Bis zum 10-fachen

Die große Grundsteuer-Wut: Berliner berichten, was sie zahlen müssen

Wie sieht es bei Ihnen aus: Haben Sie auch schon Post vom Finanzamt mit dem neuen Grundsteuerbescheid bekommen? Besonders  Besitzer von Wochenendgrundstücken leiden.

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Auch das Finanzamt in Berlin-Reinickendorf schickt aktuell Grundsteuer-Bescheide an die Berliner.
Auch das Finanzamt in Berlin-Reinickendorf schickt aktuell Grundsteuer-Bescheide an die Berliner.Andreas Gora/imago

Wie soll ich das zahlen? Diese bange Frage stellen sich gerade viele Berliner Besitzer von Datschen, kleinen Eigenheimen und Eigentumswohnungen – im Osten und im Westen, in Köpenick oder in Spandau. Auslöser für den Schock: Post vom Finanzamt mit den neuen Grundsteuerbescheiden. Nachdem der KURIER berichtet hatte, melden sich immer mehr KURIER-Leser. Teilweise sollen sich die Zahlen ab Januar mehr als verzehnfachen.

Seit Oktober verschicken die Finanzämter die neuen Bescheide, die ersten Berliner haben sie schon bekommen.  Wie Ralf L., der unweit der Ahrensfelder Chaussee in Berlin-Falkenberg wohnt. Ein kleines Grundstück, gerade mal 234 Quadratmeter groß, darauf eine Doppelhaushälfte. „Unsere Grundsteuer erhöht sich von 255 Euro im Jahr auf  706 Euro“, schreibt er uns. „Das ist das 2,8-fache!“

Neue Grundsteuer: „Der Staat kassiert überall ab“

Auch Andrea P. ist sauer: Ihre Grundsteuer für ein Grundstück in Lichtenrade, auf dem ein 1932 erbautes Haus steht, hat sich vervierfacht. „Es ist einfach unglaublich, wie schamlos dieser Staat von allen Seiten abkassiert, mit dem Wissen, dass der Bürger sich nicht wehren kann, weil er gar nicht die finanziellen Mittel dazu hat, Gutachten zu beauftragen oder zu klagen“, sagt sie.

Hans-Joachim Beck vom Immobilienverband Deutschland (IVD) hat im KURIER erklärt, dass es sehr schwierig sei, gegen die neuen Grundsteuerbescheide vorzugehen. Einen Weg zeigte er auf: Wenn man durch ein Gutachten nachweisen kann, dass der tatsächliche Verkehrswert des Grundstücks niedriger ist als der Verkehrswert und der Grundsteuerwert mindestens 140 Prozent des Verkehrswertes beträgt, dann könnte man eine Herabsetzung des Grundsteuerwertes fordern. Aber wie Andrea P. sagt: Das kostet erstmal Geld. Und das haben viele kleine Eigentümer nicht.

Hoffnung haben noch die, die schon vor Monaten gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert Einspruch eingelegt haben. „Das haben auch viele Eigentümer gemacht, weil sie der Auffassung sind, dass das Grundsteuergesetz verfassungswidrig ist“, sagt Steuer-Experte Hans-Joachim Beck. Diese Verfahren ruhten aber derzeit, weil man abwarte, wie das Bundesverfassungsgericht in einigen Musterverfahren entscheiden wird.

Gerald K. ist einer von denen, die rechtzeitig Einspruch eingelegt haben, bevor der Grundsteuerbescheid kam. Er soll ab Januar 2025 für seine Eigentumswohnung am Kurfürstendamm nun 513 Euro statt bisher 213 Euro zahlen. „Bin gespannt, wie es jetzt weitergeht“, schreibt er uns.

Wochenendgrundstücke: Rentnern droht der Verkauf

Aber nicht alle bekommen schlechte Nachrichten vom Finanzamt. Wie Andreas S. aus Berlin-Lichtenberg, dem eine 52-Quadratmeter-Plattenbau-Wohnung gehört, wie er uns mitteilt: „Meine Grundsteuer wurde um 50 Euro gesenkt“.

Am härtesten trifft es aber Eigentümer von kleinen Wochenendgrundstücken, erklärt Steuerberater Enrico Zollfrank aus Berlin-Biesdorf. „Ich werde vermehrt von Eigentümern dieser Wochenendgrundstücke kontaktiert, mit Bitte um Hilfe“, erklärt er. Er berichtet von Fällen, wo die Grundsteuer von etwa 80 Euro auf knapp 1000 Euro steigt. „Das wird als extrem ungerecht und ungerechtfertigt empfunden, insbesondere wenn die Nachbarn in ihren Einfamilienhäusern, die ständig bewohnt sind, ab 2025 weniger zahlen sollen.“

„Und das Schlimmste daran ist, dass ich als Steuerberater kaum eine Chance habe, dagegen vorzugehen“, sagt Zollfrank. Selbst wenn gegen den ursprünglichen Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt wurde und es ein ruhendes Verfahren in dieser Beziehung gibt, „rolle“ der nachfolgende Steuerzug unbeirrt weiter. Gegen den Grundsteuermessbetrag könne man nichts unternehmen, gegen die Grundsteuerbescheide auch nicht, weil sie für sich selbst gesehen fehlerfrei sind.

Besitzer von Wochenendgrundstücken außerhalb von Kleingartenanlagen müssen viel mehr Grundsteuer als vorher bezahlen.
Besitzer von Wochenendgrundstücken außerhalb von Kleingartenanlagen müssen viel mehr Grundsteuer als vorher bezahlen.Zoonar/imago

„Grundstücke dieser Art scheinen bei der neuen Gesetzgebung einfach vergessen worden zu sein“, beklagt der Steuer-Fachmann. Unter Umständen bleibe nur der Verkauf des Grundstücks, wenn sich zum Beispiel Rentner diesen hohen Grundsteuern nicht leisten können, befürchtet Enrico Zollfrank.

Liebe Berliner, wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie schon den neuen Grundsteuerbescheid bekommen? Schreiben Sie uns, wie sich bei Ihnen die Zahlungen ändern werden. Egal, ob für Wochenendgrundstück, Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung. Wir werden weiter berichten. Schicken Sie uns Ihre Informationen an leser-bk@berlinerverlag.com – wir freuen uns über Ihre Zuschriften!