freymark aus Berlin-Hohenschönhausen hatte der Senat bereits 2024 erklärt, dass das Abweichen von den BER-Flugrouten gesetzlich erlaubt ist. Allerdings nur in Ausnahmefällen könnten Piloten mit Genehmigung der Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) vom Kurs abweichen, damit der Flugverkehr am Hauptstadtflughafen „geordnet, sicher und flüssig“ abgewickelt werden kann.

Start und Landungen am BER: Die Flieger sollen auch am Hauptstadtflughafen nach veränderten Navi-Systemen fliegen.
Start und Landungen am BER: Die Flieger sollen auch am Hauptstadtflughafen nach veränderten Navi-Systemen fliegen.Pond 5 Images/imago

Und nun dreht man von offizieller Seite offenbar weiter an den vorgeschriebenen BER-Flugrouten. Denn Ende Oktober soll in diesem Jahr ein satellitengestütztes Navigationssystem eingeführt werden. Einige Orte im südöstlichen Umfeld des Hauptstadtflughafens befürchten, dass es deshalb bei ihnen bald auch recht laut werden könnte.

Die Furcht der Gemeinden kommt nicht von ungefähr. Im Oktober 2024 soll auf einer Sitzung der BER-Fluglärmkommission dargelegt worden sein, dass sich mit der neuen Navi-Technik auch einzelne Abflugverfahren ändern und die Abflugstrecken teilweise neu beschrieben werden sollen. Im Klartext: Bestehende Flugrouten werden verändert.

Neues Navi am BER: „Die Lärmauswirkungen wären immens“

„Die Lärmauswirkungen wären immens“, erklären mehrere brandenburgische SPD-Abgeordnete, die wegen des neuen Navysystem beim Verkehrsministerium in Potsdam eine parlamentarische Anfrage stellten. Darin wiesen die Politiker auch auf das schon in der Fluglärmkommission angesprochene Problem hin: Das neue Navi-Verfahren, das ein Ändern der Flugrouten offenbar notwendig macht, könnte dafür sorgen, dass einige Gemeinden im BER-Umfeld jederzeit direkt überflogen werden.

Mit diesen Leuchtfeuersystemen (bodengestützte Navigation) werden bisher die Flieger bei der Landung am BER eingewiesen. Danach sind auch die bestehenden Flugrouten ausgelegt. Ein neues System würde diese ändern.
Mit diesen Leuchtfeuersystemen (bodengestützte Navigation) werden bisher die Flieger bei der Landung am BER eingewiesen. Danach sind auch die bestehenden Flugrouten ausgelegt. Ein neues System würde diese ändern.Jochen Eckel/imago

Natürlich sieht das Land Brandenburg die Sache ganz anders. Das Verkehrsministerium verweist in der Antwort an die SPD-Landtagsabgeordneten auf Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS), wonach sich durch die Umstellung in der Kommunikation das Abflugverfahren im Flughafennahbereich nicht verändern oder verschieben werde.

Die südöstlichen BER-Umlandgemeinden vernehmen diese Botschaft, nur glauben will man daran nicht. Überhaupt versteht keiner, der dort lebt, warum nun ein neues Navi-System eingeführt werden muss.

Bisher wird die Navigation der Flieger, die am BER starten oder landen, bodengestützt durchgeführt. Das bedeutet: Die Flugzeuge orientieren sich an Funkfeuern, die überflogen werden.

Die EU will nun per Verordnung dieses Verfahren abschaffen. Bis 2030 sollen in allen Mitgliedstaaten die Flughäfen die Navigation auf das satellitengestützte System Performance Based Navigation (PBN) umgestellt haben.

Das System, das wörtlich übersetzt leistungsbasierte Navigation bedeutet, soll helfen, die Flugemissionen zu verringern und die Effizienz des Flugverkehrs zu erhöhen. Die internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO verspricht sich von dem neuen System Einsparungen beim Treibstoffverbrauch und mehr Möglichkeiten, dicht bewohnte Gebiete umfliegen zu können.

Neues-Navi am BER: Bringt es mehr Fluglärm?

Doch so manche BER-Anwohner haben da ihre Zweifel. In der Sitzung der Fluglärmkommission am 10. Dezember 2024 stellten daher fünf märkische Gemeinden einen Antrag an die Deutsche Flugsicherung und unterbreiteten Kompromissvorschläge.

Die Vorschläge sollen sich an Abflugverfahren orientieren, die bereits am Flughafen Frankfurt (Main) erfolgreich umgesetzt wurden, sagt Zeuthens Bürgermeister Philipp Martens (Linke). So sollen etwa die Punkte für eine Ideallinie der Flugroute festlegt und von den Piloten mit der Navigation nachgeflogen werden. „Das hat in Frankfurt am Main dazu geführt, dass die dortige Fluglärmkommission nicht einmal behelligt wurde, da man weniger Fluglärm erzeugt hat“, sagt Martens.

Auch der Punkt, an dem die vom BER startenden Flugzeuge spätestens von der vier Kilometer langen südlichen Startbahn in Richtung Osten abheben müssen, soll nach Ansicht der Bürgermeister um 400 Meter verkürzt werden. Das würde dazu führen, dass die Hoffmannkurve früher durchflogen werden könnte und nicht, wie zu befürchten ist, über dicht bewohnte Ortsteile.

Auch andere Vorschläge sind Martens zufolge mit Fluglotsen, Piloten und Experten erörtert worden, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befassen. Unklar ist, wie weit bei den Absprachen auch die Berliner Randbezirke eingebunden sind. Denn auch dort dürfte es Befürchtungen wegen des neuen Navi-Systems garantiert geben – zumindest bei den Anwohnern.

Liebe Leser, was sagen Sie zu dem Fluglärm am BER? Welche Erfahrungen machen Sie? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie unseren Beitrag auf Facebook oder bei X. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!