Durchfaller-Schüler

Eltern kämpfen bis aufs Blut für Gymnasialplätze: Gericht entscheidet!

Beim Probeunterricht fürs Gymnasium rasselten 97 von 100 Berliner Kindern durch. Jetzt ist das Geschrei groß. Eltern der betroffenen Schüler klagen.

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Probeunterricht fürs Gymnasium. In Berlin rasselten 97 von 100 Schülerinnen und Schülern durch.
Probeunterricht fürs Gymnasium. In Berlin rasselten 97 von 100 Schülerinnen und Schülern durch.Funke Foto Services/imago

Es brodelt mal wieder in Berlin. Etliche Familien wollen sich nicht damit abfinden, dass ihren Kindern der Weg zum Gymnasium versperrt bleibt. Sie ziehen vor Gericht, um doch noch einen Platz zu ergattern – und es könnten noch mehr werden. Denn die Frist für Klagen läuft erst in den kommenden Tagen aus.

Mindestens 16 Elternpaare geben sich nicht geschlagen. Sie wollen erreichen, dass ihre Kinder trotz des massenhaften Scheiterns beim Berliner Probeunterricht doch noch auf ein Gymnasium wechseln dürfen. Warum eigentlich? Sind andere Schulen zwingend schlechter?

Schon seit Jahrzehnten wird das Abitur dadurch entwertet, dass quasi jede und jeder aufs Gymnasium darf. Denn bisher konnten Eltern entsprechend Druck auf die Entscheidung ausüben. Jetzt gibt es in Berlin ein neues Verfahren, das das Abitur wieder aufwerten könnte, und trotzdem sollen die durchgerasselten Kinder nach Meinung ihrer Eltern die höhere Schule besuchen dürfen.

Laut dem Verwaltungsgericht könnte die Zahl von 16 klagenden Familien sogar noch steigen – schließlich ist die Frist noch nicht abgelaufen. Die entscheidende Frage – laut Tagesspiegel – ist: Wann genau erhielten die Familien ihre Ablehnungsbescheide?

Da die Bescheide rund um den 5. März verschickt wurden und die Klagefrist einen Monat beträgt, endet die Möglichkeit für einen Widerspruch je nach Zustellungsdatum an einem Tag in der ersten Aprilhälfte.

Schulrechtsanwältin Katharina Sponholz erklärt im Tagesspiegel, dass das Gericht erst einmal abwarten will, bis alle möglichen Klagen eingegangen sind. Anschließend sollen die Fälle gebündelt entschieden werden – und das, wenn möglich, noch vor Ostern.

Hoffnung durch Verfahrensfehler beim Probeunterricht

Für die betroffenen Familien zählt jetzt jeder Tag. Die Anwälte arbeiten auf Hochtouren, um mögliche Verfahrensfehler aufzudecken. Denn wenn sich zeigt, dass Lehrer bei der Bewertung der Tests Fehler gemacht haben, könnte das die letzte Rettung für manche Kinder sein. Es geht also jetzt nicht mehr um die Kompetenz der Kinder, sondern um die Kompetenz der Schule. Man kann sich wirklich nur an den Kopf fassen.

Hintergrund des juristischen Streits ist die hohe Durchfallquote beim Probeunterricht: Rund 1950 Kinder scheiterten, das entspricht unglaublichen 97,4 Prozent. Einige Eltern hatten bereits versucht, mit einem Eilantrag gegen die neuen Übergangsregeln vorzugehen – doch das Berliner Verwaltungsgericht ließ sie abblitzen.

Eine Klasse beim Probeunterricht fürs Gymnasium. So etwas gibt es bundesweit und nicht nur in Berlin.
Eine Klasse beim Probeunterricht fürs Gymnasium. So etwas gibt es bundesweit und nicht nur in Berlin.Funke Foto Services/imago

Die Regelungen seien verfassungskonform, hieß es, das Land habe seinen Spielraum nicht überschritten, und auch das Wahlrecht der Eltern sei nicht unverhältnismäßig eingeschränkt worden. Außerdem sei die neue Regelung rechtzeitig bekannt gegeben worden.

Gibt es doch noch eine zweite Chance fürs Gymnasium?

Jetzt ruht die Hoffnung auf der Akteneinsicht. Im Gegensatz zum Eilverfahren dürfen die Anwälte hier die Prüfungsunterlagen genau unter die Lupe nehmen. Wurde ein Kind zu Unrecht schlecht bewertet? Wurde eine Aufgabe falsch korrigiert? Falls sich hier Fehler finden, könnte das für einige Schüler doch noch den Weg ans Gymnasium ebnen. Und bei echten Fehlern wird ja auch keine Behörde was dagegen haben, oder?

Aber selbst wenn es vor Gericht nicht klappt, ist für viele Kinder noch nicht alles verloren: Ein späterer Wechsel aufs Gymnasium bleibt immer möglich – zum Beispiel nach der siebten oder achten Klasse. Dafür gibt es allerdings eine Voraussetzung: Die bisherige Sekundarschule und das gewünschte Gymnasium müssen grünes Licht geben.

Die nächsten Tage werden also spannend. Die Entscheidung könnte für viele Kinder die Weichen für ihre Zukunft stellen. Aber nur die Weichen für die Schulausbildung. Denn auch ohne Abitur kann man im Leben erfolgreich sein. Leute wie der Fußball-Weltmeister Jürgen Klinsmann, der verstorbene Modedesigner Karl Lagerfeld, die Schauspielerin Iris Berben (flog dreimal von der Schule), der  Ex-Außenminister Joschka Fischer oder die Pop-Sängerin Nena haben es vorgemacht.

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