Es war ein Schock, als vor Tagen ein Bagger an der Fassade des Sport- und Erholungszentrums wütete. Nicht nur Berliner aus dem Osten der Stadt, die mit dem DDR-Spaßbad aufwuchsen, sind empört und gehen auf die Barrikaden, um den weiteren Abriss des Hauses zu verhindern. Unerwartete Unterstützung kommt von Architekten und namhafte Uni-Professoren aus dem Westen des Landes, die jetzt um die Existenz des SEZ kämpfen.
Der Kampf um den Erhalt und Fortbestand von DDR-Bauten: Er ist nicht nur mehr die Sache der Ostdeutschen, die eine besondere Beziehung zu Häusern wie dem SEZ oder dem bereits abgerissenen Palast der Republik haben. Auch immer mehr Experten aus dem Westen wollen, dass die einzigartige Moderne der DDR-Architektur erhalten bleibt und nicht aus politischen Gründen dem Erdboden gleich gemacht wird.
Denn der Senat, allen voran Bausenator Christian Gaebler (SPD), will das SEZ an der Landsberger Allee zu Gunsten von 550 neuen Wohnungen platt machen. Ausführen soll das die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM. Ohne Vorwarnung begann sie vergangene Woche mit den Abrissarbeiten, der KURIER berichtete exklusiv. Nachdem ein Bagger ein Außenbecken vernichtet und Teile der Fassade über der einstigen Eissporthalle des SEZ herausgerissen hatte, verhängte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen temporären Abrisstopp.

Um zu verhindern, dass irgendwann die Baggerarbeiten weiter gehen, schickten Architekten und Stadtplaner einen offenen Brandbrief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und an seinen Bausenator Gaebler. Das siebenseitige Schreiben, das unter anderem von der TU Berlin, dem Bund Deutscher Architekten und der Architektenkammer Berlin mitgetragen wird, trägt die Unterschriften von 131 Baufachleuten.
Die meisten von ihnen stammen aus dem einstigen Westen des Landes. Frauen und Männer wie der neue Präsident der Architektenkammer Berlin, Eike Roswag-Klinge, wie der Gebäudetechnologie-Experte Prof. Thomas Auer (TU München), die Stadtplanungs-Professorin Stephanie Herold von der TU Berlin oder die niedersächsische Professorin Alexandra Druzynski von Boetticher, die Baugeschichte an der TU Cottbus lehrt.

Alles Frauen und Männer mit internationalem Ruf. So wie die Städteplanerin Prof. Laura Calbet Elias von der Uni Stuttgart, die unter anderem in Barcelona studierte, Prof. Rainer Schützeichel, der zum Thema Stadtbaugeschichte einst an der TH Zürich arbeitete und jetzt an der TH Köln lehrt. Nicht zu vergessen der Deutsch-Amerikaner Prof. Stefan Simon – der Direktor des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin gehört ebenfalls zu den Mitunterzeichnern.
Alles Frauen und Männer, die nicht in der DDR aufwuchsen und sich trotzdem für das SEZ starkmachen. Denn sie sind davon überzeugt, „dass das SEZ ein wichtiges architekturhistorisches Zeugnis und kulturelles Erbe der Stadt Berlin darstellt, das als solches erhaltenswürdig ist. Der vom Land Berlin bzw. der landeseigenen Wohnbaugesellschaft WBM geplante Abriss muss daher überdacht und unbedingt verhindert werden“, schreiben sie in dem Brandbrief an den Regierenden Kai Wegner.
SEZ ist ein wichtiges bauhistorisches Zeugnis – für Ost und West
Als Gründe führen die Unterzeichner auf: „Das SEZ ist ein wichtiges bauhistorisches Zeugnis der Architektur der späten 1970er-Jahre in der DDR. Es ist ein typischer Vertreter aus der Zeit der sogenannten High-Tech-Architektur.“ Die Experten würdigen: Das SEZ „verfügt über beachtenswerte technische Innovationen (Beispiel: Beheizung Schwimmbecken)“. Gestalterisch sei es bis heute ein Gebäude, das seinesgleichen sucht – auch wenn einzelne Elemente nur noch teilweise vorhanden sind.
Die Unterzeichner erklären in dem Brandbrief, dass nicht nur die einstigen Ost-Berliner, sondern auch viele ehemalige Westberliner sich mit dem SEZ verbunden fühlen. „Das baulich-kulturelle Erbe der DDR ist ein wichtiger Teil Berlins. Die Diskussionen und Proteste um den drohenden Abriss des SEZ zeigen, dass die Abrisse identitätsstiftender Bauten der DDR(Moderne) – allen voran der Palast der Republik – bis heute Wunden hinterlassen haben.“
Das SEZ sei im Grunde intakt, so die Experten. Daher wird im Brandbrief an den Regierenden und seinem Bausenator gefordert, dass der durch den begonnenen Abriss entstandenen Schaden von der WBM „umgehend“ behoben und die technischen Anlagen wieder in Betrieb genommen werden, „die den Erhalt des Gebäudes sichern“ sollen. Die Experten fordern vom Senat eine öffentliche Diskussion zum Erhalt beziehungsweise Teilerhaltes des DDR-Spaßbades.




