Jeden Morgen dasselbe Spiel. Der Wecker klingelt um 6 Uhr früh und ich stelle mir die bange Frage, wie lange ich heute zur Arbeit brauche. Denn ich gehöre zu den 1,5 Millionen Menschen, die täglich mit der S-Bahn in Berlin unterwegs sind und gerade täglich erleben müssen, wie Signal- und Stellwerkstörungen den Zugverkehr auf der Stadtbahn lahmlegen.
Mal sind es Signalstörungen in Bellevue, mal im Tiergarten. Am Dienstag sorgte ein kaputtes Signal in Lichtenberg dafür, dass auf der Stadtbahn nicht alles nach Fahrplan lief. Was folgt, ist Chaos: Züge fahren im 20-Minuten-Takt oder überhaupt nicht!
Und so wird für mich der morgendliche Gang zum S-Bahnhof zum Abenteuer. Ich muss zur Station Griebnitzsee. Von dort dauert die Zugfahrt mit der S7 bis zum Alex normalerweise etwa 50 Minuten. Aber da in diesen Tagen bei der S-Bahn gar nichts normal ist, müssen S-Bahn-Fahrgäste schon etwas mehr Zeit einplanen.
An einem Tag brauchte ich 90 Minuten für die Fahrt, weil eine Bahn ausfiel und der nächste Zug nicht bis zum Alex fuhr, sondern schon Grunewald endete. Alles wegen einer Signalstörung. Der nächste Zug kam dann irgendwann.
Was man mit der Wartezeit auf dem Bahnsteig macht? Na, man schaut mit Interesse, wie sich der Bahnsteig mit immer mehr Leuten füllt, die sich dann mit einem in die nächste S-Bahn drängen.
S-Bahn-Chaos: Was man alles so macht, wenn die Bahn nicht kommt
Oder man liest die Meldungen in Laufschrift auf den Bahnhofsanzeigen. Inzwischen ist die Bahn da ganz schön kreativ geworden. Man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und die Fahrgäste damit schocken, dass wieder ein Signal kaputt ist.
So war heute auf der Anzeige am Bahnhof Griebnitzsee zu lesen: „Verminderte Geschwindigkeit! S7 fährt im 20-Minuten-Takt!“ Die hünsche Umschreibung für „Signal-Reparatur in Lichtenberg! Zugverkehr S5/S7 im 20-Minuten-Takt!“, so wie es dann auf den Anzeigen in Westkreuz stand.

Eigentlich könnte man darüber lachen, wenn das alles nicht so traurig wäre. Das Versagen der Deutschen Bahn, die seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Nahverkehrsmittel der Hauptstadt herunterwirtschaftete, ist ein wahres Trauerspiel. Vor zehn Jahren sorgten Schäden an den Zügen, dass die S-Bahnen nicht richtig fuhren. Jetzt sind es die maroden Signalanlagen, für deren Austausch die Bahn zehn Jahre braucht!
Versagt hat auch die Senatspolitik, vor allem das einst von den Grünen geführte Verkehrsressort. Von der Verkehrswende sprach großspurig die Öko-Partei. Berliner sollen aufs Auto verzichten und auf die Öffis umsteigen. Ist gut für die Umwelt.
Doch dafür muss es bei den Öffis auch richtig rollen. Stattdessen herrscht Chaos bei der S-Bahn und bei der BVG. Hätte vermieden werden können, wenn sich die Senatspolitik in den vergangenen Jahren mehr um den Zustand der Öffis gekümmert hätte.
Trotz Chaos bei der S-Bahn Berlin: Nächste Preiserhöhung droht
Aber die damalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zoffte sich lieber um eine autofreie Friedrichstraße oder plante eine Straßenbahn-Strecke Unter den Linden, die wahrlich keiner braucht. Und auch die heutige CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde träumt lieber öffentlich von einer Magnetbahn, als ein Machtwort bei der S-Bahn zu sprechen. Das will sie ja nun nachholen.
Bei der Krisensitzung mit den Herren von der Bahn kann Bonde auch gleich ganz schnell Träumereien von einer weiteren Tariferhöhung ab Januar 2026 beenden, die vor Wochen der neue Verkehrsverbund-Chef Christoph Heuing ins Spiel brachte und zu der im September noch genaue Details folgen sollen. Schon in diesem Jahr sind die Fahrpreise im Schnitt bei Bus und Bahn um 7,5 Prozent teurer geworden – mit dem Segen der Landesregierungen von Berlin und Brandenburg.