Ein Berliner Lehrer ist mit seinen homophoben Diskriminierungs-Erfahrungen an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit an die Öffentlichkeit gegangen, seitdem schlägt der Fall hohe Wellen. In der Süddeutschen Zeitung sprach Oziel Inácio-Stech darüber, wie er von Schülern wegen seiner Homosexualität gemobbt wurde und auch von der Schulleitung keine Unterstützung erfuhr. Auch von der Schulaufsicht und der Bildungsverwaltung habe Inácio-Stech keinerlei Rückhalt erhalten, so der Bericht.
Jetzt kam das Thema auch im Bildungsausschuss zur Sprache. Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch sieht allerdings kein Systemversagen im Umgang mit dem betroffenen Lehrer.
„Du Schwuler, geh weg von hier, der Islam ist hier der Chef“
Was war geschehen? Oziel Inácio-Stech, inzwischen krankgeschrieben, arbeitete an der Carl-Bolle-Schule als pädagogische Unterrichtskraft. Als er sich vor Schülern als homosexuell outet, feinden diese ihn massiv an. Sie hätten ihn als „unrein“, „ekelhaft“ und „kein Mann“ bezeichnet. Ein Schüler soll gesagt haben: „Du Schwuler, geh weg von hier. Der Islam ist hier der Chef.“

Seit 2018 sei es regelmäßig zu Gewalt, Antisemitismus und Diskriminierungen gekommen, vor allem durch Schüler mit muslimischem Hintergrund, berichten Ehemalige in der Süddeutschen Zeitung weiter. Obwohl die Schulleitung informiert gewesen sei, sei nichts dagegen unternommen worden.
Systematisches Mobbing durch muslimische Schüler an einer Berliner Grundschule und die Leitung schaut weg? „Der Fall sei komplexer, als er öffentlich dargestellt werde“, entgegnet Schulsenatorin Katharina Günther Wünsch nun. Von „Systemversagen“ könne keine Rede sein. Auch wolle sie nicht von einer „massiven Beschwerdelage“ an der Schule sprechen.
„Inzwischen liegen mir eine umfassende und sich über mehrere Monate erstreckende Dokumentation vor“, sagte die Schulsenatorin.„Und aus dieser mir vorliegenden Aktenlage ergibt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den in der öffentlichen Berichterstattung dargestellten Vorwürfen zu den gegenüber der Schulleitung, der Schulaufsicht und der Bildungsverwaltung geäußerten Vorwürfen.“ Es könne auch nicht von einem kollektiven Versagen oder einem Versagen des Systems gesprochen werden.
Schulleitung hat instabile Schule stabilisiert
Vielmehr habe die Schulleiterin, die seit 2021 im Amt ist, einen „instabilen“ Standort stabilisiert, Kooperationen aufgebaut, die Schulsozialarbeit neu aufgestellt und das Gebäude umstrukturiert. Es gebe ein interreligiöses Team aus jüdischen, christlichen und muslimischen Vertretern an der Schule und sogar einen Beauftragten für Konflikte mit muslimischem Religionshintergrund. Es handele sich um einen attraktiven Standort, an dem derzeit fünf Referendare ausgebildet würden, so die Senatorin weiter. Die Leiterin werde die Grundschule nun verlassen, doch das habe nichts mit dem Fall zu tun.

Damit sich alle Kritiker und Abgeordnete ein eigenes Bild von dem komplexen Fall machen können, weist Günther Wünsch sie im Ausschuss auf ihr Recht zur Akteneinsicht hin. „Damit wir anschließend fundiert darüber diskutieren können, welche zusätzliche Unterstützung der Schule zuteil kommen sollte.“
Große Mehrheit an der Schule nicht homophob
Auch Grünen-Bildungspolitiker Taylan Kurt will die Schule, die in seinem Wahlkreis liegt, nicht per se schlechtmachen. Es soll an der Schule „fünf bis sechs Schüler“ geben, die sich homophob geäußert haben, sagt er einem Reporter der Berliner Zeitung. Doch die große Mehrheit an der Schule sei nicht homophob, so Kurt. Auch er möchte nicht von einem Systemversagen sprechen, so die Zeitung. Es sei falsch, alle muslimischen Schüler über einen Kamm zu scheren und damit die Schule schlecht zu reden.
Für die kommenden Tage hat Katharina Günther Wünsch ein Gespräch mit der Elternvertretung der Schule angekündigt. Auch mit der Schulleitung habe sie bereits gesprochen. Mit dem betroffenen Lehrer, Oziel Inácio-Stech, ist dagegen kein Gespräch geplant.
Soziale Spaltung schlägt sich in Schule nieder
Auch an der Grundschule selbst sorgt das Thema für Diskussionen: „Es gibt solche Vorfälle an unserer Schule“, sagte Elternvertreter Lorenz Liebold –und sie blieben zu oft unwidersprochen. Das liege aber nicht daran, dass Lehrkräfte oder die Schulleitung sich nicht damit beschäftigen wollten. Es seien einfach sehr viele Fälle.
Man könne sie aber auch nicht über einen Kamm scheren. „Das große Problem ist, dass die Durchmischung der Schülerschaft nicht der Durchmischung der Bewohner des Kiezes entspricht“, so der Elternvertreter. Es gebe ein riesengroßes Segregationsproblem, eine soziale Spaltung, von der die Schule stark betroffen sei. „Das ist der zentrale Punkt.“ Den Eltern gehe es ausdrücklich nicht darum, Muslime zu diffamieren oder den Islam zum Problem zu erklären. „Das Problem ist die Armut, die mangelnde Erziehung und die Häufung von Kindern aus nicht so privilegierten Haushalten an bestimmten Schulen.“