Es kratzt im Hals, so staubig ist es auf dem Weg zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Am Haupteingang sandet eine Baustelle vor ich hin, es wird seit Monaten neu gepflastert. Doch am Zaun zum Friedhof prangt das größte Problem in roter Schrift auf einem Schild. „Aktuell kein Gießwasser auf dem Gelände“ heißt es da. Das Schreiben ist von Februar! Seit Monaten gibt es auf dem größten Friedhof im Berliner Osten kein Wasser mehr.
Ausnahmezustand auf Berliner Friedhof
Für die Friedhofsgärtner herrscht, seitdem das Wasser im März wieder regulär hätte angestellt werden sollen, der totale Ausnahmezustand. Große Teile des Tages sind sie damit beschäftigt, per Schlauch oder Tankwagen Wasser auf dem riesigen Gelände zu verteilen. Zwei Mann sind jeden Tag acht Stunden lang damit beschäftigt, sich um die Wasserversorgung zu kümmern, heißt es aus dem Bezirk auf KURIER-Anfrage. Andere Pflegearbeiten, Bürokratie und Verwaltung bleiben dadurch naturgemäß liegen.

Tiefbrunnen auf dem Friedhof muss neu gebohrt werden
Schon im November war beim Abstellen des Wassers für die Wintersaison klar geworden, dass irgendetwas mit dem Tiefbrunnen auf dem 34 Hektar großen Gelände an der Lichtenberger Gudrunstraße nicht stimmt. Als im Februar, zu Beginn der neuen Saison, wirklich kein Wasser mehr aus dem Hahn kam, machte sich der Bezirk in die Spur, um Gelder für eine neue Bohrung aufzutreiben.
Im Rahmen des Programms „Maßnahmen zur Entwicklung und Sauberkeit von Kiezen, Plätzen und öffentlichen Räumen“ sind im März die Mittel für den Rück- und Neubau des Grundwasserbrunnens aufgetrieben worden. 150 000 Euro soll der neue Brunnen kosten, so der Bezirk Lichtenberg. Im April gab es dann eine Ausschreibung, zwei Firmen meldeten sich. Von denen erhielt im Mai die günstigere den Zuschlag und muss nun eine Genehmigung bei der Wasserbehörde einholen. Auf dem Friedhof erntet man ungläubiges Kopfschütteln, warum das ganze Procedere so lange dauert.

Sobald die Genehmigung der Wasserbehörde für das Rückbaukonzept des alten Brunnens sowie die Bohrung des neuen vorliegt, kann die Baumaßnahme beginnen. Die Lichtenberger Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu macht Druck und hat die zuständige Umweltstaatssekretärin um eine prioritäre Bearbeitung des Antrags gebeten. Normalerweise dauert die Bearbeitung eines solchen Antrags nämlich sechs bis acht Wochen. Hier soll es nun deutlich schneller gehen.
Denn auch wenn das Go von der Wasserbehörde kommt, dauert es wohl nochmal zwei bis vier Wochen, bis der neue Brunnen endlich gebohrt ist.

Montags kommt die Tankwasser-Karawane auf den Friedhof
Derweil brennt die Sonne im Mai unbarmherzig auf die Gräber. Regen gibt es wenig bis keinen. Dass es auf dem Friedhof dennoch blüht und grünt, liegt am Aufwand, den die Mitarbeiter des Straßen- und Grünflächenamtes Lichtenberg (SGA) täglich vor Ort betreiben.
Ein Tankfahrzeug wird regelmäßig am Tiefbrunnen des Werkhofs befüllt und transportiert in mehreren Fahrten Wasser zum Friedhof. Dort werden in der Regel jeden Montag insgesamt 48 Schöpfbecken auf dem Gelände befüllt – eine logistische Herausforderung, die mit großem Einsatz bewältigt wird. Da montags keine Beisetzungen stattfinden, stören die Tankfahrzeuge wenigstens die Trauerfeiern nicht. Doch am Wochenende, wenn viele Besucher kommen, sind einige der HotSpot-Becken meist schon wieder leer.

Doch der Tankwagen, der ursprünglich für den Friedhof im Einsatz war, ist mittlerweile kaputt, hört man auf dem Friedhof, sodass ein Wagen im Einsatz ist, der ansonsten die Lichtenberger Straßenbäume bewässern soll. Der fehlende Brunnen zieht weitere Kreise.
„Ich bringe mir schon immer mein Wasser in einer Flasche selber mit“, sagt einer der Besucher, der am Mittwochvormittag seine Gedenkstelle pflegt. Und: „Wir werden in Zukunft sicher noch mehr Wasser sparen müssen. Genau genommen hätten wir längst damit anfangen sollen.“ Dass der Brunnen noch in diesem Jahr wieder laufen könnte, daran hätten die Männer gar nicht mehr geglaubt. „Meckerer gibt es immer und überall, aber davon wird es ja auch nicht besser“, sagen sie gleichmütig.
Manch anderer Besucher auf dem Friedhof ist genervt von der Situation, am Ende ist es auch eine Geldfrage, wenn aufwendig gepflanzte Blumen verdorren. Und auch wer eine professionelle Firma bezahlt, die sich um eine Grabstelle kümmert, muss derzeit Abstriche im Service hinnehmen. „Wir kommen mit dem Unkrautzupfen kaum nach, weil das Gießen so aufwendig geworden ist“, sagen die Mitarbeiter.
Berlins sozialistischer Friedhof in Lichtenberg
Der Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg wird auch Sozialistenfriedhof genannt. Neben Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg haben viele andere Persönlichkeiten der deutschen Arbeiterbewegung auf dem etwa einen Kilometer langen und 250 Meter breiten Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Lichtenbergs Bezirksstadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung, Umwelt und Naturschutz, Filiz Keküllüoğlu (Bündnis 90/Die Grünen) weiß um die Bedeutung des Ortes, die weit über die Tore Berlins hinaus reicht.
„Ein Friedhof ist ein Ort des würdevollen Gedenkens. Umso mehr bedauern wir, dass die Wasserversorgung seit dem Frühjahr nur eingeschränkt und unter großem Aufwand aufrechterhalten werden kann“, schreibt sie in einer Mitteilung und bittet die Besucher für die Unannehmlichkeiten um Entschuldigung. Den Mitarbeitern vor Ort spricht sie ihren Dank dafür aus, dass sie „unter herausfordernden Bedingungen den Betrieb sichern.“
In der Friedhofs-Wüste von Friedrichsfelde hoffe alle, dass dieser Sommer doch noch ein guter wird und das Wasser bald wieder aus dem Brunnen fließt.