Nicht nur ein neues Navigationssystem sorgt für viel Unruhe im Umland des Hauptstadtflughafens. Jetzt will auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) das Nachtflugverbot am BER lockern. Da kann sich der Senat schon einmal auf Proteste von Berlinern und Brandenburgern aus dem Umland einrichten.
Es ist in der Tat ärgerlich. Da kommt ein Ferienflieger aus Gran Canaria mit 200 Urlaubern an Bord angeflogen und darf am BER nicht landen. Nur weil es wenige Sekunden vor Mitternacht ist und am Hauptstadtflughafen um 0 Uhr das Nachtflugverbot beginnt, dreht die Maschine ab und macht einen Umweg zum 250 Kilometer entfernten Hannover. Die Passagiere können ja sehen, wie sie dann von dort nach Berlin kommen.
Die Geschichte ist und wahr kein Einzelfall. Mehrfach sollen oder mussten vor allem verspätete Maschinen der Billigairline Ryanair in diesem Jahr wegen des BER-Nachtflugverbotes vom Hauptstadtflughafen in letzter Minute abdrehen. Solche Fälle soll es nun künftig nicht mehr geben.
Denn Berlins Regierender Wegner will Ausnahmen vom Nachtflugverbot am BER vorantreiben. „Es ist weder im Interesse der Umwelt noch der Passagiere, wenn Flugzeuge wegen weniger Minuten Verspätung weite Umwege fliegen müssten“, sagte er auf der internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin.
Das strikte Nachtflugverbot am BER schreibt vor, dass Linienmaschinen zwischen Mitternacht und 5 Uhr nicht am Hauptstadtflughafen starten beziehungsweise landen dürfen. Passiert dies doch, müssen die betroffenen Fluggesellschaften Geldbußen bis zu 50.000 Euro zahlen.
Daher würden schon im Voraus eilendem Gehorsam handelnde Piloten mit ihrer Maschine neu durchstarten und das Weite suchen. Dabei müssten sie es offenbar noch nicht einmal. Denn ist aus welchen Gründen auch immer ein Flug verspätet, könnte die betroffene Maschine auch wenige Sekunden vor Mitternacht in Berlin landen.

Laut einer Auskunft der Landesregierung Brandenburgs dürfen schon von 23.30 Uhr bis 0 Uhr und von 5 Uhr bis 5.30 Uhr grundsätzlich keine planmäßigen Flüge stattfinden. Aber Verspätungen sind von dieser Regelung ausgenommen.
Mehr Freiheiten beim Nachtflugverbot: Das Thema man könne man im Senat oder auch in einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit der Landesregierung Brandenburg angehen.
„Das ist ein Punkt, den ich mir durchaus vorstellen kann, der nicht nur wünschbar, sondern auch machbar ist“, sagt Wegner. Er betonte, dass es sich nicht um Hunderte Maschinen täglich handele, sondern die Zahl überschaubar sei.
Nachflugverbot: Über 5000 Überschreitungen gab es am BER
Ob das so stimmt, darüber ließe sich streiten. Denn das strikte Nachtflugverbot am BER wird gar nicht so strikt eingehalten. Allein vom 1. Juli 2023 bis zum 31. Juli 2024 gab es fast 5000 Flugbewegungen vom späten Abend bis in die Morgenstunden – zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Das teilte im Oktober 2025 die Brandenburger Landesregierung mit.
Davon waren 370 Post- und Frachtflüge, es gab Ambulanz- und Rettungsflüge, Flüge von Militär, Grenzschutz und Polizei, Überführungs- und Schulflüge. Not- beziehungsweise Ausweichlandungen gab es nur eine.
Wegner erklärt, dass er kein Freund des Nachtflugverbots ist, aber keine politischen Mehrheiten dafür sieht, die Regelung aufzuweichen. Schon vom Senat kommt Gegenwind.
Es ist Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), die Wegner nicht folgen will. „Ich finde nicht, dass wir das Nachtflugverbot schleifen sollten“, sagt sie. „Die Berlinerinnen und Berliner haben ein Anrecht auf ihre Nachtruhe. Das Wachstum wird nicht gehemmt durch ein Nachtflugverbot.“
Wagners Ankündigung zum Nachtflugverbot: Freude kommt offenbar nur bei den Menschen auf, die gerne mit dem Flieger in den Urlaub reisen. Denn schon jetzt ist klar: Wegners Plan wird für einen Proteststurm seitens der BER-Anwohner sorgen.
Sie gehen bereits wegen der geplanten Einführung eines neuen Navigationssystems am Flughafen auf die Barrikaden, weil sie eine Zunahme des Fluglärms befürchten. Der Grund: Aufgrund der neuen Technik könnten bestehende Flugrouten verändert werden.
Beim Thema Nachtflug wollen die Anwohner seit Jahren, dass das Nachflugverbot sogar um zwei Stunden ausgeweitet wird – von 22 Uhr bis 6 Uhr. Die Landesregierung Brandenburg könnte es sogar durchsetzen, wenn sie wollte. Schließlich haben SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Koalitionsvertrag vereinbart, sich für ein längeres Nachtflugverbot einzusetzen.
Damit hätte auch Berlins Regierender Bürgermeister keinen Verbündeten in der Brandenburger Landesregierung, um das Verbot zu lockern. BSW-Infrastrukturminister Detlef Tabbert machte im Tagesspiegel klar: „Das Nachtflugverbot, so wie es jetzt gilt, halte ich für gut und richtig. Es muss konsequent eingehalten werden. Dabei sollte man es aber lassen.“
Liebe Leser, was sagen Sie zu dem Nachtflugverbotsplan des Regierenden Bürgermeisters? Sind Sie auch schon als Passagier Opfer des Nachtflugverbotes am BER geworden? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie unseren Beitrag auf Facebook oder bei X. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften! ■