Schüler gegen Lehrer

„Islam ist hier Chef!“ Krasse Mobbing-Affäre an Berliner Grundschule

Der Fall macht sprachlos. Ein homosexueller Lehrer aus Berlin fühlt sich von Schülern und deren Eltern gemobbt. Am Ende steht er am Pranger.

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An der fraglichen Grundschule (Symbolfoto) haben 95 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund.
An der fraglichen Grundschule (Symbolfoto) haben 95 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund.Andrea Savorani Neri/imago

An einer Berliner Grundschule tun sich Abgründe auf. Ein Lehrer fühlt sich von seinen Schülern gemobbt. Wegen seiner Homosexualität. Die Schule wird zum überwiegenden Teil von Kindern mit Migrationshintergrund besucht. Jetzt wendet sich der Lehrer mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit.

Oziel Inácio-Stech ist krankgeschrieben. Er hat eine posttraumatische Belastungsstörung. Weil Schülerinnen und Schüler ihn mobben. Seit zwei Jahren geht das schon so. Inácio-Stech arbeitet als pädagogische Unterrichtskraft an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit. Er kümmert sich unter anderem um Kinder mit Förderbedarf. Die Kinder stammen aus Rumänien, Bulgarien, dem Libanon und den Palästinensergebieten.

„Rund dreihundert Kinder besuchen die Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit. 95 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund, stammen aus sozial benachteiligten Familien und manche aus Ländern, in denen Homosexuelle getötet werden“, heißt es in dem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ). An die SZ hatte sich der gemobbte Lehrer gewendet.

Vor neun Jahren kam Inácio-Stech an die Carl-Bolle-Grundschule. Dass es eine Brennpunktschule ist, war ihm von vornherein klar. Trotzdem wollte er hier unterrichten – um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Jetzt hat er den Salat. Es gibt Stress mit den Schülern, deren Welt er verbessern wollte. Früher habe ihm das Malen geholfen. Aber gemalt hat er seit Monaten nicht. „Ich lebe in einem Albtraum“, heißt es in dem SZ-Bericht.

Und irgendwo hängen wohl oder vielleicht auch die Eltern der Kinder mit drin. „Mein Thema ist schwuler Lehrer und fanatische religiöse Eltern“, sagt der Pädagoge enttäuscht.

Es ist nicht selten vorgekommen, dass sich Eltern beschwerten, weil Erzieherinnen oder Lehrerinnen „zu kurze Röcke“ getragen hätten - ihrer Meinung nach. Richtig fies wurden aber die Schüler. Ihm gegenüber. Zwei riefen immer wieder, Oziel Inácio-Stech sei „eine Familienschande“, er werde „in der Hölle landen“, er sei „eine Schande für den Islam“.

Oziel Inácio-Stech sei „eine Familienschande“, er werde „in der Hölle landen“

Weil die Mutter eines der Schüler ihn bittet, erstattet Inácio-Stech keine Anzeige. Ein Fehler, denn schon bald darauf nennt ihn der Sohn auf dem Schulhof „ekelhaft“ - vor Hunderten anderen Kindern. Das war im Mai 2023. Seitdem treiben es die Kinder immer schlimmer mit ihren Beschimpfungen.

In der SZ heißt es dazu: „Einmal fragen ihn Sechstklässler, wer bei ihm die Frau und wer der Mann sei. ,Sie werden bestimmt gefickt‘, sagt ein Schüler. Die Schülerinnen und Schüler erzählen untereinander, er würde ,Frauen hassen‘, er würde ,Frauen töten.‘“ Ein Schüler, den der gemobbte Lehrer zur Rede stellen wollte, habe gesagt: „Du Schwuler, geh weg von hier. Der Islam ist hier der Chef.“

Oziel Inácio-Stech ist jüdisch. Aber das wissen die Kinder nicht, sonst wäre es vielleicht alles noch viel schlimmer. „Ich hätte nie erwartet, dass ich so etwas in Deutschland erlebe“, sagt er. Aber sollte alles noch böser kommen.

Mit einer Kollegin stritt er sich über seine Unterrichtsmethoden, sie wollte nicht, dass er die Kinder in politischer Bildung unterrichtet. Später wird er von der Schulleitung zu einem Gespräch gebeten. Es heißt plötzlich, Inácio-Stech zeige eine „zu große Nähe“ zu den Schülerinnen und Schülern. Die Schulleiterin sagte, er müsse sich „schützen“ vor „eventuell entstehenden Gerüchten“ an der Schule.

Schulleitung bei der Polizei Anzeige gegen Inácio-Stech

Es gebe gesellschaftliche Unterschiede an der Carl-Bolle-Grundschule in Bezug auf die Wahrnehmung von Nähe zwischen männlichen und weiblichen Lehrkräften. Inácio-Stech möge sein pädagogisches Konzept, „das an einer anderen Schule vielleicht anders bewertet würde“, der „sozialen Ausgangsvoraussetzung“ an der Carl-Bolle-Grundschule anpassen, heißt es im SZ-Bericht.

Die Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit.
Die Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit.Jcornelius CC BY-SA 4.0

Die Lage eskaliert. Im September 2024 erstattet die Schulleitung bei der Polizei Anzeige gegen Inácio-Stech, „nicht wegen des Vorwurfs zu großer Nähe, sondern weil der Lehrer die Fürsorgepflicht verletzt habe. Er habe zum Beispiel die Kleidung der Schüler kommentiert, er habe Kinder zum Essen oder Trinken genötigt. Die Vorwürfe seien von Eltern an die Schulleitung herangetragen worden“, steht in der SZ.

Bei den anschließenden Ermittlungen der Polizei entlasten ihn die Schüler. Rehabilitiert wird der Lehrer trotzdem nicht. Detlev Thietz leitet das Referat der Schulaufsicht Mitte, er ist für die Carl-Bolle-Grundschule zuständig. Er teilte Inácio-Stech mit, die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens sei „kein Freispruch“. Deshalb werde Inácio-Stech nicht rehabilitiert. Er fordert den Lehrer laut SZ auch auf, sich nicht an die Presse zu wenden, da dies „den Schulfrieden“ gefährden könne.

Die Direktorin der Schule und der Konrektor wollen sich nicht äußern. „Das Leben geht weiter“, sagt Oziel Inácio-Stech. Jetzt wartet er erst mal auf einen Reha-Platz. Danach möchte er wieder unterrichten.

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