Verkehrskollaps, Superstau, Mega-Chaos – geht es um Verkehrsmeldungen, sind diese Vokabeln oft dabei. Doch in Berlin hat sich ihre Bedeutung verzigfacht. Was früher einen Verkehrskollaps auslöste, findet heute kaum noch den Weg in die Verkehrsmeldungen.
Der bauliche Zustand der Straßen der Hauptstadt ist nah an der Katastrophe. Wie froh wären wir heute, wenn nur ein Schlagloch auf der Stadt-Autobahn für Verzögerungen sorgen würde. Aber im Schatten der Katastrophen reicht ein Schlagloch halt nicht mehr aus.
Wuhlheide-Brücke legt Berlin an die Stauleine
Zwei Brückenkatastrophen legen die Hauptstadt an die Stauleine. Doch es ist nicht allein der abrupt gestoppte Verkehr. Das Ausmaß der Katastrophe wird erst nach und nach in all seinen Dimensionen wirklich. Die Folgen solcher Katastrophen schleichen sich in den Alltag. Hinter der gruseligen Nachricht verbirgt sich für die Menschen vor Ort das ganz persönliche Chaos. Wie rund um die Brücke An der Wuhlheide in Köpenick.

Erst durften keine Autos mehr drüberfahren. Hatte sich das gerade eingerollt, durfte auch keiner mehr drunter durch. Und während sich die Blechlawine durch die Gegend staut, wird Tag für Tag klarer, wie schlimm das eigentlich ist.
Es ist nicht nur der Weg zur Arbeit, der um ein Vielfaches länger wird. Viele müssen jetzt schon zu Zeiten unterwegs sein, zu denen sie vor ein paar Tagen noch ihre Kinder geweckt und Frühstück gemacht haben. Das Füllen dieser Lücke ist die Herausforderung.
Kaum hat sich diese Logistik eingespielt, reißt der dünne Faden an einer anderen Stelle. Mal eben schnell geht nicht mehr. Selbst für die, die doch stets ganz schnell sein müssen. Notfalls mit Blaulicht.
Für die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Sanitätsdienste ist die Verkehrslage der Stadt der Horror pur. Die Zeiten, im Notfall einzuhalten, war schon immer eine Wettfahrt mit dem Teufel. Aber jetzt? Es ist eine Kampf gegen Windmühlen, ein absolutes Glücksspiel. Im Einsatzwagen der Rettungssanitäter Marcel Höwler und Robert Lieschke hat der rbb mal die Kamera mitlaufen lassen. Der Albtraum geht genau 92 Sekunden.

Video eines Rettungseinsatzes in Köpenick macht betroffen
Anderthalb Minuten lang wird gezeigt, wie die Retter versuchen, an den Ort zu kommen, zu dem sie gerufen worden sind. Als den Fahrer die vollgesperrte Straße stoppt, kann er den Fluch über seinen Lippen nicht verhindern. „Ihr könnt doch nicht alles zu machen. Du kommst nirgendwo mehr an.“
Er nächste Versuch endet erneut an einer verstopften Stelle. „Normalerweise soll hier eine Notdurchfahrt gewährleistet werden“, sagt einer der Einsatzkräfte. „Aber die ist durch Baufahrzeuge versperrt.“ Und los geht es zum nächsten Kringel. Die Fahrer tun einem leid, man bewundert, wie ruhig sie bleiben.
Rettungseinsatze in Köpenick sind derzeit Glückssache
Und dann fällt er entscheidende Satz von Robert Lieschke: „Wenn das ein Herzinfarkt oder eine Reanimation gewesen wäre …“ Der Sanitäter stockt kurz und findet dann politische Worte „… ist das nicht vertretbar.“ Statt der vorgegebenen acht Minuten bis zum Einsatzort dauerte die Fahrt eine halbe Stunde. Zum Glück ging es nur um ein Sturzopfer.
Und doch hat auch dieses Sturzopfer das Recht auf Rettung in acht Minuten. Und steht stellvertretend für die vielen kleinen Katastrophen im Schatten des Brückenalbtraums in Köpenick. Viel zu viele Dinge passieren dort, die ohne die Brückenkatastrophe nicht passiert wären. Es sind kleine Dinge, die nicht die Wucht haben, aufzufallen. Es ist der ausgefallene Besuch bei den Großeltern oder der verschobene Weg zum Amt. Kleinigkeiten, die aber immer auch ganz große Folgen haben können.