Wichtige Fragen & Antworten

Grundsteuer explodiert in Berlin: Wie kann ich mich wehren?

Teuer wird es vor allem im Ostteil der Stadt und für Besitzer von Wochenendgrundstücken. Wie sieht es bei Ihnen aus: Haben Sie auch schon Post vom Finanzamt bekommen?

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Besonders für nicht ganzjährig bewohnbare Wochenendgrundstücke steigt die Grundsteuer an: Sie werden wie Gewerbe eingestuft.
Besonders für nicht ganzjährig bewohnbare Wochenendgrundstücke steigt die Grundsteuer an: Sie werden wie Gewerbe eingestuft.Joko/imago

Bei vielen Immobilienbesitzern, gerade im Ostteil der Stadt, ist der Schock groß. Über die neuen Grundsteuerbescheide mit den Zahlungen, die ab Januar für Datschen, Eigenheime oder Eigentumswohnungen geleistet werden müssen. Bei manch einem verdrei- oder vervierfacht sich die zu zahlende Summe. Manch Datschenbesitzer weiß gar nicht, wie er das Geld aufbringen soll, um mehrere 100 Euro im Jahr mehr zu zahlen.

Die Finanzämter in der Hauptstadt haben im Oktober begonnen, die entsprechenden Bescheide zu verschicken, bevor im neuen Jahr dann die lange diskutierte bundesweite Grundsteuerreform 2025 bezahlen müssen. Bis Ende des Jahres sollen alle Bescheide verschickt sein. „Damit ist Berlin im Bundesvergleich am schnellsten“, heißt es. Eine Ausnahme gilt für Grundbesitz, bei dem es 2024 einen Eigentümerwechsel gegeben hat. In diesem Fall kommt der Bescheid erst zu Beginn des neuen Jahres.

Lauben-Besitzer wurden vergessen

Genau genommen sind es jeweils zwei Bescheide: Der eine über den Grundsteuermessbetrag dient der Berechnung der neuen Grundsteuer, der andere zur neuen Grundsteuer nennt den Betrag, der 2025 zu zahlen ist. Er enthält den Jahresbetrag und die Verteilung auf die vierteljährlichen Vorauszahlungen. Die erste Quartalszahlung wird zum 15. Februar fällig.

Finanzsenator Evers (CDU) hatte vorher zugesagt, dass das Land insgesamt nicht mehr Grundsteuer einnehmen will, als vor der Reform eingenommen hatte. Viele Immobilienbesitzer im Osten erleben etwas anderes. Da erhöht sich die Grundsteuer für eine Eigentumswohnung in Prenzlauer Berg von 504,36 auf 1154,96 Euro, für ein Einfamilienhaus in Spandau von 370 Euro auf 1576 Euro pro Jahr.

Besonders krasse Steigerungen gibt es bei nicht ganzjährig bewohnbaren Wochenendgrundstücken. Davon gibt es im Osten besonders viele. Während Kleingärten von der Grundsteuer ausgenommen sind, müssen die Besitzer von Wochenendgrundstücken mit einer kleinen nicht winterfesten Laube zahlen. Das Fatale: Sie müssen mehr als die Besitzer von Einfamilienhäusern in der Nachbarschaft zahlen.

Der Grund: Diese Gärtchen werden eingestuft als „sonstiges bebautes Grundstück“. Und für die liegt die sogenannte Steuermesszahl, die wichtig für die Berechnung ist, um 50 Prozent höher als bei Wohngrundstücken. Sie werden genauso hoch wie Gewerbe eingestuft. „Im Gesetzgebungsverfahren sind Eigentümer von nicht ganzjährig bewohnbaren Lauben-Grundstücken außerhalb von Kleingartenanlagen schlichtweg vergessen worden“, sagt Hans-Joachim Beck, Leiter der Abteilung Steuern vom Immobilienverband Deutschland (IVD). Dem KURIER beantwortet der Experte wichtige Fragen rund um die neue Grundsteuer.

Steuer-Experte beantwortet die wichtigsten Fragen

Hält Berlin das Versprechen ein, nicht mehr Grundsteuern einzunehmen als vor der Reform? Ich glaube, ja. Das Steueraufkommen des Landes Berlin wird wahrscheinlich insgesamt nicht steigen. Dass es zu erheblichen Verschiebungen kommt, liegt daran, dass der jeweilige Bodenrichtwert einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Grundsteuer hat.

Hans-Joachim Beck ist ehe­maliger Vor­sitzen­der Richter im Finanz­gericht Berlin und ist seit 2011 als Leiter der Ab­teilung Steuern für den IVD Immo­bilien­ver­band Deutsch­land tätig.
Hans-Joachim Beck ist ehe­maliger Vor­sitzen­der Richter im Finanz­gericht Berlin und ist seit 2011 als Leiter der Ab­teilung Steuern für den IVD Immo­bilien­ver­band Deutsch­land tätig.IVD

Woran liegt es, dass die neue Grundsteuer im Osten oft viel mehr als im Westteil der Stadt steigt? Gerade im Ostteil ist nach der Wende viel gebaut worden und viele Grundstücke wurden verkauft. Die Anzahl der Verkaufsfälle und die Höhe der Kaufpreise hat dazu geführt, dass im Ostteil Berlins die Bodenrichtwerte besonders angestiegen sind.

Möglicherweise gibt es noch einen anderen Grund. In dem ehemaligen Ostteil der Stadt wurden bis zur Reform der Grundsteuer die Einheitswerte zum 1. Januar 1935 zugrunde gelegt. Diese waren natürlich niedriger als die in Westdeutschland zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte. Zum Ausgleich wurden besondere Multiplikatoren angewendet.

Berechnet wird die Grundsteuer mit den Bodenrichtwerten von 2022. Sind die Zahlen nicht veraltet? Selbst wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern, etwa weil das Grundstück bebaut wird, werden die Wertverhältnisse zum 1. Januar 2022 zugrunde gelegt. Dies ist deshalb ärgerlich, weil die Grundstückspreise zum 1. Januar 2022 auf einem Höchststand waren und seitdem wieder gesunken sind.

Wird es noch mal eine Korrektur geben? Eine Anpassung wird es erst zum 1. Januar 2029 geben. Solange bleiben die Wertverhältnisse bis zu einer neuen sogenannten Hauptfeststellung weiterhin maßgeblich.

Wie kann man sich gegen die neue Grundsteuer wehren? Man hätte gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert Einspruch einlegen können. Das haben auch viele Eigentümer gemacht, weil sie der Auffassung sind, dass das Grundsteuergesetz verfassungswidrig ist. Diese Verfahren ruhen derzeit, weil man abwartet, wie das Bundesverfassungsgericht in einigen Musterverfahren entscheiden wird.

Wenn man durch ein Gutachten nachweisen kann, dass der tatsächliche Verkehrswert des Grundstücks niedriger ist als der Verkehrswert und der Grundsteuerwert mindestens 140 Prozent des Verkehrswertes beträgt, kann man eine Herabsetzung des Grundsteuerwertes beanspruchen.

Besitzer von selbstgenutzten Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern können einen Antrag auf Erlass der Grundsteuer stellen, wenn sie nicht in der Lage sind, die Grundsteuer zu bezahlen. Ein Antragsvordruck dafür steht im Internet zur Verfügung.

Lohnt sich ein Einspruch? Ein Einspruch gegen den Grundsteuermessbescheid und den Grundsteuerbescheid ist normalerweise sinnlos. Denn diese Bescheide ergeben sich rein rechnerisch durch eine Multiplikation des Grundsteuerwertes mit der Steuermesszahl und dem Hebesatz. Dass das Finanzamt die falsche Steuermesszahl anwendet, ist extrem unwahrscheinlich.

Wie hier in Berlin-Mahlsdorf: Besonders im Osten steigt die Grundsteuer oft an.
Wie hier in Berlin-Mahlsdorf: Besonders im Osten steigt die Grundsteuer oft an.Thomas Uhlemann

Bei welcher Art von Immobilienbesitzern steigt die neue Grundsteuer besonders stark an? Die Grundsteuer ist besonders bei Grundstücken angestiegen, die keine Wohngrundstücke sind, sowie bei unbebauten Grundstücken. Denn in diesen Fällen wird der volle Bodenwert angesetzt. Außerdem wird der Grundsteuerwert in diesen Fällen mit der hohen Steuermesszahl von 0,00045 multipliziert. Bei Wohngrundstücken wird der Bodenwert dagegen nicht in vollem Umfang angesetzt und der Grundsteuerwert wird außerdem nur mit der Steuermesszahl von 0,00031 multipliziert.

Befindet sich auf dem Grundstück eine Laube, die nicht ganzjährig bewohnt werden kann, etwa weil sie keine Heizung hat, handelt es sich nicht um ein Wohngrundstück, sondern um ein sogenanntes sonstiges bebautes Grundstück. In diesen Fällen wird der Bodenrichtwert ungemildert angesetzt und die Steuermesszahl von 0,00045 angewendet.

Befindet sich die Laube auf einem gepachteten Grundstück, zahlt die Grundsteuer der Eigentümer des Grundstücks. Ob der Eigentümer die Grundsteuer auf den Pächter umlegen kann, richtet sich nach dem Pachtvertrag.

Liebe Berliner, wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie schon den neuen Grundsteuerbescheid bekommen? Schreiben Sie uns, wie sich bei Ihnen die Zahlungen ändern werden. Egal, ob für Wochenendgrundstück, Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung. Wir werden weiter berichten. Schicken Sie uns Ihre Informationen an leser-bk@berlinerverlag.com – wir freuen uns über Ihre Zuschriften!