Datschenbesitzer in Not

Die große Grundsteuer-Wut: Hilfe, wir sollen das 22-Fache zahlen!

Im Gesetzgebungsverfahren wurden Besitzer von kleinen Wochenendgrundstücken vergessen und werden jetzt besonders heftig zur Kasse gebeten.

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Vor ihrem Wochenendhäuschen: Die Rentner Kristina (81) und Achim Girke (83) mit dem Grundsteuerbescheid. Sie müssen künftig 956 Euro statt 80 Euro im Jahr zahlen.
Vor ihrem Wochenendhäuschen: Die Rentner Kristina (81) und Achim Girke (83) mit dem Grundsteuerbescheid. Sie müssen künftig 956 Euro statt 80 Euro im Jahr zahlen.Stefan Henseke

Die Wut schlägt große Wellen. Die Wut über die neuen Grundsteuerbescheide, die in Berlin von den Finanzämtern an Besitzer von Einfamilienhäusern, von Eigentumswohnungen oder Grundstücken verschickt werden. Denn bei vielen explodieren die Zahlungen ab dem kommenden Jahr. Besonders betroffen: Eigentümer von kleinen Wochenendgrundstücken. Durch eine Lücke im Gesetz werden diese übermäßig zur Kasse gebeten. Auch Datschenbesitzer im Köpenicker Stadtteil Neu-Venedig sind betroffen: Sie müssen ab 2025 bis zum 22-Fachen der bisherigen Grundsteuer zahlen.

Ralph Kissner, der in dem von Kanälen durchzogenen Neu-Venedig ein Wochenendgrundstück besitzt, wandte sich an den KURIER. „Die bisherige Grundsteuer betrug 60 Euro pro Jahr, was zugegebenermaßen wenig ist“, sagt er. „Doch ab Januar zahlen wir 1340 Euro pro Jahr, mehr als das 20-Fache.“ Für ein Grundstück, das weder Zu- noch Abwasser hat. Es gebe auch keinen Bebauungsplan mit der Möglichkeit, ein Wohnhaus zu bauen. „Wir sind total sauer auf die Berliner Finanzbehörden wegen dieser raffgierigen Methode, haben aber nach Auskunft von Anwälten keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.“

Grundsteuer steigt von 80 auf 956 Euro

Kristina (81) und Achim Girke (83) sind die direkten Nachbarn der Kissners. Bei ihnen steigt die Grundsteuer von 80 auf 956 Euro im Jahr – also um das 12-Fache. Seit 1961 bewirtschaften die beiden Rentner aus Buch das Grundstück, seit 1993 sind sie Eigentümer. 680 Quadratmeter, ein akkurat gepflegter Garten direkt am Kanal, mit zwei kleinen Holzhütten (32 und 34 Quadratmeter) darauf. Von April bis Oktober verbringen die Girkes ein Großteil ihrer Zeit hier. Jetzt im Dezember sind sie nur für den KURIER rausgefahren. Die Häuschen sind nicht winterfest, sagt Achim Girke.

Vom Finanzamt wurde der Wert des Grundstücks mit 460.000 Euro bewertet. Das mache ihn fassungslos, sagt der 83-Jährige. „Diese Summe würde doch keiner zahlen.“ Für ein Grundstück ohne Wasser- und Abwasseranschluss ans öffentliche Netz, dafür gebe es hier nur eine Pumpe und einen Fäkalientank. Und gebaut werden dürfe auch nicht. „Das ist Inselland“, sagt Girke. „Nach einem Spatenstich kommt das Wasser.“ Nur Eigenheime, die zu DDR-Zeiten und früher errichtet wurden, genießen Bestandsschutz.

Das Irre an der neuen Grundsteuerregelung: Besitzer von Wochenendgrundstücken müssen mehr als die Besitzer von Einfamilienhäusern in der Nachbarschaft zahlen. „Im Gesetzgebungsverfahren sind Eigentümer von nicht ganzjährig bewohnbaren Lauben-Grundstücken außerhalb von Kleingartenanlagen schlichtweg vergessen worden“, sagt Hans-Joachim Beck vom Immobilienverband Deutschland.

Diese Gärtchen werden eingestuft als „sonstiges bebautes Grundstück“, erklärt der Experte zum KURIER. Und für die liegt die sogenannte Steuermesszahl, die wichtig für die Berechnung der Grundsteuer ist, um 50 Prozent höher als bei Wohngrundstücken. Sie werden also genauso hoch wie Gewerbe eingestuft. Und deshalb knallen die Grundsteuern in Neu-Venedig so hoch. „Diese Ungerechtigkeit ärgert einen“, sagt Achim Girke.

„Viele Rentner werden ihre Oasen verkaufen müssen“

Neu-Venedig ist leider kein Einzelfall in Berlin. Auch aus Kaulsdorf erreicht uns Post. „Ich besitze mit meiner Frau ein unbebautes 1000 Quadratmeter großes Wochenendgrundstück in Berlin-Kaulsdorf“, schreibt uns Wolfgang K. „Nach dem uns zugegangenen Grundsteuerbescheid steigt für uns die Grundsteuer ab 2025 um das Neunfache von 126 auf 1135 Euro.“ Er vermutet böse Absicht: „Offensichtlich verfolgt man doch mit der hohen Grundsteuer für nicht bebaute Grundstücke die Absicht, die Besitzer zum Verkauf ihrer Grundstücke zu zwingen, damit Investoren gewinnbringend darauf bauen können.“

Ähnlich denkt Wanda B., die ein Freizeit- und Erholungsgrundstück ohne Wasser- und Abwasseranschluss am Kleinen Müggelsee hat. Sie muss künftig 1000 Euro statt 144 Euro im Jahr zahlen. „Die Herleitung des zugrundeliegenden Quadratmeter-Preises von 500 Euro ist nicht nachvollziehbar“, schreibt sie uns. „Wir kennen unsere Wochenendnachbarschaft. Kein Grundstücksverkauf der jüngeren Vergangenheit hat auch nur ansatzweise die Preise eingebracht, die die Gutachter vergeben haben.“ Der Verein der Grundstücksgemeinschaft habe nun auf eigene Kosten ein Gutachten beauftragt und der Berechnung widersprochen.

„Viele Rentner werden ihre Oasen verkaufen müssen“, befürchtet Wanda B. „Mehr staatlich gewollte Enteignung geht eigentlich nicht. Und je länger die zugrundeliegenden Widerspruchsverfahren dauern, desto weniger lassen sich diese Steuerbeträge stemmen.“

Die Grundsteuerbescheide sorgen für viel Aufregung.
Die Grundsteuerbescheide sorgen für viel Aufregung.Bernd Weißbrod/dpa

Liebe Berliner, wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie schon den neuen Grundsteuerbescheid bekommen? Schreiben Sie uns, wie sich bei Ihnen die Zahlungen ändern werden. Egal, ob für Wochenendgrundstück, Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung. Wir werden weiter berichten. Schicken Sie uns Ihre Informationen an leser-bk@berlinerverlag.com – wir freuen uns über Ihre Zuschriften!