Aus der Mohrenstraße wurde die Anton-Wilhelm-Amo-Straße in Berlin-Mitte. Nach dem Anbringen der neuen Schilder, einem fröhlichen Straßenfest, benannte nun auch die BVG den dortigen U-Bahnhof um. Was der Aufwand die Berliner kostet? Bisher eisernes Schweigen. Dafür kann Anwohner Volodymyr Sytnik (55) ganz deutlich sagen, was er berappen muss. „Die Umbenennung kostet mich bis zu 3000 Euro!“
Seit 25 Jahren hat Sytnik sein Geschäft Dresswerk an der Mohrenstraße 69 (Pardon, Anton-Wilhelm-Amo-Straße 69). Wäscherei, Schneiderei, Schuhreparaturen, Schlüsselanfertigung, Paketshop: „Die Kunden hatten keine Probleme damit, dass sie zu mir in die Mohrenstraße kamen“, sagt Sytnik.
Und der Ladenbesitzer fand den Namen Mohrenstraße auch nicht schlimm. „Ich bin kein Rassist. Trotzdem wird für mich der Laden immer in der Mohrenstraße sein“, sagt Sytnik. „Diese Straße gibt es seit etwa 300 Jahren. Sie gehört zur Geschichte Berlins – und diese streicht man nicht so einfach weg. Ich kenne keinen in der Nachbarschaft, der die Umbenennung wollte.“

Das wollten aber andere. Vor allem Initiativen der Schwarzen Community in Berlin forderten, dass die Mohrenstraße verschwindet. Begründung: Der Straßenname sei mit der Geschichte der Versklavung direkt verbunden.
Vor fünf Jahren beschloss das Bezirksamt Mitte, dass die Mohrenstraße nach Anton Wilhelm Amo benannt wird, der um 1703 im heutigen Ghana in Westafrika geboren wurde und als Kind nach Deutschland verschleppt wurde. Er war hierzulande der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft.
„Darüber wurde debattiert, aber nicht über die Kosten“, ärgert sich Ladenbesitzer Sytnik. Neue Straßenschilder für acht Kreuzungen mussten angefertigt und angebracht werden, die neuen Schilder für den U-Bahnhof kommen noch dazu.
„Das geht alles auf Kosten von uns Steuerzahlern“, sagt Sytnik. „Wie hoch die sind, sagt bisher uns keiner. Dafür sage ich jetzt einmal, was mich die Mohrenstraße-Umbenennung als Geschäftsmann kostet – zwischen 2000 und 3000 Euro!“
Umbenennung Mohrenstraße: „Hat Berlin keine anderen Probleme?“
Sytnik zählt auf: „Geschäftsdokumente müssen etwa umgeschrieben und umgemeldet werden, das kostet Zeit und Geld. Visitenkarten und Werbungen müssen neu angefertigt und mit dem neuen Straßennamen bedruckt werden. Das gibt es auch nicht umsonst. Alles Dinge, die ich nicht machen müsste, wenn die Mohrenstraße bleiben würde.“
Mit dem Problem stehen so manche Ladenbesitzer, Gastronomen und Geschäftsleute in der einstigen Mohrenstraße da. Einige, mit denen der KURIER redet, sind genauso verärgert wie Sytnik. Nur öffentlich wollen sie darüber nicht sprechen.

Auch der Landeschef des Bundes der Steuerzahler, Alexander Kraus, würde gerne genau wissen, was die Mohrenstraße-Umbenennung kostet. „Einen möglichen hohen Aufwand für die Änderung eines Straßennamens zu betreiben, den es seit Ewigkeiten gibt“, kann der Steuerzahlerbund-Chef nicht nachvollziehen. „Hat die Berliner Politik keine anderen Probleme?“, sagt Kraus.
Der Volkswirt rechnet vor: „Nehmen wir einmal die 3000 Euro des Ladenbesitzers, die er für die Straßenumbenennung ausgibt – das sind 3000 Euro weniger in seiner Einkommenssteuer und damit 1260 Euro, die der Staat an Steuern von ihm nicht bekommt.“ Und wie gesagt, es gibt viele Geschäftsleute in der Straße.

Ines Seegers (55), die in der Nähe der jetzigen Anton-Wilhelm-Amo-Straße in einem Institut arbeitet, ist froh darüber, dass es die Mohrenstraße nicht mehr gibt. „Die Umbenennung ist mehr als nur Symbolpolitik“, sagt sie. „Die Straße hat lange genug an eine schreckliche Zeit erinnert. Ich verstehe nicht, warum darüber noch weiter diskutiert und gestritten wird.“
Gestritten wird noch vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sechs Anwohner-Klagen gegen das Bezirksamt Mitte sind offen. Auch Anwohner Erich B. (65, Name geändert), der mit einer Eilklage die Mohrenstraße-Umbenennung am 23. August verhindern wollte und scheiterte, hat den Kampf nicht aufgegeben. Er plant weitere juristische Schritte gegen die „Entmohrung der Straße“, wie er dem KURIER sagt.
Umbenennung Mohrenstraße: „Hauptsache, die Post kommt an!“
Nun, die Alten ärgern sich. Doch den Jungen, die nun in der Anton-Wilhelm-Amo-Straße wohnen und arbeiten, ist der ganze Streit um die Umbenennung völlig egal. Wie Jan (24) und Meruyert (22).

Er kommt aus Kassel, sie aus Kasachstan. Vor zwei Jahren zog das Paar in die Mohrenstraße in eine WG. „Man kann uns schon als woke einstufen“, sagt Jan. „Aber ehrlich, dass wir in der Mohrenstraße wohnten, störte uns und unserem Freundeskreis gar nicht. Auch der neue Name ist uns egal. Hauptsache, die Post kommt nun auch in der neuen Straße an.“