Illegale Provisionen

So schamlos werden in Berlin verzweifelte Wohnungssuchende abgezockt

Für eine SWR-Doku haben zwei Reporter undercover den Mietmarkt unter die Lupe genommen. Die Reportage zeigt, dass Vermieter die Wohnungsnot ausnutzen und potenzielle Mieter illegal zur Kasse bitten.

Author - Stefan Henseke
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Die Reporter Markus Sutera (li.) und Alex Baur kamen undercover Wohnungsverwaltern und Maklern auf die Schliche, die illegal abkassieren.
Die Reporter Markus Sutera (li.) und Alex Baur kamen undercover Wohnungsverwaltern und Maklern auf die Schliche, die illegal abkassieren.Vollbild/SWR

Seit 2015 gilt: Den Wohnungsmakler bezahlt der, der ihn beauftragt hat. So sollte die Abzocke von Wohnungssuchenden beendet werden. Doch in Deutschland herrscht Wohnungsnot. Und das nutzen Fake-Makler und Mitarbeiter von Immobilienkonzernen schamlos aus, wie jetzt die SWR-Doku „Vollbild: Undercover auf dem Mietmarkt“ zeigt. Die Abzocke läuft oft über den Instant-Messaging-Dienst Telegram und das Kleinanzeigen-Internetportal: Ein Fall aus Berlin steht exemplarisch dafür.

Die Reporter besichtigen mit versteckter Kamera eine Wohnung in der Berliner Stadtmitte. 57 Quadratmeter für 1400 Euro. „Die Wohnung ist so teuer, weil sie möbliert und befristet vermietet wird“, erklären die Reporter. Das sei ein beliebter Trick, mit dem man die Mietpreisbremse schnell mal aushebelt. Mittlerweile ist das bei jeder dritten angebotenen Wohnung in Berlin so.

Berlin: 2500 Euro für einen Makler, der nicht bestellt wurde

Vor dem Haus werden die Reporter, die sich als Wohnungssuchende ausgeben, von einem Mann empfangen, der sich als Makler vorstellt. Oben wartet die Frau von der Hausverwaltung, die Nachmieter für die Wohnung sucht. Schnell stellt sich heraus, dass es die sowieso schon zu teure Wohnung nur gegen eine Extrazahlung gibt. Knapp 2500 Euro sollen die potenziellen Mieter zahlen, obwohl der „Makler“ ja im Auftrag der Hausverwalterin die Arbeit macht.

Das ist illegal. Da er nach eigenen Angaben im Auftrag der Hausverwaltung gehandelt habe, die Nachmieter für das Objekt gesucht habe, unterwandere er damit das sogenannte „Bestellerprinzip“, erklärt Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes.

Kein Einzelfall. Eine Datenauswertung von „Vollbild“, bei der tausende Wohnungsangebote auf Telegram analysiert wurden, filterte hunderte Wohnungen heraus, für die gesetzeswidrig eine illegale Vermittlungsprovision verlangt wurde. Im Durchschnitt: 1700 Euro. Möglich werde die Abzocke der Mieter, weil sich Wohnungssuchende auf dem angespannten Mietmarkt oft aus Verzweiflung auf fragwürdige Tricks einließen, erklärt der Deutsche Mieterbund.

Heimstaden-Mitarbeiterin: 150.000 Euro abgezockt?

Selbst Mitarbeiter von großen Immobilienkonzernen mischen in dem miesen Spiel mit der Wohnungsnot mit, wie die SWR-Doku zeigt. Das zeigt ein Fall aus Hamburg, den die Reporter nachzeichnen: In einer geheimen „WhatsApp“-Gruppe sollen mehr als 150 Wohnungen des Immobilienkonzerns Heimstaden gegen ein Bestechungsgeld vermittelt worden sein.

Die Wohnungsangebote sollen von einer Mitarbeiterin des Unternehmens an einen Komplizen übermittelt worden sein, der sich um die Nachvermietung gekümmert haben soll. Das „Vollbild“-Rechercheteam hat die Chatverläufe von mehr als einem Jahr aus der Gruppe ausgewertet und konnte so nachzeichnen, dass die Heimstaden-Mitarbeiterin und ihr Komplize innerhalb eines Jahres mehr als 150.000 Euro durch die Abzocke erbeutet haben könnten.

Schlange stehen bei Wohnungsbesichtigungen: Das ist ganz normal in Berlin.
Schlange stehen bei Wohnungsbesichtigungen: Das ist ganz normal in Berlin.Dahahm Choi

Die SWR-Doku „Vollbild: Undercover auf dem Mietmarkt“ ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen.