Jetzt ist es so weit. Am 2. Juli wird groß der 70. Geburtstag des Berliner Tierparks gefeiert. Mit Kaffee und Kuchen, mit Plakaten und Fotos und vielen Gästen, die an der Festtafel an die lange Geschichte des größten Landschaftstiergartens Europas erinnern werden. Dass es ihn gibt, haben wir Berliner vor allem dem legendären Zoologen Prof. Dr. Heinrich Dathe (1910-1991) zu verdanken. Was kaum einer weiß: Dathe wollte den Tierpark im Osten Berlins anfangs gar nicht!
Das verrät sein Sohn Falk (73) dem KURIER. Der einstige Kurator für Reptilien arbeitete selbst bis 2016 über 35 Jahre lang im Tierpark, wird mit Bruder Holger Dathe (80, auch Zoologe) bei der Jubiläumsfeier dabei sein. Denn 70 Jahre Tierpark Berlin ohne die Söhne des Erbauers und Gründungsdirektors feiern – das geht nun gar nicht.
Aber jetzt erfahren wir, dass es beinahe das schöne Tierparadies in Friedrichsfelde nicht gegeben hätte, weil Heinrich Dathe es zunächst nicht haben wollte. Das wollte aber Anfang der 50er-Jahre der Ostberliner Magistrat.

Einer der Gründe: Der Zoo im Westteil, in den viele Ostberliner damals gingen, die Grenzen waren ja noch offen. Viel Ostgeld mussten sie umtauschen, um den Zoo-Eintritt in Westgeld bezahlen zu können. Und dem wollte man in der Hauptstadt der DDR etwas entgegensetzen. „Es war auch die Konsequenz des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR“, sagt Falk Dathe. „Die Regierenden merkten schon, dass man von den Menschen nicht nur harte Arbeit abverlangen kann, sondern ihnen auch attraktive Freizeitangebote machen muss.“
DDR-Legende Heinrich Dathe: Warum er den Tierpark erst nicht wollte
Also ein Tierpark im Osten der DDR-Hauptstadt sollte her. Die Experten des Leipziger Zoos sollten die Aufgabe richten, wo Heinrich Dathe damals als Assistent des dortigen Zoo-Direktors Karl Max Schneider arbeitete.
„Dass mein Vater zunächst dagegen war, lag daran, dass Zoos wie in Leipzig oder Halle durch den Zweiten Weltkrieg zerstört waren. Mein Vater hielt deren Wiederaufbau für wichtiger“, sagt Falk Dathe. „Außerdem war er und sein Leipziger Chef der Ansicht, dass aus dem Tierpark-Plan der Berliner nichts wird, weil sie kein Geld für den Bau haben.“
Heinrich Dathe sollte sich gewaltig irren. „Irgendwann kam es doch zu einem Besprechungstermin“, sagt Sohn Falk. „Der Zufall wollte es, dass der Leipziger Zoo-Chef zu einer wichtigen Zoo-Direktoren-Konferenz musste und daher meinen Vater beauftragte, nach Berlin zu fahren.“ Und das hatte Folgen.

Denn die Ostberliner Stadtväter hatten schon eine klare Vorstellung über ihrem künftigen Tierpark. Nur fehlte ihnen der Erbauer. Mit dem Plan, Tiere in einem großen Landschaftsgarten zeigen zu wollen, hatten die Berliner Dathe schnell auf ihrer Seite. „Das war ganz im Sinne meines Vaters“, sagt Sohn Falk Dathe.

Mehrere Orte waren für so einen Tierpark im Gespräch. „Zum Beispiel die Wuhlheide und der Plänterwald“, sagt Falk Dathe. „Aber das Schloss Friedrichsfelde mit seinem herrlichen Park hatte mit S-, U- und Straßenbahn die bessere Verkehrsanbindung. Als man mit meinen Vater dorthin fuhr, war er begeistert.“ Die Ostberliner Stadtväter hatten mit Dathe den Erbauer. Sommer 1954 wurde der Tierpark-Bau im Magistrat beschlossen.
Dathe war allerdings kritisch, ob alles so klappt, wie man es sich vorstellte. Doch das Nationale Aufbauwerk half: Es mobilisierte Tausende von Berlinern, die den Tierpark mitaufbauen, der später mit 160 Hektar der größte seiner Art in Europa werden soll.
Vor 70 Jahren: Tausende Berliner bautren freiwillig an ihrem Tierpark mit
Frauen und Männer greifen nach ihrer Arbeit zum Spaten. Auch Schüler und Studenten helfen freiwillig mit. Über 100.000 Arbeitsstunden opfern Tausende Ostberliner von ihrer Freizeit für ihren Tierpark. Schüler sammeln 125.000 DDR-Mark als Spende. Die restlichen fünf Millionen DDR-Mark an Baukosten zahlt der Magistrat. „Zurecht sprechen die Berliner noch immer von ihrem Tierpark“, sagt Falk Dathe.

Sogar ein später sehr berühmter DDR-Architekt baute als junger Mann am Tierpark mit: Heinz Graffunder (1926-1994), der in den 70er Jahren den Palast der Republik mit entwarf. Sein erstes Werk im Tierpark waren die Holzbauten für die Dam- und Rotwildgehege. Unter Graffunders Leitung wurde 1956 bis 1963 das Alfred-Brehm-Haus errichtet, damals das größte Raubtierhaus der Welt. Auch das 1989 eröffnete Dickhäuterhaus, das nun umgebaut wird, entstand nach seinen Plänen.
Ein späterer Star-Architekt der DDR war beim Tierpark-Aufbau dabei
Diese Bauten liegen noch in weiter Ferne, als Heinrich Dathe am 2. Juli 1955 den Tierpark eröffnet. Stolz kann der Gründungsdirektor etwa 400 Tiere auf einer Fläche von 60 Hektar präsentieren. Heute sind es knapp 8000 Tiere.

Aber was Heinrich Dathe vor 70 Jahren präsentieren kann, hat schon Klasse. Dank der sozialistischen Bruderländer wartet der Tierpark bald mit mehr exotischen Tieren als der Zoo im Westen Berlins auf. China liefert 1957 den Alligator Mao. Es folgen Tiger und Eisbären aus der Sowjetunion.
Vietnam schenkte 1958 einen der ersten Tierpark-Stars, das Elefanten-Mädchen Kosko. Auf einem Foto ist zu sehen, wie Falk Dathe, damals sieben Jahre alt, neben dem Rüsseltier posiert. „Ich hatte vor dem kleinen Elefanten schon Respekt.“

Was da der Sohn von Heinrich Dathe konnte, war übrigens kein Privileg. Kosko durfte damals im Tierpark frei herumlaufen und mit den Kindern und allen Tierpark-Besuchern spielen. Heute wäre so etwas undenkbar.
1958 gelingt es Heinrich Dathe, in seinem Tierpark den ersten Panda im Nachkriegs-Berlin zu zeigen. Chi Chi heißt die Dame und ist auf Durchreise in die USA. Drei Wochen ist das exotische Tier zu sehen und löst einen echten Star-Rummel aus.

Falk Dathe erinnert sich noch gut daran, wie man dem Panda öffentlich in einer Holzbadewanne ein Schaumbad verpasste. „Abends drehte ich oft mit meinem Eltern noch eine Runde zu dem Panda. Vater wollte sehen, dass es Chi Chi gut geht.“

Der Zoo im Westteil lehnt es übrigens ab, den Panda zu zeigen. „Es lag wohl an der hohen Summe, die der Tierhändler verlangte“, sagt Dathe-Sohn Falk. „Aber mein Vater griff zu, ging zum Magistrat, bekam die harten Devisen für den Panda.“ Es lohnt sich. Mehr als 400.000 Besucher sehen Chi Chi im Tierpark, viele von ihnen kommen aus West-Berlin angereist.