Gaslieferungen aus Katar ungewiss: Europa sieht sich jetzt überall nach neuen Gas-Lieferanten um
Aserbaidschan, Algerien und die Vereinigten Arabischen Emirate sollen verstärkt Energie in die EU schaffen.

Auf der Suche nach Alternativen zu russischen Energielieferungen haben europäische Spitzenpolitiker am Montag Verhandlungen mit Aserbaidschan, Algerien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt, und zumindest vorläufige Vereinbarungen erzielt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erreichte bei einem Treffen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew ein vorläufiges Abkommen über die Verdoppelung der Erdgaslieferungen der ehemaligen Sowjetrepublik in die EU innerhalb von fünf Jahren. „Das sind gute Nachrichten für unsere Gasversorgung in diesem Winter und darüber hinaus“, erklärte sie. Gleichzeitig soll Aserbaidschan beim Aufbau von Quellen erneuerbarer Energie unterstützt werden.
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Gas-Pipeline vom Kaspischen Meer bis nach Italien
Das Gas soll über den „Südlichen Gaskorridor“ in die EU transportiert werden, eine 2020 fertiggestellte Kette von Pipelines von den aserbaidschanischen Gasfeldern im Kaspischen Meer über Georgien, die Türkei, Griechenland und Albanien und durch die Adria bis nach Italien. Von dort aus kann Gas auch nach Österreich und Süddeutschland fließen.
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi brachte trotz der Regierungskrise in seinem Land bei einem Besuch in Algier einen Vertrag über die Lieferung von Erdgas im Umfang von rund vier Milliarden Euro unter Dach und Fach. Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune sagte, der Vertrag zur Lieferung einer „bedeutenden Menge Gas“ solle am Dienstag unterschrieben werden.
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Mehr Gas wird aus Nordafrika durch das Mittelmeer nach Europa strömen
Draghi wurde von einer ranghohen Delegation begleitet, der vier Minister angehörten. Sie unterzeichneten in Algier 15 Vereinbarungen in Bereichen wie Energie, Forschung, Pharmazie, Korruptionsbekämpfung und Sicherheitsfragen. Das Gipfeltreffen in Algier unterstreiche, „dass Algerien unser bevorzugter Partner im Energiebereich ist“, erklärte Draghi. Bereits in den vergangenen Monaten sei das nordafrikanische Land „zum führenden Lieferanten für Gas in unser Land geworden“. Statt bislang 21 sollen künftig 25 Milliarden Kubikmeter pro Jahr geliefert werden.
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Tebboune sagte, das Abkommen werde zwischen den Unternehmen Occidental, ENI und Total geschlossen. Die Summe von vier Milliarden Dollar erlaube „die Lieferung einer beträchtlichen Menge Gas“. Es wird über eine Pipeline fließen, die über Tunesien und das Mittelmeer nach Sizilien verläuft. Draghi sagte, Deals wie dieser seien „fundamental für die Europäische Union wie auch für Italien“.
Algerien löst Russland als größten Gas-Lieferanten Italiens ab
Algerien soll in Italien Russland als größten Gaslieferanten ablösen, das vor seinen Liefereinschränkungen 29 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr bereitgestellt hatte. Bereits im April war während eines Besuchs Draghis in Algier eine Übereinkunft zwischen dem algerischen Energiegiganten Sonatrach und dem teilstaatlichen italienischen Energieversorger ENI erzielt worden, die Gaslieferungen auszubauen.
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Das französische Wirtschaftsministerium schloss mit den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Vereinbarung über eine Energiekooperation, während Präsident Emmanuel Macron deren Präsidenten, Mohammed bin Sajed Al Nahjan, empfing. „Die Vereinbarung, die wir mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnen, ist von doppelter strategischer Bedeutung“, erklärte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. „Sie erlaubt uns, dringende Herausforderungen der Energiesicherheit kurzfristig zu adressieren und eine Zukunft ohne Kohle vorzubereiten.“ Auf Details ging sein Ministerium nicht ein.
Noch nichts Greifbares bei Gas aus Katar
Als Vergeltung für wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verhängte westliche Sanktionen hat Moskau die Erdgaslieferungen nach Frankreich Mitte Juni eingestellt und in viele europäische Länder verringert, auch Deutschland. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war schon im März, einen Monat nach Kriegsbeginn, nach Katar gereist, um dort Gaslieferungen zu erbitten. Bislang hat das aber offenbar noch nicht zu Verträgen geführt.