Bald in Brandenburg

Er baute am Fernsehturm mit: DDR-Genie entwickelt größtes Windrad der Welt

In der brandenburgischen Lausitz soll sich ein 364 Meter hohes Windrad drehen – fast so groß wie der Berliner Fernsehturm. Die Idee dazu hatte der Leipziger Horst Bendix.

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Ein Genie und Erfinder aus der DDR: Horst Bendix aus Leipzig entwickelte die Idee für die Höhenwindräder. Der fertige Turm sieht ein wenig aus wie ein Fotostativ oder der Eiffelturm auf drei Beinen.
Ein Genie und Erfinder aus der DDR: Horst Bendix aus Leipzig entwickelte die Idee für die Höhenwindräder. Der fertige Turm sieht ein wenig aus wie ein Fotostativ oder der Eiffelturm auf drei Beinen.Sprind GmbH

Bisherige Windräder sind dagegen nur mickrige Zwerge (90 bis 130 Meter): Im brandenburgischen Schipkau wird jetzt ein Windrad in die Landschaft gerammt, das nur vier Meter niedriger als der Berliner Fernsehturm ist. 364 Meter hoch – das ist Weltrekord!  Entwickelt wurde die Idee von einem legendären DDR-Ingenieur. Einem Mann, der schon am Bau des Fernsehturms mitarbeitete. 

Horst Bendix aus Leipzig ist das technische Genie hinter dem Projekt. Einer, der in der DDR riesige Braunkohlebagger konstruierte. Der Kräne für den Aufbau und eine Kugeldrehverbindung für die bewegliche Kuppel des Berliner Fernsehturms entwarf. Nach der Wende war er Technik- und Forschungschef des Leipziger Schwermaschinenwerks Kirow, heute Weltmarktführer für Eisenbahnkrane und Schlackentransporter, zu DDR-Zeiten Teil des Kombinats Takraf (Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen).

„Ich war ein junger Mann, der etwas werden wollte“, sagte er einmal in einem Interview mit der Zeitung Zeit. Und ja, er sei auch in der SED gewesen, „weil ich wollte, dass Frieden im Land herrscht“. Der Leipziger, promovierter Maschinenbauingenieur, war immer ein Tüftler und Visionär, der als Rentner nicht aufhören konnte zu forschen, auch nicht nach zwei Schlaganfällen. Auch nicht, als der Haussagen schief hing, weil er nicht genug Zeit für Enkel habe, wie seine Frau sagte.

Horst Bendix: Patent mit 86 Jahren

Zum Schluss trieb ihn um, wie man Windräder effektiver und höher bauen konnte als bisher. Denn: Je höher Windräder sind, desto effizienter arbeiten sie, weil der Wind dort oben konstanter und stärker weht. Seine Idee: Windräder, die den Eiffelturm in Paris oder den Fernsehturm in Berlin überragen.

Die Lösung des Maschinenbauers: Er versetzt den Generator, der sich bisher in Nabenhöhe der Rotorblätter befindet, in den Fuß der Konstruktion – und verändert damit den Schwerpunkt. Den Turm selbst kann er dadurch mit leichteren Standard-Stahlrohren konstruieren, was die Gesamtkosten der Anlage deutlich reduziert.

Und wie beim Fernsehturm hatte er auch wieder die Idee mit dem richtigen Dreh: Die Konstruktion soll auf einer drehbaren Bodenplatte errichtet werden, um immer optimal im Wind zu stehen. 2016, mit immerhin schon 86 Jahren, meldete Horst Bendix das Patent für die Höhenwindräder an, am 5. April 2018 wurde das Patent (DE102016014799B4) vom Europäischen Patentamt erteilt. Eine Idee, die jetzt, gut neun Jahre später, Realität wird. Selbst erleben wird Bendix das aber nicht mehr. Er starb am 19. Juni vor einem Jahr mit 93 Jahren.

Auf Fotos ahnt man schon, wie riesig das sogenannte Höhenwindrad werden wird. Den im Mai vergangenen Jahres ging im Windpark Klettwitz bei Schipkau (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) ein 300 Meter hoher Windmessmast in Betrieb. Die „normalen“ Windräder schrumpfen auf dem Foto zu Zwergen, die Kiefernwälder sehen wie Moos am Boden aus. Und jetzt kommen noch einmal 64 Meter dazu, dazu riesige Rotoren.

Es ist Neuland in der Windenergie: der Bau einer mehr als 350 Meter hohen Windkraftanlage. Das Projekt in der brandenburgischen Gemeinde Schipkau in der Lausitz soll 2025 konkrete Gestalt annehmen.

Im ersten Quartal sollen nach Angaben des Unternehmens Gicon in Dresden die Fundamente des bislang einmaligen Höhenwindrades gegossen werden, das fast so hoch ist wie der Berliner Fernsehturm. Mit einer Inbetriebnahme der Forschungsanlage im Windpark Klettwitz (Landkreis Oberspreewald-Lausitz), nur wenige Kilometer vom Senftenberger See entfernt, wird im Herbst 2025 gerechnet.

1000 Höhenwindräder in Planung

Das Unternehmen spricht vom weltweit höchsten Windrad. Die Anlage auf einem ehemaligen Tagebau-Gelände hat eine Nabenhöhe von 300 Metern und erreicht samt Rotoren eine Höhe von 364 Metern. Bisherige Windenergieanlagen sind etwa halb so groß.

Und die 364 Meter sind noch nicht das Limit. Auf die 300-Meter-Nabe können bis zu 100 Meter lange Flügel montiert werden - das wäre in Summe dann eine Höhe von rund 400 Metern. Dann in dieser Höhe der Wind stärker weht, bestätigte auch der vor einem Jahr installierte Windmessmast. 40 Prozent mehr Windenergie, die umgerechnet doppelt so viel Stromausbeute bei gleichem Rotordurchmesser ergeben, lasse sich mit einem Höhenwindrad erzeugen.

„Der Wind hat in dieser Höhe nicht nur höhere Mittelwerte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllaststunden bei Windenergieanlagen in dieser Höhe führt“, sagte Gicon-Gründer Jochen Großmann dem MDR. Das sei vergleichbar mit Offshore-Anlagen auf See, „aber bei Onshore-Betriebsverhältnissen. Das heißt, die Kosten bei der Errichtung und Wartung sind deutlich geringer, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.“

Man ahnt, wie groß das Superwindrad wird: Schon der „nur “300 Meter hohe Windmessmast schrumpft die normalen Windräder in Klettwitz bei Schipkau zu Zwergen.
Man ahnt, wie groß das Superwindrad wird: Schon der „nur “300 Meter hohe Windmessmast schrumpft die normalen Windräder in Klettwitz bei Schipkau zu Zwergen.Patrick Pleul/dpa

Die neuen Superwindräder benötigen keinen zusätzlichen Platz, sondern werden zwischen schon stehende Windräder gesetzt. „Die Türme sind so hoch, dass sich die Rotoren nicht überschneiden und gegenseitig den Wind wegnehmen“, so Großmann.

Das Höhen-Windradprojekt wird im Auftrag einer Tochtergesellschaft der Bundesagentur für Sprunginnovation – der Beventum GmbH – umgesetzt, wie Gicon ankündigt. „Das Interesse für weitere Windräder dieser Art ist sehr groß, und Gespräche mit ersten Nutzern laufen auf Hochtouren.“ Es liefen Abstimmungen für weitere Standorte. Es gebe das Potenzial für 1000 weitere Höhenwindräder bis 2030.

Laut der Beventum GmbH ist für die erstmalige Errichtung eines solchen Höhenwindrades mit Kosten von 25 Millionen Euro zu rechnen. „Wir werden die weltweit höchsten Windräder bauen“, so das Unternehmen. Sie sollen den besonders starken Höhenwind nutzen und als zweite Ebene in schon bestehende Windparks integriert werden.