Frischer Wind für das Berliner Stromnetz. Der Senat hat acht Flächen im gesamten Stadtgebiet reserviert, auf denen künftig gewaltige Windräder in den Himmel wachsen könnten.
Vom beschaulichen Arkenberge im Norden bis hinunter zum grünen Grunewald im Süden – die potenziellen Standorte verteilen sich gleichmäßig auf Ost und West. Um die ehrgeizigen Pläne Realität werden zu lassen, muss der Flächennutzungsplan angepasst werden, schreibt die B.Z. – eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für das Berliner Stadtbild.
Was auf den ersten Blick wie ein nüchterner Verwaltungsakt erscheint, ist in Wahrheit ein Schritt von großer Bedeutung. Berlin will einen gewichtigen Beitrag zur Energiewende leisten – und muss es auch: Laut Bundesvorgabe sind Stadtstaaten verpflichtet, bis 2032 mindestens 0,5 Prozent ihrer Landesfläche für Windkraft auszuweisen. Das entspricht für die Hauptstadt rund 446 Hektar, die als Vorranggebiete ausgewiesen werden müssen.
Schon im Jahr 2022 hatte die damalige Ampel-Koalition mit dem sogenannten Wind-an-Land-Gesetz die Weichen gestellt. Der sportliche Plan: Bis 2030 sollen 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Ein ambitioniertes Ziel, das Windräder mit bis zu 230 Metern Höhe erfordert – gewaltige Anlagen, von denen jede einzelne theoretisch bis zu 3700 Haushalte versorgen kann.
Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht: Aus ursprünglich 31 Flächen wurden acht Favoriten ausgewählt, schreibt die B.Z., der die Liste dazu vorliegt. Diese summieren sich auf rund 596 Hektar – ein bewusster Puffer, um flexibel auf mögliche Einwände und Anpassungen reagieren zu können. Denn die Erfahrung zeigt: Nicht jeder Standort bleibt im Laufe des Beteiligungsprozesses bestehen.
Die acht ausgewählten Zonen reichen von Blankenfelde und Buchholz Nord in Pankow über den Landschaftsraum Wartenberg/Falkenberg in Lichtenberg bis zur Krummendammer Heide in Treptow-Köpenick. Auch die westliche Stadt kommt ins Spiel – etwa mit dem Südlichen Grunewald in Steglitz-Zehlendorf oder dem Gelände am Teufelsberg in Charlottenburg-Wilmersdorf. Spandaus Rieselfelder bei Gatow sowie das Areal Jungfernheide/Tegel komplettieren die Liste.

Aber nicht überall stößt der Plan auf Gegenliebe. Insbesondere in Gatow regt sich bereits heftiger Widerstand. Die dortigen Rieselfelder sind als größtes Landschaftsschutzgebiet Berlins ein sensibles Terrain – zumal die geplanten Riesenrotoren mit Höhen von bis zu 270 Metern auch vom anderen Havelufer aus gut sichtbar wären. Eine besondere Brisanz erhält die Debatte dadurch, dass um die Ecke, in Kladow, viele prominente Politiker wohnen.
Nicht nur der Blick, sondern auch der Schutz von Flora und Fauna spielt bei der Standortwahl eine entscheidende Rolle. So werden Naturschutzgebiete, ökologisch wertvolle Wälder, UNESCO-Welterbestätten und Flächen der Luftfahrt kategorisch ausgeschlossen. Auch Brutplätze bedrohter Vogelarten wie Rotmilan, Weißstorch oder Wanderfalke können Standorte ausschließen – das Risiko von Kollisionen mit den Rotorblättern ist gegeben.
Überall in Berlin herrscht laut Experten ausreichend Wind für Windräder
Ein großer Teil der bevorzugten Flächen ist zurzeit noch als Wald (285 Hektar) oder als landwirtschaftlich beziehungsweise gärtnerisch genutztes Grünland (166 Hektar) im Flächennutzungsplan vermerkt. Nur ein kleiner Anteil – etwa 56 Hektar – entfällt auf Gewerbeflächen. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Überall in Berlin herrscht laut Experten ausreichend Wind. Gemessen in 150 Metern Höhe liegt die Geschwindigkeit durchweg bei den erforderlichen 6,5 Metern pro Sekunde.
Allerdings: Zu Wohngebieten muss ein Mindestabstand von 500 Metern eingehalten werden. Das entspricht in etwa der doppelten Höhe der meisten geplanten Windräder – und soll nicht nur den Lärmpegel, sondern auch potenzielle optische Beeinträchtigungen in Grenzen halten.
Wenngleich der neue Flächennutzungsplan noch keinen unmittelbaren Baubeginn bedeutet, markiert er doch einen Meilenstein. Er ist die notwendige Grundlage für alles Weitere – und Voraussetzung dafür, dass Berlin seine Verpflichtungen erfüllen kann. Schon bis Ende 2027 muss ein Zwischenziel erreicht sein: 0,25 Prozent der Landesfläche sollen dann bereits für Windkraft vorgesehen sein.
Der Bau eines einzelnen Windrades dauert etwa vier Monate
Dabei muss die Hauptstadt die kompletten 446 Hektar nicht zwangsläufig auf eigenem Boden vorhalten. Kooperationen mit anderen Bundesländern sind eigentlich denkbar – sofern diese ihr eigenes Flächenziel bereits erreicht haben. Doch genau diese Option ist ins Wanken geraten. Die entsprechende Frist für solche Staatsverträge lief bereits im Juni 2024 ab. Eine Verlängerung scheiterte an den politischen Turbulenzen rund um die vorgezogene Bundestagswahl. Jetzt ruhen die Hoffnungen auf neuen Verhandlungen mit der künftigen Bundesregierung.
Übrigens: Der Bau eines einzelnen Windrades dauert etwa vier Monate und kostet rund neun Millionen Euro. Der Grundstückseigentümer profitiert durch Pachteinnahmen, der Betreiber erhält eine Einspeisevergütung für den gelieferten Strom.
Wer sich in den Entscheidungsprozess einbringen möchte, hat bald Gelegenheit dazu: Vom 10. Juni bis zum 11. Juli können Bürgerinnen und Bürger ihre Stellungnahmen per E-Mail einreichen. Unter dieser Adresse: windenergie.fnp@senstadt.berlin.de.
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