Die Adler fliegen wieder. In Oberstdorf beginnt die 73. Vierschanzentournee. Ein Blick in die Statistik fördert erstaunliches zu Tage. Die DDR ist zwar seit 35 Jahren Geschichte, beim Skisprung-Spektakel rund um den Jahreswechsel steht sie immer noch auf dem Sieger-Treppchen.
Elf Gesamtsiege gehen auf das Konto von DDR-Athleten, das ist immer noch gemeinsam mit Norwegen Platz drei der Tournee-Historie hinter Österreich und Finnland (beide 16). Mit fünf Triumphen ist der Finne Janne Ahonen (heute 47) einsame Spitze. Dahinter folgt aber bereits Jens Weißflog (60) mit vier. Besonderheit: Der „Floh vom Fichtelberg“ flog zweimal mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz zum Sieg, zweimal mit dem Bundesadler.
Jens Weißflog will in Innsbruck zugucken

Aktuell kümmert sich Weißflog um sein Hotel und Restaurant am Fichtelberg. Aber die Tournee packt den dreimaligen Olympiasieger immer noch: „Ich werde mich zum dritten Springen in Innsbruck auf den Weg machen, um wenigstens ein Springen zu sehen.“ Warum Innsbruck und nicht Oberstdorf oder das Neujahrsspringen in Garmisch? Ganz einfach: „Als Hotel- und Restaurantbetreiber kann ich mir das Silvester-Geschäft nicht entgehen lassen.“
Als erster DDR-Skispringer stand der gebürtige Thüringer Helmut Recknagel (87), der insgesamt sogar dreimal triumphierte, auf dem Siegertreppchen. Der promovierte Tierarzt lebt in Berlin und betreibt mehrere Sanitärhäuser in der Hauptstadt. Wenn man Glück hat, kann man den einstigen Schanzenstar mit seiner Frau beim Shoppen in den „Schönhauser Allee Arcaden“ treffen.
DDR-Skisprung-Boom dank Buna-Matten

Die Olympiasieger Weißflog und Recknagel stiegen zwar als die erfolgreichsten Skispringer auf die Schanzen, waren aber beileibe nicht die einzigen DDR-Adler auf dem Gold-Podium. In den 70er-Jahren schafften das auch Horst Queck (81), Rainer Schmidt (76), Hans-Georg Aschenbach (73) und zweimal Jochen Danneberg (71). 1982 gewann der Sachse Manfred Deckert (63). Insgesamt winkten 30-mal DDR-Skispringer in Bischofshofen von der Ehrenstiege der Medaillengewinner. Neben den Siegern schaffte es zum Beispiel auch der Thüringer Dieter Neuendorf (†80) dreimal aufs Gesamt-Treppchen.
Den Skispringer-Boom im deutschen Osten hatte in den 60er-Jahren Trainer Hans Renner (†50) eingeleitet. Er kam auf die Idee, Buna-Matten aus Kunststoff fürs Sommertraining auf den Schanzen auszulegen. Dadurch verlängerten die DDR-Springer die Trainingsphase und dominierten nicht nur bei der Tournee, sondern auch bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.
Auch Sven Hannawald begann im Osten
Eine Ausnahme unter den Weltklasseskispringern stellt Jens Weißflog noch in einem anderen Fall dar. Weißflog stellte sich mit Hilfe seines Trainers Joachim Winterlich (82) erfolgreich vom Parallel- auf den V-Stil um. Weißflog ist der einzige Schanzenstar, der in verschiedenen Sprung-Stilen olympisches Gold gewann.
Sven Hannawald (50), inzwischen Fernsehmoderator, segelte als erster Athlet 2001/02 auf allen vier Schanzen zu Siegen. Geschickt gesteuert wurden Hanni, Martin Schmitt (46) und Co. da vom leider viel zu früh verstorbenen Bundestrainer Reinhard Heß (†62) aus Suhl. Hannawald, gebürtiger Erzgebirgler aus Johanngeorgenstadt und zweimaliger Skiflug-Weltmeister, begann seine große Karriere einst an der Sportschule beim SC Dynamo Klingenthal. 1991 wechselte er auf das Sportinternat Furtwangen im Schwarzwald. ■