Geschichte der „Roten Fini“

Diese Frau ließ die DDR-Millionen verschwinden

Rudolfine Steindling war elegant, klug – und eine Meisterin der Tarnung. Für die SED schleuste sie Millionen über geheime Konten ins Ausland. Nach der Wende begann eine jahrzehntelange Jagd nach dem verschwundenen Geld

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Rudolfine Steindling war elegant, klug – und eine Meisterin der Tarnung. Sie ließ Teile des DDR-Vermögens verschwinden.
Rudolfine Steindling war elegant, klug – und eine Meisterin der Tarnung. Sie ließ Teile des DDR-Vermögens verschwinden.dpa

Noch immer sind nicht alle Finanzverstecke entschlüsselt, die Rudolfine Steindling einst angelegt haben soll. Die Österreicherin war zu DDR-Zeiten eine der diskreten Schlüsselfiguren im Schattenreich der Parteifinanzen – eine Frau, die der SED heimlich zu Millionen verhalf.

Nach dem Mauerfall setzte die „Rote Fini“ alles daran, dieses Geld verschwinden zu lassen. Eine Operation, die sie zur Legende machte – irgendwo zwischen High Society und grauer Eminenz des Ost-West-Handels.

Rudolfine Steindling, oft als „Chanel-Kommunistin“ oder „moderne Bankräuberin mit Perlenkette“ beschrieben, war laut RBB mehr als nur eine clevere Geschäftsfrau. Sie verkörperte eine ungewöhnliche Mischung aus Wiener Grandezza, politischem Kalkül und eiskalter Finanzakrobatik.

Über Jahrzehnte hinweg war sie die diskrete Architektin eines Wirtschaftsimperiums im Hintergrund – und später die Schlüsselfigur in einem der größten Jagdspiele auf verschwundene Parteivermögen.

Ihr Aufstieg begann in Wien, wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Sekretärin in einer Bank arbeitete. Bald übernahm sie leitende Aufgaben, heiratete den Direktor – was sie zwang, ihre Stelle aufzugeben – und wechselte daraufhin in die Finanzabteilung der Kommunistischen Partei Österreichs. Der wahre Karrieresprung erfolgte allerdings 1978, als sie die Leitung der Ost-Berliner Firma Novum übernahm.

Diese Firma war alles andere als ein gewöhnliches Unternehmen. Offiziell österreichisch, operierte sie im Interesse der SED – ein Paradebeispiel für die verborgenen wirtschaftlichen Netzwerke des Ostens.

Novum fungierte als zentrale Schnittstelle im geheimen Handel zwischen der DDR und dem Westen. Allein mit Österreich wickelte das Unternehmen laut Experten bis zu 60 Prozent des DDR-Außenhandels ab – ein Großteil davon am offiziellen Staat vorbei.

Rudolfine Steindling, die moderne Bankräuberin mit Perlenkette

Novum war in der Lage, Waren aus dem Westen zu beschaffen, ohne dass sie den strengen DDR-Regularien unterlagen. Sogar ein Stahlwerk in Eisenhüttenstadt konnte so entstehen, ohne Einfuhrzölle oder bürokratische Hürden – möglich gemacht durch die juristische Konstruktion der Firma und den Einfluss Steindlings.

Aber mit dem Ende der DDR schien auch die Zeit dieser Tarnfirmen vorbei. Der Plan war, das verbliebene Vermögen über eine Treuhandstelle (die BvS) den neuen Bundesländern zugutekommen zu lassen. Doch im Fall Novum gab es ein Problem – das Geld war plötzlich weg. Was als Routineabwicklung gedacht war, wurde zum internationalen Krimi.

Steindling hatte schon in den 80er-Jahren eine Reihe von Konten bei Schweizer und österreichischen Banken eröffnet. Nach dem Umbruch wurden diese Konten 1991 und 1992 plötzlich geräumt. Mehr als 60 Kontobewegungen führten Gelder in verschiedene Länder ab – darunter Hongkong, Israel, die Schweiz und die USA. Wirtschaftlich nachvollziehbar waren diese Transfers laut Ermittlern nicht.

Rudolfine Steindling tauchte in Tel Aviv ab

Neben diesen Transaktionen ließ sich Steindling mehr als 127 Millionen Euro in bar auszahlen – von einem Konto, das auf die Firma Novum lief. Was sie mit dem Bargeld tat, blieb ungeklärt.

Die Bundesregierung startete eine beispiellose Suche. Über 15 Jahre wurde recherchiert, verhandelt und gestritten – national wie international. Erst nach etlichen Prozessen in mehreren Instanzen gelang es, einen Teil des Geldes wiederzubeschaffen.

Ihr letztes Lebenskapitel schrieb Rudolfine Steindling in Tel Aviv.
Ihr letztes Lebenskapitel schrieb Rudolfine Steindling in Tel Aviv.Chromorange/imago

In drei großen Verfahren, so der RBB, entschieden die Gerichte letztlich zugunsten der BvS, was dazu führte, dass rund eine halbe Milliarde Euro aus dem Novum-Vermögen zurückfloss. Der größte Teil wurde durch Urteile gegen zwei Schweizer Banken sichergestellt – 2013 und 2020.

Auch Steindling selbst wurde zur Rechenschaft gezogen. 2009 verlor sie vor Gericht gegen die Bundesregierung und wurde zu einer Rückzahlung von mehr als 100 Millionen Euro verurteilt.

Ihr letztes Lebenskapitel schrieb sie in Tel Aviv. Dort trat sie öffentlich als Förderin von Kunst und Kultur auf. Ihre Rolle als Finanzstrategin eines untergegangenen Staates blieb ein Schatten, der sie bis zum Ende begleitete. Viele Details ihrer Operationen blieben ungeklärt – auch deshalb ist ihr Name bis heute eng mit einem der mysteriösesten Kapitel der deutsch-österreichischen Finanzgeschichte verbunden.

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