Der Zeitpunkt war gut gewählt. Während am Donnerstag wieder das Signal-Dauerchaos bei der S-Bahn in Berlin tobte, wurde Bahn-Chef Richard Lutz (61) von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) gefeuert. Es werden wohl noch mehr Bosse ihre Posten räumen müssen. Denn heruntergewirtschaftet sei die Bahn, wie man es es gerade bei der S-Bahn sieht. Ob deren Chef nun auch gefeuert wird?
Kein Tag vergeht ohne Zugausfälle und -verspätungen. Signal- und Stellwerkstörungen vor allem auf der Stadtbahn sorgen für Ärger. Vor allem die Ansage der Bahn, dass der Austausch der maroden Technik bis Mitte der 2030er-Jahre dauern soll. Das wären etwa zehn Jahre, die wir dann mit dem Technik-Murks leben müssten, der die Strecken lahmlegt.
Das sind schon genug Gründe für so manchen Fahrgast, jetzt auch den Berliner S-Bahn-Chef Peter Buchner in die Wüste zu schicken. Könnte er wirklich der nächste Kandidat sein?
Dass sich im bundeseigenen Bahn-Konzern etwas ändern soll, hatten CDU und SPD schon in ihrer Koalitionsvereinbarung zu stehen. Von der „Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand“ ist da die Rede. Und so mancher Chef einer Tochtergesellschaft könnte auch davon betroffen sein.
Der KURIER fragte beim Fahrgastverband Igeb und bei Verkehrsexperten nach und ist erstaunt: Obwohl es in diesem Sommer bei der S-Bahn wahrlich nicht zügig läuft, genießt Chef Buchner offenbar ein hohes Ansehen. „Er hat die S-Bahn aus dem Dreck geholt!“, sagt der Verkehrsexperte der Linkspartei, Kristian Ronneburg, dem KURIER.
Die Berliner werden sich noch an das legendäre S-Bahn-Chaos vor über zehn Jahren erinnern, als Züge in Serie ausfielen. Der Grund waren technische Defekte an den Fahrzeugen. Die Folge einer damaligen Politik des Bundes und der Bahn, an Werkstattausrüstung, Material und Personal zu sparen.
S-Bahn-Chef Peter Buchner: „Er hat die S-Bahn aus dem Dreck geholt!“
2009 wurde Peter Buchner S-Bahn-Chef. „Und er hat es geschafft, die S-Bahn aus diesem Chaos herauszuholen“, sagt Ronneburg. Buchner sei ein Mann, der mit Herz und Seele Eisenbahner sei und nicht zu denen bei der Bahn gehöre, die den Laden verwalten, wie ein Bahn-Mitarbeiter dem KURIER sagt.

Rückenstärkung bekommt Buchner auch vom sehr kritischen Fahrgastverband Igeb. „Wir haben ein sehr großes Vertrauen in Peter Buchner und honorieren seine Verdienste rund um die S-Bahn und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm“, sagt Verbandschef Christfried Tschepe. „Von daher gehen wir nicht davon aus, dass es einen Ansteckungseffekt durch den Wechsel im Bahnvorstand gibt.“
Aber der Fahrgastverband hat nicht nur kuschelige Worte für den S-Bahn-Chef. Trotz des Vertrauensbonus erwartet Igeb-Chef Tschepe, „dass die aktuellen Verspätungen und Ausfälle bei der S-Bahn schnellstmöglich behoben werden, was aber nicht zuletzt auch eine politische Aufgabenstellung ist. Es muss Geld in die Hand genommen werden, um eine in die Jahre gekommene Infrastruktur auf Vordermann zu bringen.
Chaos bei der S-Bahn: Daran jat auch die Bundespolitik schuld
Schließlich haben auch die Sparpolitik und die Inkompetenz so mancher Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre zu den bundesweit massiven Problemen bei der Bahn geführt. Einen der Höhepunkte in diesem Drama erleben wir in Berlin.
Dass das Beseitigen der maroden Stellwerk- und Signaltechnik etwa zehn Jahre dauern soll, „das darf und kann nicht sein“, sagt Verkehrspolitiker Ronneburg. Und hier ist nicht die S-Bahn sondern der Mutterkonzern und die Politik in der Pflicht.

So sieht es auch Verkehrspolitiker Johannes Kraft (CDU). Der jahrelange Sparkurs und die erheblichen Planungsdefizite bei der S-Bahn sind nicht Schuld des Chefs der S-Bahn, sondern haben ihren Ursprung im Handeln des gesamten Bahn-Konzerns.
Das sehe man an den Zuständigkeiten, so Kraft. Für Signalanlagen oder den Zustand der Gleise ist ein Teilbereich des Mutterkonzerns ist verantwortlich und nicht die S-Bahn. Kein Wunder, dass nun Chaos auf der Strecke herrsche.
Kraft sagt: „Die Bahn muss mit einem neuen Chef vorliegenden Defizite rasch beseitigen, damit der S-Bahn-Chef und eine Leute endlich ordentlich ihren Job machen können.“ Und der heißt immer noch, die Berliner und Besucher dieser Stadt zügig von A nach B zu – und das mit einer funktionierenden S-Bahn.