Der Fluglärm und das häufige Abweichen von BER-Flugrouten ist zum Dauerthema im Senat geworden. Trotz Schließung des Airports in Tegel (Ende 2020) kreisen immer mehr Flugzeuge über Stadtteile, die sie eigentlich nicht überfliegen dürften. Jetzt kommt heraus, dass in diesem Jahr schon mehrere Verstöße angezeigt wurden. Machen etwa die Piloten am Himmel über Berlin, was sie wollen?
Auf mehreren Anfragen von Abgeordneten hatte der Senat bereits in den vergangenen Wochen erklärt, dass das Abweichen von den BER-Flugrouten gesetzlich erlaubt ist. Allerdings nur in Ausnahmefällen könnten Piloten mit Genehmigung der Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) vom Kurs abweichen, damit der Flugverkehr am Hauptstadtflughafen „geordnet, sicher und flüssig“ abgewickelt werden kann.
Und: Die Verordnung über die Durchführung der Flugsicherung „erlaubt ausdrücklich Abweichungen von den veröffentlichten Flugverfahren (also den festgelegten Flugrouten, Anmerk. der Red.)“. So stand es jüngst in einer Senatsantwort an die CDU-Abgeordneten Martin Pätzold und Danny Freymark, die von der Senatsverkehrsverwaltung wissen wollten, warum etwa der Fluglärm unter anderem in Hohenschönhausen zunahm, obwohl es über dem Ortsteil keine BER-Flugrouten mehr gibt.
Nun gab es eine erneute Anfrage des CDU-Abgeordneten Christian Zander. Er wollte herausfinden, warum es auch über Lichtenrade und Marienfelde plötzlich mehr Flugbewegungen gibt.
Seine konkrete Frage: Unter welchen Voraussetzungen ist es zulässig, schon früher Richtung Norden zu fliegen und damit deutlich früher über das Stadtgebiet von Berlin zu fliegen? Nach Meinung des Christdemokraten sei in Startrichtung Westen von der nördlichen Startbahn des BER aus eine Flugroute vorgesehen, die erst etwa in Höhe von Stahnsdorf nach Norden abknickt und dann im Bereich Wannsee erst das Berliner Stadtgebiet erreicht.
In diesem Zusammenhang wurde Zander eine Stellungnahme des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAF) mitgeteilt. Sie lautet: Die Flugrouten „stellen eine Möglichkeit für den Fluglotsen zur Lenkung des anfallenden Luftverkehrs dar. Die Lotsen entscheiden dabei situativ, ob die Erteilung einer abweichenden Einzelfreigabe vorzugswürdig ist. Eine Begründung dieser Entscheidung ist nicht erforderlich.“

Und was machen Piloten, wenn eine gewünschte Abweichung (etwa aus Zeit- oder Kostengründen) nicht erteilt werden? Offenbar weichen sie dennoch von den vorgeschriebenen Weisungen ab.
Denn die BAF teilte in der Senatsantwort auf Zanders Anfrage nun überraschend mit, dass es im Umfeld des BER bereits mehrere Verstöße beim Einhalten der Flugrouten und der Flughöhen bei Starts und Landungen in diesem Jahr gab. „Bisher sind dem BAF 19 Verstoßmeldungen angezeigt worden.“
Verstöße gegen die BER-Flugrouten: 19 Fälle wurden 2024 angezeigt, 82 waren es im Vorjahr
Weiter erklärt die Behörde: Von den 19 Fällen „wurden nach Auswertung der Beweismittel drei Fälle nach § 47 OWiG eingestellt sowie acht Fälle an die zuständigen zivilen Landesluftfahrtbehörden ins Ausland abgeben.“ Diese Verfahren wären in Deutschland mit einem Bußgeld bzw. einer Verwarnung geahndet worden. Acht der genannten Verstoßmeldungen würden derzeit noch geprüft.
Zu den Verstößen, auf denen die BAF in ihrer Stellungnahme nicht weiter eingeht, können unter anderem gehören, wenn ein Pilot „den im Rahmen der Luftaufsicht erlassenen Verfügungen zuwiderhandelt“ (§ 29 LuftVG) oder „ein vorgeschriebenes Flugverfahren (sprich Flugrouten) nicht befolgt“ (§ 33 LuftVO).
Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße zwischen 10.000 Euro und 50.000 Euro geahndet werden. Zu der Kategorie der 50.000 Euro Geldbußen gehören das Führen eines Luftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss, aber auch das Zuwiderhandeln der im Rahmen der Luftaufsicht erlassenen Verfügungen, so Luftfahrtexperten.
Auch wenn der Pilot möglicherweise im Auftrag seines Unternehmen die Verstöße begeht, etwa aus Zeit- und Kostengründen) wird „ist in Deutschland der verantwortliche Luftfahrzeugführer Adressat eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens“, teilt das BAF in der Senatsantwort an den CDU-Abgeordneten Zander mit. „Der Halter bzw. die Fluggesellschaft ist daher nicht sanktionsfähig.“ Mit anderen Worten: Die Airlines werden nicht belangt, wenn Piloten von vorgeschriebenen Flugrouten abweichen.
Das BAF erklärt, dass es im vergangenem Jahr 82 Verstöße im Bereich des BER angezeigt wurden. 54 Fälle davon wurden eingestellt. Es wurden fünf Bußgeldbescheide sowie ein Bescheid mit Verwarngeld erlassen. 19 Fälle wurde an die zuständigen zivilen Landesluftfahrtbehörden ins Ausland abgeben. Drei Fälle werden derzeit noch geprüft.
Dass es offiziell zahlreiche Beschwerden der Berliner über den Fluglärm gab, wird nun in der Senatsantwort zugegeben. Der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg lagen vom 1.1.2024 bis 31.7.2024 insgesamt 183 Fluglärmbeschwerden aus dem Land Berlin vor. Eine Auswertung nach einzelnen Bezirken liegt nicht vor.
Die BAF teilte mit, nur eine Beschwerde erhalten zu haben. Dem Senat liegen aus dem Jahr 2024 bisher fünf schriftliche Beschwerden in Verbindung mit dem Flugbetrieb am BER vor, zwei aus Lichtenrade sowie jeweils eine aus Altglienicke, Müggelheim und Weißensee. ■