Auf und neben dem Platz

Pulverfass Hertha BSC: Kurve kriegen oder auseinanderfliegen!

Das Team von Trainer Pal Dardai verspielt in kürzester Zeit den Pokaltraum und die Chance auf den Wiederaufstieg. Doch das sind längst nicht alle Probleme.

Author - Sebastian Schmitt
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Die Fans von Hertha BSC aus der Ostkurve sorgen regelmäßig für gute Stimmung. Nun ging vielen der Protest gegen die DFL zu weit.
Die Fans von Hertha BSC aus der Ostkurve sorgen regelmäßig für gute Stimmung. Nun ging vielen der Protest gegen die DFL zu weit.kolbert-press/imago

Nach der Ruhe kommt der Sturm! So kann man derzeit die Lage bei Hertha BSC zusammenfassen. Die Blau-Weißen verspielen innerhalb von drei Tagen den Pokaltraum und die Chance auf die sofortige Bundesliga-Rückkehr. Doch das sind längst nicht alle Probleme. Pulverfass Hertha BSC: Kurve kriegen oder auseinanderfliegen!

Mühsam zog sich Hertha nach dem Abstieg im Sommer aus der Krise. Die Lizenz bekam der wirtschaftlich schwer angeschlagene Klub nur nach einem Kraftakt und auf den letzten Drücker. Sportlich startete man nach dem Fehlstart in der Zweiten Liga eine Aufholjagd, sodass man, wie von Cheftrainer Pal Dardai erhofft, vor Weihnachten wieder in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen war – nur um im Jahr 2024 alles innerhalb kürzester Zeit zu verspielen.  

Nach zehn Gegentoren in vier Pflichtspielen, dem geplatzten Pokaltraum und einem mickrigen Punkt in der Liga hängt der Haussegen schief. Dardai geht mit einigen Spielern hart ins Gericht, zählt sie nach Fehlern öffentlich an: „Bei den Sechsern muss keiner denken, dass er Stammspieler ist. Da muss die Leistung stimmen. Da ist noch Luft nach oben.“

Fans diskutieren über Hertha-Trainer Pal Dardai

Apropos Dardai: Der Ungar spaltet wie schon in der Vergangenheit die Fanszene in zwei Lager. Für die einen besitzt Dardai, der zweimalige Retter und Rekordspieler, Legendenstatus und steht außer Frage. Andere sehen unter ihm keine Weiterentwicklung und werfen Dardai vor, sich im Pokal-Aus gegen Kaiserslautern, bei dem Hertha in der ersten Halbzeit mit einer Dreierabwehrkette planlos agierte, vercoacht zu haben. 

Kapitän Toni Leistner streckte sich vergebens: Die Ultras von Hertha BSC sorgten mit ihren Tennisball-Protest fast für einen Spielabbruch gegen den Hamburger SV
Kapitän Toni Leistner streckte sich vergebens: Die Ultras von Hertha BSC sorgten mit ihren Tennisball-Protest fast für einen Spielabbruch gegen den Hamburger SVmix1/imago

Apropos Fans: Seit langer Zeit sorgten die Ultras mal wieder für negative Schlagzeilen. Während ihr Tennisball-Protest beim 1:2 gegen den Hamburger SV vielen viel zu lange dauerte, verteidigten sie ihre Aktion, mit der sie das Spiel mehr als 30 Minuten unterbrachen und an den Rande eines Abbruchs brachten – und ihren klammen Herzensklub, der bekanntlich sogar gegen den Einstieg von Investoren bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) stimmte, blechen lassen. Dardai: „Jetzt müssen wir bestimmt zahlen, und für uns ist jeder Cent wichtig.“

Stürmer Fabian Reese (26) könnte Hertha BSC im Sommer bereits wieder verlassen. 
Stürmer Fabian Reese (26) könnte Hertha BSC im Sommer bereits wieder verlassen. Jan Huebner/imago

Den Ultras ist das scheinbar schnuppe. Man habe sich bewusst „für die besonders lange, besonders bohrende und besonders anstrengende Protestform entschieden“, hieß es von der Gruppierung Harlekins 98. Nur so sei der Protest, der seit Wochen in fast allen Fanlagern stattfindet, „wieder sichtbarer“ geworden. Die Befürchtung der Fans: Der Investoren-Einstieg könnte zu einer weiteren Zerstückelung des Spieltags, der Austragung von Spielen im Ausland sowie einer Beschädigung der 50+1-Regel führen.

Hertha BSC droht Abgang von Fabian Reese

Hertha-Geschäftsführer Tom Herrich und Dardai zeigten zwar Verständnis, kritisierten aber unisono die lange Unterbrechung, die den Spielfluss gestört habe. Herthas Topscorer Fabian Reese (26) wirbt für einen Dialog: „Beide Seiten sollten aufeinander zugehen. Wir haben eine unglaubliche Fußballkultur in Deutschland. Diese DNA darf uns nicht verloren gehen. Da müssen wir einen Weg finden, dass wir da näher zueinander kommen.“

Apropos Reese: Der Ausnahmespieler identifiziert sich zwar seit dem ersten Tag seines Wechsels im Sommer zu 100 Prozent mit Hertha BSC. Gleichzeitig macht der einst noch von Fredi Bobic ablösefrei aus Kiel verpflichtete Linksaußen stets klar, dass er in der nächsten Saison Bundesliga spielen will. Mit Hertha scheint das nach dem Fehlstart ins neue Jahr so gut wie ausgeschlossen. Bedeutet: Hertha droht der Verlust des besten Spielers. 

Fabian Drescher wird kein Hertha-Präsident

Apropos Bobic: Mit dem Ex-Hertha-Manger kommt es im Februar zum Showdown vor Gericht. Bobic klagt gegen seine fristlose Kündigung im Januar 2023, die laut dem gestorbenen Präsidenten Kay Bernstein damals „wohlüberlegt“ war. Sollte Bobic den Prozess gewinnen, klafft in der klammen Hertha-Kasse ein neues Millionen-Loch

Und als wäre das alles nicht genug, droht Hertha BSC auf der Suche nach einem neuen Präsidenten abermals eine Zerreißprobe. Vize- und nach dem Tod Kay Bernsteins Interimspräsident Fabian Drescher wird dem Vernehmen nach im Herbst eher nicht kandidieren.