Es regnet in Strömen, als der Berliner KURIER hinausfährt nach Berlin-Spandau, am Breitehorn, ganz am westlichen Rand von Berlin. Dort, wo die Havel an kleinen Gärten vorbeizieht, spielt sich eine Tragödie ab! Rund 200 Gärten und den darauf befindlichen Lauben droht Gefahr. Denn nach Jahrzehnten soll das grüne Idyll abgerissen werden, um „der Natur Raum zu geben“, wie es offiziell heißt. Für die zweihundert Pächter ein riesiger Schock! Sie sollen ihre geliebten Rückzugsorte verlieren.
Die Havel fließt in unmittelbarer Nähe der kleinen Holzhäuser am Breitehorn, Enten sitzen mit ihren Küken im nassen Gras, Bäume hängen schwer über dem Ufer. Manche Berliner trotzen dem Wetter, und spazieren mit Schirmen auf der Promenade am Wasser entlang. Walter Meier (73), Vorstandsvorsitzender der Laubensiedlung Breitehorn, begrüßt den KURIER mit einer heißen Tasse Kaffee in seiner moosgrünen Laube. Hier ist nur Platz für eine kleine Küche, ein kleines Schlafzimmer, und ein Wohnzimmer mit großem Tisch und Blick auf das Wasser. Von gegenüber grüßt der Grunewald. Zwischen Blumen, wucherndem Wein und alten Bäumen scheint die Welt noch in Ordnung. Aber - diesem Märchendorf droht der Abriss!

Kleingärtner erfahren von Abriss-Plänen!
Die Siedlung selbst wurde 1938 gegründet. Nach der Wende las Meier eine Zeitungsanzeige, erwarb die Laube für 50.000 D-Mark. Ein stolzer Preis, aber: „Es hat sich gelohnt. Ich wollte raus aus der Westberliner Enge, und hier war so viel Natur.“
Heute säumen rund 200 Parzellen das Havelufer am Breitehorn, verteilt auf drei Vereine. Rund 700 Berliner genießen dort an sonnigen Wochenenden die wassernahe Natur. Aber dann kam Ende Juli plötzlich die Horror-Nachricht. Das Bezirksamt Spandau schrieb in einer Pressemitteilung, für das Parzellen-Gebiet am Breitehorn sei ein „Rückbau- und Neuordnungskonzept“ vorgesehen. Eine Machbarkeitsstudie schlage vor, dass 95 Prozent der Lauben hier zurückgebaut werden sollen. „Diese Nachricht hat bei uns eingeschlagen wie eine Bombe“, erinnert sich Meier. „Viele haben geweint!“
Die Bezirksverwaltung will das Gelände in mehreren Stufen „renaturieren“, wie die Morgenpost zuerst berichtete. „Es ist ein schöner Gedanke, dass man der Natur etwas zurückgeben möchte“, sagt Meier, „aber das Vorhaben hat einen hohen Preis.“ Für ihn und viele andere Pächter ist der Grund schwer zu akzeptieren. „Wir haben unsere Gärten seit Jahren auf insektenfreundliche Bepflanzung umgestellt. Die Artenvielfalt hier ist riesig. Warum soll das jetzt platt gemacht werden, um angeblich mehr Natur zu schaffen?“ Er blickt aus dem Fenster. Sorgenfalten durchfurchen sein Gesicht. Draußen fahren Segelboote vorbei. Regen prasselt an die Fenster.

Meier berichtet weiter. Seit über 50 Jahren, sagt er, verfolge das Bezirksamt Spandau den Plan, die erste Hausreihe am Ufer zurückzudrängen. Jetzt habe das Land Berlin das Gelände vom Bund übernommen und es an den Bezirk Spandau weitergegeben, und der alte Plan werde nun weiterverfolgt. „Ich kann mir nicht vorstellen, meine Hütte abzureißen.“
Laubenbesitzer haben schlaflose Nächte
Meier und der KURIER machen einen Spaziergang entlang der Lauben, vorbei an der Hechtlaichwiese. Der Regen hat mittlerweile nachgelassen. „Das hier ist die Gartenvilla des kleinen Mannes. Die Maßnahme hat auch eine soziale Dimension. So werden Wutbürger geschaffen.“
In Laube 56 sitzen Gisela und Claus Rainer Ernst. Beide sind um die 80 Jahre alt und haben hier am Breitehorn seit den 1980er Jahren ihre zweite Heimat gefunden. „Wir könnten unser Haus gar nicht mehr selbst abbauen, körperlich wie finanziell“, sagt Claus. Gisela nickt: „Uns tut es leid für die jungen Menschen. Wir kämpfen für die Enkel.“

„Es schwebt wie ein Damoklesschwert über uns.“
Wir treffen auf Ruth Fricker am Zaun ihrer Laube. Die Ärztin und Laubenbesitzerin erzählt von schlaflosen Nächten: „Was soll man denn noch mehr an Natur machen. Es ist doch schon Natur! Diese Machbarkeitsstudie hängt wie ein Damoklesschwert über uns“, sie kämpft mit den Tränen und umarmt ihren Hund Balou.
Der Spaziergang führt uns schließlich zum ehemaligen Breitehorner Campingplatz. Ein Zaun erinnert an das einstige Erholungsgebiet. Sonst sind da nur noch Sträucher und verwucherte Buschlandschaft. Hier hat Spandau bereits vor einigen Jahren eine Renaturierung durchgeführt. „Soll so eine verkümmerte Landschaft unser Schicksal werden?“, fragt Meier. „Da kommen bestimmt auch Altlasten aus der Erde, wer kümmert sich?“

Landesverband bedauert den Verlust
In einer aktuellen Stellungnahme vom 5. August 2025 bedauert der Landesverband der Gartenfreunde Berlin, dass Pächterinnen und -pächter mit der Neuordnung des Geländes am Breitehorn ihre Wochenendgärten und damit auch ihre sozialen Netzwerke verlieren könnten. „Zwar soll das Areal am Breitehorn renaturiert werden und bleibt Berlin damit u. a. als Erholungsfläche für die Allgemeinheit erhalten, trotzdem können wir den materiellen und gefühlsmäßigen Verlust der einzelnen Betroffenen nachvollziehen, sind doch Kleingärten aus unseren Mitgliedsverbänden seit jeher als „Bauerwartungsland“ in Berlin in Anspruch genommen worden“, erklärt Gert Schoppa, Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V.
Es geht also auch um die Unterscheidung zwischen Kleingarten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes und Wochenendgärten. Bezirksstadtrat Thorsten Schatz habe dem Landesverband gesagt: „Wir haben daher keinem Kleingärtner gekündigt und werden dies auch zukünftig am Breitehorn nicht tun. Das Bezirksamt Spandau steht weiterhin zu seiner Haltung, Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes zu sichern. Unser Ziel ist es, möglichst vielen Menschen ein Leben im eigenen Kleingarten zu ermöglichen.“
Der Landesverband zeigt dennoch Verständnis für die Sorgen der Pächter: „Wir verstehen den materiellen und emotionalen Schmerz der Einzelnen“, sagt Gert Schoppa, Präsident des Landesverbands Berlin der Gartenfreunde.

Doch für die Nutzer der „Wochenendgärten“ in Breitehorn ist diese Aussage keinerlei Trost. Denn was nicht gekündigt wird, kann dennoch verschwinden. Für sie bleibt klar, wenn sie sich nicht gegen die radikalen Pläne des Bezirk Spandau wehren und protestieren, wird Breitehorn bald nur noch Geschichte sein, über die Unkraut wuchert.