Lubmin: Sonnenaufgang über der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung).
Lubmin: Sonnenaufgang über der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung). Stefan Sauer/dpa

Noch nie war eine Gasempfangsstation so wichtig wie heute. Mit Spannung schauten viele nach Lubmin an Mecklenburg-Vorpommerns Ostseeküste. Kommt das Gas nach der Lieferpause wegen einer Pipeline-Wartung aus Russland oder kommt es nicht? Im Vorfeld war immer wieder die Warnung laut geworden, Putin könne den Gashahn komplett zudrehen. Doch nun läuft es wieder. Vorerst. Und das offenbar auch ohne die viel beschriebene Turbine, die auf russischer Seite einen Kompressor antreibt. Doch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mahnt weiter, man könne sich auf russische Lieferungen nicht verlassen: „Der Gasverbrauch muss weiter runter, die Speicher müssen voll werden.“

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Zehn Tage lang war die Pipeline wegen Wartungsarbeiten stillgelegt, wie sie jedes Jahr stattfinden. In Deutschland und der EU führte das jedoch zu Nervosität: Schon vorher war die auf russischer Seite eingespeiste Gasmenge auf 40 Prozent der Kapazität reduziert worden, wie sie am Donnerstag wieder bereitgestellt wurde, gleichzeitig sorgten  russische Mitteilungen während der Stilllegung  für Unklarheit, ob die Versorgung überhaupt wieder aufgenommen wird.

Putin bringt die nächste Liefer-Minderung ins Spiel

Russland hatte immer wieder auf die Lieferung einer tonnenschweren Turbine gedrängt, die zur Reparatur in einen Betrieb von Siemens Energy nach Kanada geschickt worden war. Kremlchef Wladimir Putin hatte noch am Dienstag damit gedroht, die Durchleitung durch Nord Stream 1 auf 20 Prozent oder 33 Millionen Kubikmeter täglich zu senken, wenn die Turbine bis nächste Woche nicht wieder eingebaut ist. Zur Begründung sagte er, dass dann noch ein weiteres Aggregat in die Reparatur müsse und die Leistung dadurch gemindert werde.

Wo die Maschine jetzt ist und wann sie eingebaut werden kann, wird von allen Beteiligten geheim gehalten. Sie sollte ursprünglich wegen der Sanktionen gegen Russland nicht wieder zurückgegeben werden.

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Trotz der Wiederaufnahme der Lieferungen durch Nord Stream 1 ist der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, nicht entspannt. Wenn in den nächsten Wochen etwa 40 Prozent der Kapazitäten der Pipeline ausgelastet werden, dann wären die schlim Befürchtungen zwar nicht bestätigt, aber: „Es ist nicht das schlimmste Szenario eingetreten, aber von Entwarnung kann ich noch nicht reden.“

Damit spielte er auf die beschriebenen Äußerungen Putins an. Müller: „Wir sind Russland momentan ausgeliefert, weil sie darüber entscheiden, wie viel Gas Nord Stream 1 an uns weiterleitet.“ Umso wichtiger seien Einsparungen und der Bezug aus anderen Quellen.

Die EU und verschiedene EU-Staaten sind entsprechend dabei, solche Quellen zu erschließen. Die EU-Kommission hat außerdem Vorschläge erarbeitet, dass im Notfall die Mitgliedsstaaten zu Sparmaßnahmen beim Gas gezwungen werden können.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden hat davor gewarnt, sich nach den wieder angelaufenen Gaslieferungen aus Russland in Sicherheit zu wiegen. „Unmittelbar scheint die Gefahr massiver Verwerfungen für unsere Wirtschaft gebannt zu sein, wir dürfen jetzt aber nicht den Fehler machen, eine Beruhigungspille zu schlucken“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder am Donnerstag. Die Lage könne sich auch schnell wieder ändern: „Wir wissen es einfach nicht, daher bleibt die Gefahr latent.“

Russengas kommt auch noch durch die Ukraine

Gazprom pumpt nach Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 auch weiter Gas durch die Ukraine nach Westeuropa, trotz des Krieges. Allerdings ist sie nur zu weniger als der Hälfte ausgelastet. Vertraglich möglich wären täglich 110 Millionen Kubikmeter. Gazprom bemängelte erneut, dass die Ukraine die Lieferungen nur noch durch eine Leitung erlaube. Die Ukraine lässt kein Gas mehr über eine Station durch, die in der Region Luhansk liegt und nicht mehr unter der Kontrolle der Ukraine steht.

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Gas sparen, damit Deutschland warm über den Winter kommt

Wieviel Gas durch Nord Stream 1 fließt, hat großen Einfluss darauf, wie Deutschland durch den kommenden Winter kommt.  Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will deshalb auch, dass mehr gespart wird, um die Erdgasspeicher füllen zu können und auch bei einem kompletten Lieferstopp aus Russland noch Reserven zu haben.

Aktuell liegt der Gesamtspeicherstand nach Angaben der Bundesnetzagentur bei 65,1 Prozent.  Die Vorgaben für die Füllstände der Speicher sollen nun noch einmal verschärft werden. Konkret soll für den 1. September ein neues Zwischenziel von 75 Prozent eingefügt werden. Zum 1. Oktober sollen die Speicher statt bisher zu 80 Prozent dann zu 85 Prozent und 1. November statt wie bisher 90 zu 95 Prozent gefüllt sein.

Das sei kaum noch zu schaffen, wenn Nord Stream 1 weiter mit weniger als halber Kraft liefere. Deswegen soll zum 1. Oktober die sogenannte Braunkohlereserve aktiviert werden, wie sie bereits bei der Reserve bei Steinkohlekraftwerken in Kraft ist. Ziel ist es, bei der Stromerzeugung Gas- durch Kohlekraftwerke zu ersetzen und dadurch mehr Gas einspeichern zu können. Zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium solle es eine Verordnung geben, damit der Transport von Kohle im Schienenverkehr Vorrang bekommt.

Wer mit Gas heizt, soll verbindlich die Heizung auf Effektivität prüfen lassen müssen

Bei Habecks geplantem Sparpaket geht es  weiterhin um das Energiesparen in öffentlichen Gebäuden, Betrieben und Büros sowie um einen verbindlichen „Heizungscheck“, ob Gasheizungen richtig eingestellt sind. Vorgesehen sind auch Maßnahmen, um den Energieverbrauch in Wohnungen zu senken. Hausbesitzern soll es künftig untersagt werden, private Pools mit Gas zu beheizen.

Zudem will das Ministerium Habecks mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften über weitere Einsparmöglichkeiten im Arbeits- und Betriebsbereich sprechen. Habeck brachte dazu ein verstärktes Arbeiten im Homeoffice ins Gespräch: „Die Energiebilanz ist dann eine positive, wenn in den Büros nicht geheizt wird und [daheim] Räume genutzt werden, die sowieso geheizt werden.“