Dysfunktionale Verwaltung

Verwaltungsreform in Berlin: Letzte Runde für Behörden-Pingpong

Heute hat der schwarz-rote Senat den Entwurf über die Verwaltungsreform beschlossen.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Behörden schieben sich in Berlin gegenseitig die Verantwortung zu. Das lähmt.
Behörden schieben sich in Berlin gegenseitig die Verantwortung zu. Das lähmt.Imago / Guido Schiefer

Schon etliche Politiker versuchten sich seit der Wende in Berlin an einer Verwaltungsreform – bisher vergeblich. Nun soll der große Wurf endlich gelingen. Läutet der schwarz-rote Senat heute die letzte Runde Behörden-Pingpong ein?

Die geplante Verwaltungsreform in Berlin ist zumindest einen wichtigen Schritt vorankommen. Nach langer Vorarbeit beschloss der Senat zur Umsetzung ein Gesetzespaket und einen Vorschlag für Verfassungsänderungen, wie der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mitteilte. „Heute ist ein guter Tag für Berlin“, sagte er.

Das Behörden-Pingpong: In Berlin ist das Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten zwischen Bezirken und Landesebene gelebtes Brauchtum. Behörden-Pingpong, das bedeutet die Regentschaft selbstherrlicher Bezirksstadträte, die mit bezirklicher Mikropolitik am Senat vorbei agieren. Es beinhaltet ein Freizeit-Bezirksparlament wie die BVV in den Bezirken, herrschafts- und weisungsfreie Räume, die den Berliner Alltag lähmen. Selbst kleinste Vorhaben wie das Anpinseln eines Zebrastreifens dauern ewig, weil erst langwierig Zuständigkeiten geklärt werden müssen.  Die Wirtschaft ächzt, der Bürger ächzt. Sondergenehmigungen, Baustelleneinrichtungen, Parkplatzbewirtschaftung, wer zur Hölle ist bloß zuständig?

Zuletzt machte das Berliner Behörden-Pingpong etwa Schlagzeilen, als man sich nicht darüber einig werden konnte, wer für die Genehmigung von Anträgen sogenannter Social Clubs, die Gras anbauen wollen, zuständig ist. Bezirk oder Senatsverwaltung? Oder wer hatte über eine Baustellenpumpe in Friedrichshain zu befinden, die Bürgern nachts den Schlaf raubte? Bezirk oder Verkehrsverwaltung? Selbst bei Presseanfragen heißt es immer wieder: Wir sind nicht zuständig, fragen sie in den Bezirken nach. Die spielen den Ball dann lässig an den Senat zurück. Der Fragesteller gibt irgendwann zermürbt auf.

Verwaltungsreform Berlin: Dem Zuständigkeits-Dschungel Herr werden

Seit Jahren versuchen Politiker, dem kafkaesken Zuständigkeits-Dschungel Herr zu werden. Kai Wegner machte 2023 die dringend nötige Verwaltungsreform zur Chefsache. Die Mehrheiten im Parlament sind günstig. Wenn nicht jetzt, dann nie.

Heute kommt das Mammutgesetz, das unter anderem auch eine Verfassungsänderung erfordert, einen wichtigen Schritt weiter.

Effizienter, bürgernäher und fortschrittlich: so soll Berlins Verwaltung arbeiten.
Effizienter, bürgernäher und fortschrittlich: so soll Berlins Verwaltung arbeiten.Sebastian Gollnow/dpa

Was genau ist bei der Verwaltungsreform geplant?

Im Wesentlichen ist der Fahrplan für eine funktionierende Verwaltung einer Stadt wie Berlin ausgehandelt: Kern der Reform ist das Gesetzespaket mit einem Landesorganisationsgesetz. Zudem sind mehrere Änderungen der Landesverfassung geplant. So soll dort das sogenannte Konnexitätsprinzip verankert werden. Der Senat muss für Aufgaben, die die Bezirke erfüllen müssen, die nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Klarer geregelt werden soll, wann der Senat in bezirkliche Angelegenheiten eingreifen darf, aber auch, dass die Bezirke frühzeitiger und verbindlicher in Planungen des Senats einbezogen werden müssen.

Wer ist wofür in Berlin zuständig?

Eine sogenannte Einigungsstelle wird neu geschaffen, die bei vorprogrammierten Konflikten zwischen Landes- und Bezirksebene eine Lösung finden soll. Alle Aufgaben der Berliner Verwaltung werden außerdem in einem einheitlichen Katalog dargestellt, der bisher rund 4.500 Punkte umfasst und noch nicht vollständig ist. Besonders krass: In dem Aufgabenkatalog befinden sich mehrere Hundert Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, für die sich bisher keine Behörde – weder auf Landes- noch auf Bezirksebene – zuständig sieht.

Die Einigungsstelle besteht aus jeweils drei Vertretern der Bezirke und des Senats sowie einem unabhängigen Vorsitzenden. Diskussionsbedarf besteht nun noch darüber, dass der Senat in Einzelfällen, die er aber selber definiert, die Einigungsstelle überstimmen dürfen soll.

Senat soll mehr klare Ansagen machen

Ziel der Reform ist es, die gesamtstädtische Steuerung der Verwaltung durch die Landesebene zu verbessern. Im Klartext heißt das: Der Senat macht mehr klare und einheitliche Ansagen in Richtung Bezirke, die setzten die große Linie des Senats auch um. Gleichzeitig sollen die Bezirke mehr Mitsprache bekommen. Experten warnen: Vor allem darf es keine neue Abstimmungsbürokratie zwischen den Senats- und Bezirksverwaltungen geben.

Alle Beteiligten hoffen, dass die Verwaltung dann effizienter arbeitet und vor allem bürgerfreundlicher wird - Menschen, die Anliegen an Behörden haben, sollen also schneller und freundlicher bedient werden. Die Verwaltung muss dazu lernen, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger, aber zum Beispiel auch der Wirtschaft in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Das ist ein Prozess, der nicht nur durch neue gesetzliche Regeln erreicht werden kann. Nötig ist dazu auch eine andere Kultur in manchen Amtsstuben.

Martina Klement (CSU), Digitalstaatssekretärin in Berlin soll die Berliner Verwaltung auf Kurs bringen.
Martina Klement (CSU), Digitalstaatssekretärin in Berlin soll die Berliner Verwaltung auf Kurs bringen.Jens Kalaene/dpa

Woher kommt das Berliner Behörden-Pingpong?

Die Ursache für die zweigeteilten Zuständigkeiten in Berlin liegen tief in der Historie der Stadt. Als Berlin und sein Umland kräftig wuchsen, sollte das Groß-Berlin-Gesetz 1920 eine gemeinsame Stadt schaffen. Auch dagegen gab es heftige Widerstände. Um die Bezirke zu besänftigen, wurden die Kompetenzen zwischen Bezirken und Magistrat damals nur vage verteilt. Immerhin gelang es,  Gas-, Wasser- und  Elektrizitätsversorgung zu vereinheitlichen und einen gemeinsamen Verkehrsbetrieb zu schaffen. Nun, über hundert Jahre später, soll Berlin auch in funktionaler Hinsicht zu mehr Einheit zusammenwachsen.

Teil der Reform ist neben Verfassungsänderungen ein im Dezember auf den Weg gebrachtes Gesetzespaket mit einem Landesorganisationsgesetz. Dieses wurde nun verabschiedet, nun ist das Abgeordnetenhaus am Zug ist. Der endgültige Beschluss der Verwaltungsreform nach zweiter Lesung ist „idealerweise“ vor der Sommerpause geplant. In Gänze greifen soll die Reform ab dem 1. Januar 2026. ■