Die TV-Legende wird 65

KURIER verrät ein Geheimnis: Darum hat der DDR-Sandmann nur vier Finger!

Wir glauben, alles über das Sandmännchen zu wissen. Doch das Kerlchen hat noch viele Geheimnisse, die der KURIER jetzt enthüllt.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Unser Sandmännchen: Man sieht es genau, es hat nur vier statt fünf Finger. Beim Traumsandstreuen scheint das nicht zu stören.
Unser Sandmännchen: Man sieht es genau, es hat nur vier statt fünf Finger. Beim Traumsandstreuen scheint das nicht zu stören.RBB

65 Jahre wird unser Sandmännchen nun alt. Und wir alle glauben, alles über den berühmten Traumsandverstreuer zu wissen. Wirklich? Na, Sie werden staunen, welche Geheimnisse hier der KURIER über den beliebten TV-Star enthüllt, der am 22. November 1959 das erste Mal im Deutschen Fernsehfunk der DDR zu sehen war. Fangen wir einmal mit dem Aussehen an. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass der Sandmann an er Hand nur vier Finger hat – also Daumen und drei Finger? Es ist so, schauen Sie einmal genau hin.

Hat etwa Bühnenbildner Gerhardt Behrendt (1929-2006), der den Ur-Sandmann und die Figur des heutigen Sandmannes geschaffen hat, etwa einen Finger vergessen. Schließlich musste es bei der TV-Premiere vor 65 Jahren ja alles recht schnell gehen. Und Behrendt hatte für seine Puppe nur drei Wochen Zeit. Denn diese sollte noch vor dem West-Sandmann im DDR-Fernsehen über den Bildschirm flimmern, was dann auch so geschah.

Nein, da war keiner schusselig. Es ist volle Absicht, dass der Sandmann nur vier Finger an seinen Händen hat – genauso wie die Figuren in der US-Serie „Die Simpsons“.

Dass viele Comic-Figuren in Trickfilmen nur vier Finger an den Händen haben, geht auf Micky-Maus-Erfinder Walt Disney (1901-1966) zurück. Der Grund: Damals mussten die Zeichner für Animationsfilme sehr viele Bilder zeichnen, damit sich die Comic-Figuren richtig bewegten. Man brauchte 24 Bilder pro Sekunde. Da hat es etwas Zeit gespart, wenn man einen Finger weggelassen hat und nur vier Finger in Bewegung bringen musste.

KURIER lüftet die Geheimnisse des DDR-Sandmannes

So ist es in etwa auch beim Sandmann, der ja eine Trickfilmpuppe ist, bei der man auch jeden Finger bewegen kann. Gar nicht so einfach. Im Studio muss beim Sandmann jeder Bewegungsveränderung an der Puppe eingestellt werden, auch an den Händen, die dann der Kameramann einzeln fotografiert. Außerdem sind seine Hände nicht gerade groß, um noch den Mittelfinger anzubringen.

Sandmann-Erfinder Gerhard Behrendt mit seinem Liebling, der übrigens 1960 zum ersten Mal mit einem Hubschrauber flog.
Sandmann-Erfinder Gerhard Behrendt mit seinem Liebling, der übrigens 1960 zum ersten Mal mit einem Hubschrauber flog.Siegfried Thienel

Und wie groß ist der Sandmann? Seit seiner „Geburt“ vor 65 Jahren entstanden bis heute mehrere Puppen, die zwischen 22 und 24 Zentimeter groß sind.

1960 entstand die Puppe, wie man sie heute kennt: Umhang und Mütze waren aus damals türkisen Billardtuch gefertigt, der Stoff für die Hose kam von einem alten Abendkleid und die Stiefel waren aus weißem Ziegenleder – alles gefertigt von Diethild Dräger.

Die Puppengestalterin war die Schwester von Lothar Dräger, der 1975 die Mosaik-Helden Abrafaxe erfand. Ein Mitglied der Redaktion des berühmten ostdeutschen Comics war auch direkt am Entstehen der Sandmann-Geschichten beteiligt: der Modellbauer Gerhard Eckert. Er half dem Szenenbildner Harald Serowski, die Fahrzeuge für den Sandmann zu bauen.

DDR-Sandmann: Was bedeuten die Buchstaben PU auf den Kennzeichen seiner Autos?

Helikopter, Schneemobile, Autos, Raumschiffe: Über 300 Fahrzeuge benutzte der Sandmann. Das 100. Gefährt, mit dem der Traumsandverstreuer reiste, war eine Berliner U-Bahn (1977). Auch mit einem Heißluftballon flog der Sandmann zu den Kindern. Das sorgte 1979 für Ärger mit den Parteifunktionären, als diese Episode mal wieder gezeigt wurde. Zwei Tage zuvor war eine DDR-Familie mit einem Heißluftballon in den Westen geflohen.

Übrigens: Die Kfz-Kennzeichen an den Autos, mit denen der Sandmann zu DDR-Zeiten fuhr, begannen mit den Buchstaben „PU“. Wofür sie standen? Für das Puppenstudio, das sich im Haus von Sandmann-Papa Behrendt in Berlin-Mahlsdorf befand.

Dort war bis in den 90er-Jahren auch der Ort, wo der Sandmann „wohnt“.  Seit einigen Jahren ist er in den Westteil Berlins umgezogen. Dort befindet sich das RBB-Studio, in dem die aktuellen Sandmann-Filme produziert werden. Dir Original-Puppen befinden sich in einem Fundus in Berlin-Adlershof oder werden bundesweit in Ausstellungen gezeigt.

Heute werden die Sandmann-Filme mit aufwendiger Technik gedreht. Wussten Sie aber, dass die erste Folge vor 65 Jahren quasi mit einer Museumskamera gedreht wurde?

Der Sandmann in einem schicken Oldtimer: Doch was bedeuten die Buchstaben „PU“ auf dem Kennzeichen?
Der Sandmann in einem schicken Oldtimer: Doch was bedeuten die Buchstaben „PU“ auf dem Kennzeichen?Stefan Sauer/dpa

Wie gesagt: Für die Sandmann-Trickfilme braucht man eine spezielle Aufnahmetechnik. Einfach die Puppen abfilmen geht nicht. Da es bei der Produktion der ersten Sandmann-Folge im November 1959 alles sehr schnell gehen musste und der Deutsche Fernsehfunk keine Kameras für Trickfilme hatte, musste man sich eine besorgen.

Ein Mitarbeiter hatte Glück, besorgte damals eine Ertel-Filmkamera Filmette II von 1923 – für 20 DDR-Mark. Heute sind sie Holzapparate der Münchener Firma Ertel, in denen man zwei Filmkassetten einlegen konnte, richtig teuer. Auf Auktionen werden sie für bis zu 1800 Euro angeboten.

Das Sandmännchen kam schon 23.000 Mal

Seit dem ersten Auftritt des Sandmännchens vor 65 Jahren gab es bis jetzt über 23.000 Sendungen. Insgesamt entstanden 470 Rahmengeschichten, von denen heute noch über 300 in Gebrauch sind.

Es gab auch ganz spezielle Folgen zu ganz speziellen Anlässen: Zum Tode des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck 1960 lief der Sandmann-Rahmen ohne Gesang, nur mit der Melodie. Das geschah danach nur selten, 1969 wurden extra zwei Trauerfolgen mit orchestraler Musik für eventuelle Anlässe hergestellt.

Übrigens war der Sandmann der Grund für Proteste, sogar für Demonstrationen. In den Anfängen lief der Sandmann am Sonntag immer erst um 19.15 Uhr (Montag bis Sonnabend um 18.55 Uhr), was große Proteste bei den Eltern auslöste. So wurde er dann auch am siebenten Wochentag zu der früheren Zeit gesendet.

Die zweite Protestwelle war 2003, als man beim RBB plante, den Sandmann aus dem Vorabendprogramm zu streichen. Zum Glück kam es nicht dazu.