Kai Wegner hat mit der CDU gesiegt, aber er ist nicht der Sieger.
Kai Wegner hat mit der CDU gesiegt, aber er ist nicht der Sieger. Paul Zinken/dpa

Die Hochrechnungen von ARD und ZDF ließen von Beginn an keinen Zweifel: Die CDU Kai Wegners hat die Abgeordnetenhauswahl mit 28,2 Prozent klar gewonnen, aber die FDP ist mit 4,6 Prozent (Stand 22.35 Uhr) raus - eine gemeinsame Koalition ist damit ausgeschlossen. Hinter der CDU wird es spannend: Denn bis in die tiefe Nacht hinein lagen SPD und Grüne mit 18,4 Prozent gleichauf, die Linke hat 12,2 Prozent. Das würde für eine Fortsetzung der bisherigen Koalition reichen, aber wer wird dann Chefin? Die SPD-Amtsinhaberin Franziska Giffey oder die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch?

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Beide Parteien liegen derart dicht beieinander, dass womöglich erst am Montag feststehen wird, ob SPD oder Grüne auf Platz 2 landen.  Damit wird sich entscheiden, ob es bei Rot-Grün-Rot bleibt oder ob sich das Blatt zu Grün-Rot-Rot wendet – vorausgesetzt, die drei Parteien wollen das Bündnis fortsetzen. 

Sollten die Grünen die Nase knapp vorne haben, dürfte es sich mit einem Senatsmitglied Giffey erledigt haben, es ist kaum vorstellbar, dass sich die SPD-Frau in der Zank-Partnerschaft mit Jarasch unterordnet.

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Viel wird jetzt von der SPD selbst abhängen: Beißt sie in den sauren Apfel einer Juniorpartnerschaft unter grüner Vorherrschaft, oder lässt sie sich für den für viele Sozialdemokraten noch viel saureren Apfel gewinnen, Beifahrer eines Regierenden Bürgermeisters Wegner von der CDU gewinnen? Wie weit reicht der Einfluss Giffeys, die sich vor der Wahl alle Optionen für Koalitionen offen gehalten hatte?

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Kai Wegner: Sieger und Verlierer zugleich

Kai Wegner jedenfalls schaut durch die Finger: Er ist Wahlsieger und Wahlverlierer zugleich. Zusammen mit der FDP kann er nicht regieren, mit der AfD (9,1 Prozent) geht es nicht, und mit der Linken auch nicht.

Dazu kommt, dass Wegner nach seinen wenig durchdachten Äußerungen vor der Wahl, nicht mit ihnen koalieren zu wollen, die Grünen extrem umsäuseln müsste, doch eine Partnerschaft auf Zeit einzugehen.  

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Was aus Giffey wird, die ihr Amt am 21. Dezember 2021 angetreten hatte? Nur Walther Schreiber (CDU, 22. 10. 1953 bis 11. 1. 1955), Franz Amrehn (CDU, kommissarisch 30. 8. bis 3. 10. 1957) und Heinrich Albertz (SPD, 1. 12. 1966 bis 19. Oktober 1967) waren ähnlich kurz oder kürzer im Amt des Regierenden Bürgermeister. Männer, an die sich in Berlin fast niemand mehr erinnert.

Das Vergessen könnte auch Giffey blühen, die sich aus der Bundesregierung ins Rote Rathaus  begeben hatte, unvermittelt wegen der Desaster-Wahl vom 26. September 2021 auf einem Schleudersitz landete und noch immer den moralischen Mühlstein eines fragwürdigen, inzwischen abgelegten Doktortitels am Hals hat.

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