Seelower Höhen

Russlands Botschafter besucht Gedenkfeier: „Ich fühle mich bei ihnen wie zu Hause“

Das Gedenken zur Schlacht auf den Seelower Höhen war diesmal heikel. Das Auswärtige Amt hatte geraten, keine russischen Vertreter zur Teilnahme zu bitten. Doch in Seelow lief es anders.

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Bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen (von links): Robert Nitz (parteiloser Bürgermeister von Seelow), Sergej J. Netschajew (russischer Botschafter), Andrei Shuplyak, (Gesandter Botschaftsrat von Belarus) und Friedemann Hanke (stellvertretender Landrat von Märkisch-Oderland).
Bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen (von links): Robert Nitz (parteiloser Bürgermeister von Seelow), Sergej J. Netschajew (russischer Botschafter), Andrei Shuplyak, (Gesandter Botschaftsrat von Belarus) und Friedemann Hanke (stellvertretender Landrat von Märkisch-Oderland).Soeren Stache/dpa

Es gibt militärische Schlachten und es gibt verbale Schlachten. In Seelow kam diesmal beides zusammen. Im Vorfeld der Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag des Kriegsendes und zu 80. Jahrestag der Schacht auf den Seelower Höhen wollte das Auswärtige Amt, dass keine russischen Vertreter eingeladen werden. Grund: der Ukraine-Krieg. In einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte der zuständige Landrat vor wenigen Tagen, er fände es „zutiefst verstörend, auf solche Art Eskalation betreiben“. Am Mittwoch nun wurde der Toten gedacht – und der russische Botschafter war in Seelow dabei.

Im Vorfeld des Gedenkens hatte das Auswärtige Amt aus Sorge vor „russischer und belarussischer Propaganda“ eine „Handlungsempfehlung“ verschickt. Es solle „keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen“ geben. Weiter hieß es: „Sollten Vertreter von Russland oder Belarus bei Veranstaltungen im Inland unangekündigt erscheinen, können Einrichtungen in eigenem Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.“

„Wer hat uns denn damals den Arsch gerettet?“

Das sahen Seelow und die Verantwortlichen der Gedenkstätte aber anders. Trotz des Ukraine-Überfalls durch Russland. Robert Nitz, Seelows Bürgermeister, sagte im Vorfeld: „Nichtsdestotrotz ist das ein sowjetisches Denkmal, ist es unsere deutsche Geschichte. Wer hat uns denn damals den Arsch gerettet?“

Die Schlacht um die Seelower Höhen gilt als größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs fielen hier 33.000 Soldaten der Roten Armee, 16.000 deutsche und 2000 polnische Soldaten.

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, wurde nicht aktiv eingeladen, hatte sich aber selbst für den 16. April angemeldet. Wie in den Vorjahren. Der Kreis Märkisch-Oderland und die Stadt Seelow legten ihnen aber auch nicht nahe, den Ort zu verlassen. Er wurde freundlich begrüßt. Als Moskaus Botschafter in Seelow eintraf, sagte er zu Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU): „Ich bin bei Ihnen wie zu Hause.“ Auch der Gesandte Botschaftsrat von Belarus in Deutschland, Andrej Schupljak, nahm an dem Gedenken teil.

Der russische Botschafter äußerte sein Bedauern über den Ausschluss Moskauer Vertreter bei deutschen Gedenkfeiern zum Kriegsende. Das gereiche den Initiatoren nicht zur Ehre, sagte Netschajew der kremlnahen Moskauer Zeitung Iswestija. „Die Erwägungen der unmittelbaren politischen Konjunktur dürfen nicht Vorrang vor den Fragen der historischen Erinnerung und der historischen Versöhnung der Völker unserer Länder haben.“

Das Außenministerium will eine Instrumentalisierung des Zweiten Weltkriegs durch Russland zur Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verhindern und verteidigt die Empfehlung. „Von russischer Seite steht eben zu erwarten, dass es instrumentalisiert wird und für die Rechtfertigung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung gebracht wird“, sagte ein Sprecher. Das Ministerium wird noch geschäftsführend von Annalena Baerbock (Grüne) geführt.

SPD-Abgeordnete nennt Anweisung des Auswärtigen Amtes „absurd“

Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird in Deutschland darüber diskutiert, wie die Rolle Moskaus bei der Befreiung Deutschlands von der Diktatur unter Adolf Hitler gewürdigt werden soll. Netschajew sagte, dass etwa auf kommunaler Ebene vielerorts russische Vertreter zum Beispiel zu Kranzniederlegungen eingeladen seien.

Der stellvertretende Landrat von Märkisch-Oderland hatte kritisiert, den höchsten Vertreter eines Landes von einem Gedenken an die eigenen Landsleute auszuschließen. „Das ist ja absurd“, sagte Hanke vor der Veranstaltung. „Wenn es Störungen gibt, werden wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen.“

Der russische Botschafter legt Blumen des Gedenkens am Mahnmal in Seelow ab.
Der russische Botschafter legt Blumen des Gedenkens am Mahnmal in Seelow ab.Ina Schoenenburg/Ostkreuz

Die Brandenburger SPD/BSW-Koalition hält die Handreichung ebenfalls für falsch. „Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen, finde ich absolut unakzeptabel“, sagte Lüders. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn nannte die Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts im Inforadio des RBB ebenso „absurd“. Auch die oppositionelle AfD war beim Gedenken dabei. Landeschef René Springer fordert ein „würdiges Gedenken an alle Opfer des Krieges“. ■