Die Geschichte der verschwundenen SED-Milliarden ist bis heute ein Krimi. Über verschiedene Kanäle brachten Funktionäre, Gewährsleute und Ex-Ost-Agenten nach der Wende das Parteivermögen ins Ausland. Dort verschwanden die ungeheuren Summen – in Tresoren, auf Konten, bei Geldwäscheaktionen. Manches floss zurück, aber nur wenig davon konnte sichergestellt werden.
Eine der Schlüsselfiguren bei diesen Transaktionen nach der Wende war die „Rote Fini“. Die Österreicherin Rudolfine Steindling war eine Meisterin im Schattenreich der Parteifinanzen. Sie verhalf der SED nicht nur zu Millionen, sie brachte das Geld auch in Sicherheit. Allerdings war sie nicht die einzige.
Unter der Überschrift „Der Milliardenklau“ veröffentlichte der Historiker und ehemalige Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, einen aufschlussreichen Aufsatz, in dem er minutiös beschreibt, über welche Wege das DDR- und SED-Vermögen in „Sicherheit“ gebracht wurde. Moskau spielte dabei eine nicht unbedeutende Rolle.
Davor allerdings war es der westdeutsche Finanzminister Theo Waigel von der CSU gewesen, der in dem Spiel eine unglückliche Figur abgab – und überhaupt erst ermöglichte, dass die machtverwöhnten früheren SED-Funktionäre auf einmal so viel Geld hatten.
Denn als am 1. Juli 1990 in Deutschland der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft trat, wurden die alten Bonzen über Nacht zu Devisenmillionären. Schließlich war auch das Vermögen der DDR-Parteien zum Kurs von 2:1 in D–Mark umgetauscht worden. Durch die Währungsunion wurde die entmachtete SED, die sich im Februar in PDS umbenannt hatte, zur reichsten Partei Deutschlands. Jetzt ging es um die Frage: Wohin mit dem ganzen Geld der DDR?
Um wie viel Kohle es dabei ging, ist bis heute nicht restlos geklärt. Hubertus Knabe schreibt: „Die Partei selbst bezifferte ihre Geldbestände zum 1. Dezember 1989 auf die für Ostdeutsche unvorstellbare Summe von 6,13 Milliarden DDR-Mark. Dieses Vermögen wurde im Zuge der Währungsunion zum Kurs von 2:1 auf D-Mark umgestellt. Auf heutige Verhältnisse umgerechnet, waren dies – ohne Inflationsausgleich und Kaufkraftverlust – mehr als 1,5 Milliarden Euro.“ Hinzu kamen wohl noch rund 90 Millionen D-Mark auf ausländischen Konten. Deren Existenz habe die Partei lange verschwiegen.
Es war nicht nur Geld, das die SED/PDS besaß
Aber es war nicht nur Geld, das die SED/PDS besaß. Auch 1677 Grundstücke und Gebäude zählten dazu. Deren Wert wurde nach der Währungsunion auf weitere zehn Milliarden D-Mark geschätzt. Knabe: „Zudem gehörten ihr zahlreiche Unternehmen, darunter fast alle Zeitungs- und Großdruckereien in Ostdeutschland mit allein 35.000 Beschäftigten. In ihrem Besitz befanden sich weiterhin die DEFA-Filmgesellschaft, mehrere Buchverlage, der Genex Geschenkdienst, das Außenhandelsunternehmen Novum sowie verschiedene Firmen im Ausland, die allein einen Wert von 149 Millionen D-Mark hatten. Last but not least waren die Panzerschränke im Keller des Zentralkomitees vollgestopft mit Dollars, Silberbarren, Münzen, Uhren und Zahngold für die Plomben der Politbüro-Mitglieder.“
Mal abgesehen davon, dass viele der „Besitztümer“ dieser Partei später an westdeutsche Institutionen und Privatleute verscherbelt wurden, stellt sich natürlich die Frage: Was macht man mit solch einem Milliardenvermögen, wenn man nicht möchte, dass der Staat und der politische Gegner darauf zugreift?

Es gab verschiedene Möglichkeiten. Rudolfine Steindling zum Beispiel hatte in den 80er-Jahren mehrere Konten bei Schweizer und österreichischen Banken eröffnet. Nach der Wende wurden die Konten 1991 und 1992 über Nacht geräumt. Bei mehr als 60 Kontobewegungen floss das Geld in verschiedene Länder ab – darunter Hongkong, Israel, die Schweiz und die USA. Für die Ermittler waren die Transfers wirtschaftlich nicht nachvollziehbar.
Und es gab weitere undurchsichtige Kanäle, in denen das Vermögen der alten DDR-Funktionäre versickerte. Noch mal Hubertus Knabe dazu: „Wie die Parteioberen dies bewerkstelligten, bietet Stoff gleich für mehrere Krimis. Die kriminelle Energie, mit der sie dabei zu Werke gingen, straft ihre vollmundigen Bekenntnisse zu sozialer Gerechtigkeit Lügen – denn dieses Geld sollte eigentlich den Ostdeutschen zugutekommen.“
DDR-Arbeitsgruppe zum Schutz des Vermögens der SED/PDS
Eine spezielle „Arbeitsgruppe zum Schutz des Vermögens der SED/PDS“ sei ausschließlich damit beschäftigt gewesen, so viel wie möglich von ihren Milliarden zu retten. Unter anderem wurde die Idee entwickelt, „sich zur Vermögenssicherung der Vergabe von Darlehen zu bedienen und diese mit Treuhandverhältnissen zu kombinieren“.
Zuverlässigen Genossen wurde also ein Batzen Geld „geliehen“, die damit dann ein privates Unternehmen gründeten. „Sie waren aber nicht selbst Besitzer, sondern fungierten als Treuhänder der Partei, worüber strikte Verschwiegenheit vereinbart wurde. Das so verschobene Geld sollte später an die SED/PDS zurückfließen“, so Knabe.
Legendär wurde der sogenannte Putnik-Deal. Er ist gut dokumentiert, weil er später vor Gericht landete. Im Kern ging es darum, einen Teil des Parteivermögens auf Konten der sowjetischen Truppen in der DDR zu „parken“. Zumindest war das der Plan. Aber die Russen schlugen vor, anders zu verfahren.
Der Geschäftsführer des sowjetischen Zentralkomitees meinte, man solle so tun, als hätte die PDS noch Altforderungen der KPdSU zu begleichen. Am besten solle die Partei das Geld an eine sowjetische Firma mit Konten im Ausland überweisen, da die Lage auch in Moskau politisch unsicher sei. Den Zugang zu dem Geld könne sie sich zum Beispiel über einen zuverlässigen Genossen sichern. Der benötige dafür bloß eine Bankvollmacht. Die PDS war sofort Feuer und Flamme.

Knabe: „Der damalige Kreisvorsitzende der PDS in Halle, Karl-Heinz Kaufmann, erhielt den Auftrag, sich von der Moskauer Firma Putnik eine Generalvollmacht ausstellen zu lassen und damit im In- und Ausland diverse Konten einzurichten. Gleichzeitig verfasste er im Namen von Putnik mehrere Mahnschreiben, in denen er gegenüber der Partei Altforderungen in Höhe von 107 Millionen D-Mark geltend machte.“
Und weiter: „Zwölf Millionen D-Mark sollte zum Beispiel die angebliche Behandlung von Augenkrankheiten von Dritte-Welt-Studenten gekostet haben, 25 Millionen die Errichtung eines ,Zentrums der Internationalen Arbeiterbewegung‘. Anschließend veranlassten Parteivize Pohl und PDS-Finanzchef Wolfgang Langnitschke, dass die Gelder über die Deutsche Handelsbank in Ost-Berlin nach Norwegen und in die Niederlande überwiesen wurden. Für seinen Einsatz erhielt Kaufmann in Absprache mit dem Parteipräsidium 3,2 Millionen D-Mark.“
Banken ließen Schieberei der DDR-Partei auffliegen
Pech nur, dass die Empfängerbanken nicht mitspielten. Sie schöpften Verdacht und machten der PDS einen Strich durch die Rechnung. Nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) informiert worden war, wurde noch am selben Tag, dem 18. Oktober 1990, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Und weil Deutschland wiedervereinigt war, durften Ermittler die Parteizentrale und die Wohnung von Kaufmann durchsuchen.
Hubertus Knabe dazu: „Die Polizei wurde unerwartet schnell fündig. Unter anderem entdeckte sie bei Langnitschke einen Zettel für Parteivize Pohl, dem zufolge der Chef der Handelsbank ,dringend entweder mit Dir oder Gregor sprechen‘ müsse. ,Er meint, es laufen Dinge, welche für die Partei eine äußerste Gefahr darstellen.‘ Kurz darauf flog PDS-Chef Gysi nach Moskau – ‚entrüstet über den Dilettantismus‘, wie das Berliner Landgericht später feststellte –, um die KPdSU ,zur Aufrechterhaltung der Legende hinsichtlich bestehender Altforderungen zu bewegen‘. Dieser wurde die Sache jedoch zu heiß und sie lehnte ab.“

Man einigte sich schnell darauf, dass Pohl und Langnitschke die alleinige Verantwortung für die Schieberei übernehmen sollten. Während Pohl sich dieser Version der Geschichte beugte, lehnte Langnitschke dies ab. Er war überzeugt, im Auftrag der Partei gehandelt zu haben. Tatsächlich sprach das Landgericht Berlin beide 1995 vom Vorwurf der Untreue frei.
PDS-Finanzchef Langnitschke gab später umfassend Auskunft. Er starb kurz darauf am 8. Juni 1998 in der Schweiz, als er auf einem Zebrastreifen von einem Auto überfahren wurde.
Wie viel Geld die PDS verschwinden ließ und wer davon bis heute profitiert, ist kaum noch zu festzustellen. Als die Treuhandanstalt im August 1991 sämtliche Parteikonten beschlagnahmte, waren von den einst 6,13 Milliarden DDR-Mark nur noch 200 Millionen D-Mark übrig geblieben, weiß Knabe.
Der Historiker: „Immerhin konnte die Untersuchungskommission in 16-jähriger Arbeit mehr als eine Milliarde Euro an Immobilien, Geldbeständen und anderen Vermögenswerten sicherstellen. Doch allein die Suche danach kostete den Steuerzahler über 130 Millionen Euro.“