Der letzte Hauch von Anarchie verschwindet aus der Schönhauser Allee. Eine kultverdächtige Burlesque-Bar macht dicht, weil die Nachbarn wohl zu spießig sind. Sie halten den Laden für eine Strip-Bar und beschäftigten die Berliner Gerichte. Es ist nicht der einzige Grund.
Die beliebte Burlesque- und Event-Bar „Zum starken August“ in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, eine feste Größe der Berliner Kulturszene seit 2015, wird ihre Türen schließen. Die Betreiberin Sandra Hollweck, bekannt als Holly, hat im Dezember auf Instagram verkündet, dass der Vorhang am 30. Juni 2025 endgültig fällt.
Aber warum muss eigentlich eine derart etablierte Institution aufgeben? Ein Blick hinter die Kulissen offenbart eine Mischung aus finanziellen Hürden, Nachbarschaftsstreit und dem Wandel des Berliner Nachtlebens.
Sandra Hollweck, die ursprünglich als Barkeeperin startete und die Bar später übernahm, hätte ihren Mietvertrag gut und gern um fünf Jahre verlängern können – allerdings zu deutlich schlechteren Konditionen, erzählt sie der „Berliner Morgenpost“ (Bezahlschranke). Zunächst wollte der Vermieter 500 Euro mehr monatlich, später sollte die Miete um 1000 Euro steigen. Sie hätte diese Summen nicht stemmen können, gibt sie zu.
Sei Jahren kämpft die Burlesque-Bar auch mit Heizungsproblemen
Aber es sind ja auch nicht nur die Kosten: Seit Jahren kämpft die Bar-Chefin mit Problemen wie fehlender Heizung und warmem Wasser im Winter. Trotz solcher Missstände sei der Vermieter aber wenig kompromissbereit gewesen, so Hollweck.
Zusätzlich sorgten Nachbarn für Ärger. „Früher sind unsere Shows erst um 22 Uhr gestartet, nun müssen sie um diese Uhrzeit wegen Lärmbeschwerden zu Ende sein. Die meisten Gäste gehen danach. Eine Familie hatte während der Corona-Zeit eine Wohnung im Nebengebäude gekauft. Mit denen und in der Folge den Behörden habe ich drei Jahre lang gekämpft. Die Streiterei nimmt uns die Kundschaft. Nicht mal mit Preiserhöhungen wäre das zu machen“, sagte Hollweck der „Morgenpost“.

Die Beschwerden gipfelten in gerichtlichen Auseinandersetzungen, die auch das Ordnungsamt auf den Plan riefen. Man wollte uns anhängen, ein Striptease-Laden zu sein. Burlesque ist nicht Striptease, da gibt es einen feinen Unterschied, betont sie. Um den Betrieb zu sichern, musste Hollweck eine Kleinkunstbühne einbauen und hohe Summen in Brandschutzmaßnahmen investieren.
Neben den äußeren Problemen sieht Hollweck auch einen gesellschaftlichen Wandel, der ihr Geschäft erschwert. Seit der Inflation würden die Menschen mehr sparen. Selbst während Corona hätten sie nicht solche Schwierigkeiten gehabt wie jetzt. Ein weiteres Hindernis: Die Bar durfte zwar endlich Sitzgelegenheiten draußen anbieten, doch die Gäste bevorzugen oft den benachbarten Späti. Dort kaufen sie für 1,50 Euro ein Bier und setzen sich vor den Laden. Das ist harte Konkurrenz.
Internationale Künstlerszene der Burlesque-Bar geschockt
Auch die Schönhauser Allee selbst hat sich verändert. Früher war die Gegend hip, heute fährt hier abends der letzte Kinderwagen vorbei, dann ist die Straße leer. Der geplante Abriss der Schönhauser-Allee-Brücke dürfte das Geschäft zusätzlich beeinträchtigen. Das ist kein guter Standort mehr für eine Bar. Perspektivisch wäre eine Location in Richtung Kastanienallee oder U-Bahnhof Eberswalder Straße sinnvoller, doch auch dort herrscht viel Leerstand.
Die Nachricht über die Schließung hat nicht nur die Mitarbeiter schwer getroffen, sondern auch die internationale Künstlerszene. Die Bar hat Performer aus aller Welt, die auf ihren Tourneen hier auftreten. Für sie sei es fatal, dass die Event-Bar schließt, erklärt Hollweck. Auf Instagram reagierten Fans und Künstler mit großer Anteilnahme.
Doch das Ende der Bar soll nicht das Ende des Konzepts sein. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Bettina, die für das Booking zuständig ist, plant Hollweck, künftig Veranstaltungen an verschiedenen Orten zu organisieren. Sie seien eigentlich eine Zirkusbar – also werden sie zu einem Wanderzirkus werden. Das erste Event steht bereits am 1. Februar 2024 im „Roadrunner’s Paradise“ an, und auch der Holzmarkt hat Interesse an Kooperationen signalisiert.

Die gebürtige Passauerin denkt trotzdem über ihre Zukunft nach – und zieht auch eine Rückkehr in ihre Heimatstadt in Betracht. Berlin habe sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert. „Ich finde es sehr dreckig“, so Sandra Hollweck in der „Morgenpost“. „Diese ganzen Graffiti-Schmierereien sind überall. Es gibt einen Werteverlust, gibt keinen Respekt vor Sachen. Was wir hier an Vandalismus haben, alles wird angesprüht, auch die Auto-Scooter vor der Bar, von denen ich das immer gleich entferne.“
Es finde eine Verrohung statt. Die Menschen seien zudem sehr egoistisch geworden. „Ich habe das Gefühl, dass es in Bayern noch ein bisschen anders ist, man dort noch mehr Kultur lebt.“