Bildungs­senatorin gesteht

Gemobbter Lehrer in Berlin: Beschwerde monatelang nicht gelesen

Der emotionale Fall des gemobbten Lehrers erschüttert die Hauptstadt: Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gesteht das Versäumnis ein.

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Der an einer Berliner Schule gemobbte Lehrer Oziel Inacio-Stech klagt über mangelnde Unterstützung.
Der an einer Berliner Schule gemobbte Lehrer Oziel Inacio-Stech klagt über mangelnde Unterstützung.Hannes P Albert/dpa

Ein Lehrer aus Berlin, homosexuell und krank vor Verzweiflung – und ein Beschwerdebrief, der monatelang unbeachtet bleibt: Dieser Fall sorgt derzeit für große Empörung in der Hauptstadt. Es geht um Mobbing, Diskriminierung und eine Bildungssenatorin, die erst spät reagierte.

Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin des Landes Berlin, hat es mittlerweile eingeräumt: Ein persönlich an sie adressierter Brief von Oziel Inacio-Stech, der sich massiv gemobbt und diskriminiert fühlte, blieb von ihr monatelang ungelesen. Darüber berichtet die Berliner Zeitung. Das Eingeständnis kam, als Abgeordnete im Landesparlament nachhakten. Das Schreiben war bereits im Dezember 2024 per Einschreiben in ihrem Büro eingegangen – gelesen wurde es jedoch erst im Mai 2025, als Medien den Fall öffentlich machten.

In dem neunseitigen Schreiben schildert der Anwalt des betroffenen Lehrers detailliert die belastenden Vorfälle an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit. Dort soll der Pädagoge von Schülern aus muslimischen Familien aufgrund seiner Homosexualität regelmäßig beleidigt worden sein. Auch eine Kollegin soll ihn gemobbt und falsche Anschuldigungen gegen ihn erhoben haben. Die Folge: Seit rund drei Monaten ist der Lehrer krankgeschrieben.

Gemobbter Lehrer in Berlin: Brief wurde weitergeleitet

Die Vorwürfe wiegen schwer – auch gegen das Schulsystem. Denn Lehrer Oziel Inacio-Stech erhebt in seinem Brief schwere Kritik: Weder die Schulleitung noch die Schulaufsicht hätten ihn geschützt. Seine klare Einschätzung: ein „komplettes Systemversagen“.

Günther-Wünsch sieht das anders. Ihrer Darstellung zufolge sei der Brief korrekt weitergeleitet worden – nämlich an die zuständige Stelle für Beschwerden nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Antwort an den Lehrer sei innerhalb von vier Wochen erfolgt. Von einem Versagen könne keine Rede sein: „Es gibt ganz klare Zuständigkeiten, die auch genau in diesem Gesetz hinterlegt sind“, so die CDU-Politikerin.

An der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit soll ein Lehrer lange Zeit gemobbt worden sein.
An der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit soll ein Lehrer lange Zeit gemobbt worden sein.Sebastian Gollnow/dpa

Aber warum hat sie den Brief, der an sie persönlich gerichtet war, nicht gelesen? „Das Land Berlin hat knapp 50.000 pädagogische Beschäftigte. Es kommen nahezu wöchentlich Briefe in die Bildungsverwaltung, die persönlich adressiert sind. Das Ziel ist es, alle Briefe angemessen, das heißt, sowohl zeitlich wie inhaltlich und fachlich zu beantworten. Dieses wird zu jeder Zeit gewährleistet“, so die Bildungssenatorin.

Kritik an Umgang mit gemobbtem Lehrer in Berlin

Doch genau dieses Vorgehen sorgt jetzt für politischen Gegenwind. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener findet deutliche Worte. Er vermutet, die Senatorin habe „anscheinend maximal die Überschrift gelesen“, bevor sie das Schreiben abgab – und zwar ausgerechnet an jenen Mitarbeiter, der in dem Brief als befangen kritisiert wurde. Für Wesener ein Unding: „Sieht so Ihre Verantwortung und Fürsorgepflicht als Dienstherrin aus?“

Brisant: Bereits im September 2024 hatte Oziel Inacio-Stech offiziell eine AGG-Beschwerde eingereicht. Der Dezember-Brief mit der Betreffzeile „Beschwerde nach § 13 AGG“ war also nicht der erste Versuch, Gehör zu finden – sondern ein verzweifelter Nachstoß mit ausführlicher Dokumentation.